Einzelnen Beitrag anzeigen
  #6  
Alt 15.02.2005, 09:49
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Schmerz will nicht raus

Hallo Julia,

warum machst Du Dir so viele Gedanken darum was andere denken könnten? Du bist niemandem gegeüber verpflichtet ein "gewisses Mass an Trauer" öffentlich zu zeigen und damit irgendwem was zu beweisen.

Wer bestimmt denn in welcher Phase man wieviel zu weinen hat, und das auch noch öffentlich? Also, ich denke der derste wichtige Schritt für Dich wäre zu versuchen, Dich davon frei zu machen was andere von Dir erwarten (könnten). Ich weiss das ist nicht leicht (ich neige auch dazu mir anderer Leut's Kopf zu zerbrechen, aber gerade in so schwierigen Phasen muss man versuchen mehr auch an sich selbst zu denken).

Und dann ist es wichtig zu kucken: was ist DEIN Bedürfnis. Vielleicht willst oder musst du in dieser Phase einfach nicht so viel weinen. Mein Vater ist letztes Jahr im Juni gestorben und als ich irgendwann aufhörte ständig zu weinen fühlte sich das ganz komisch an, als wenn ich mich schon fast daran gewöhnt hätte, ausserdem betrachtete ich mich selbst irgendwie misstrauisch "war's das schon.... war das jetzt genug... war DAS meine Trauer um meinen Vater...."

Oder WILLST Du weinen, und kannst es nur irgendwie nicht? Wenn es sich wie ein Kloss anfühlt könnte man meinen dass sich da bei dir tatsächlich etwas anstaut was irgendwie rauswill aber nicht kann. Oder traust Du Dich nicht? Ich meine, könntest Du Dir einen Ort vorstellen an dem Du losschreien würdest?

Ich hatte "zufällig" schon einen Psychotherapeuten als mein Vater starb, der mich dann die ganz Zeit begleitet hat, wir legten alle anderen Themen auf Eis und haben ca. 1/2 Jahr über nix anderes gesprochen. Ich bin einfach nur froh dass ich ihn hatte und weiterhin habe.

Vielleicht wäre es eine Lösung für Dich mal einen Therapeuten aufzusuchen? Man muss manchmal etwas suchen bis man den oder die richtige findet aber dann ist es einfach nur schön. Natürlich tut es auch weh und es wird vieles aufgewühlt aber es ist ja auch notwendig, so sehe ich das.

Aber jeder muss seinen eigenen Weg finden. Ich denke, es kann niemanden geben der festlegt wie lange und wie man zu trauern hat. Davon abgesehen dass ich in der zwischenzeit trotz Therapeut eine Depression hatte und jetzt durch Medikamente wieder stabil bin, ist die Trauer immer noch da. Aber es verändert sich und man lernt damit zu leben. Und es tut eben nicht mehr jeden Tag so weh und ich weine nicht mehr so oft. Und ich versuche zu akzeptieren dass auch der Alltag wieder kommt (denn die Erkenntnis tut auch weh) aber das muss man sich auch gestatten können, allein konnte ich das nicht und bin nur froh dass ich meinen Thera habe der mir da mit durchhilft.

Alle anderen wollen das ganze doch schon nach kurzer Zeit nicht mehr hören, bei ihm kann ich jederzeit davon sprechen auch Dinge die man aus Rücksichtnahme auf andere nicht erzählt. Das ist sein Job, klar, aber den macht er prima und er ist absolut mein Halt im Alltag. Wenn man Zahnschmerzen hat geht man doch auch zum Zahnarzt. Und wenn man Seelenschmerzen hat würde ich jederzeit einen guten Thera empfehlen.... ohne ihn würde ich mich mit dem ganzen Thema sehr viel einsamer fühlen. Klar ist dieses Forum auch sehr wichtig, war es für mich schon seit mein Vater in 2002 die Diagnose Darmkrebs erhalten hatte.

Alles Gute + Viele Grüsse
Kerstin
Mit Zitat antworten