Einzelnen Beitrag anzeigen
  #2  
Alt 28.03.2008, 10:23
Mona66 Mona66 ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 17.06.2007
Ort: Bonn
Beiträge: 236
Standard AW: Traurigkeit und viele Unsicherheiten

Hallo Yunah
ich glaube, dass die Bewältigung einer schweren Krankheit so unterschiedlich läuft wie Menschen eben auch unterschiedlich sind. Es gibt sicher ein paar Gedanken, die für viele richtig sind und helfen. Es gibt aber auch vieles, was eben ganz unterschiedlich ist.

Ich kann also hauptsächlich von eigenen Erfahrungen schreiben... Vielleicht als Hintergrund: Mein Krankheitsverlauf ist ziemlich schlecht gelaufen, schulmedizinisch bin ich sehr früh unheilbar gewesen. Dennoch fühl ich mich seelisch relativ stabil und fahre gefühlsmässig eher wenig "Achterbahn".

Ich gehöre z.B. zu den Leuten, die daran glauben, dass man durchaus kommunizieren kann, wie man sich fühlt, so dass andere einen verstehen können. So richtig nachempfinden kann man ja nie was, was ein anderer erlebt. Man steckt halt nicht in seiner Haut. Aber man kann doch drüber reden.

Zum Telefonieren: Wesentlich für meine seelische Stabilität ist ein guter Austausch und viel Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen, mit denen ich auch offen reden kann. Aber selbst bei mir ist es so, dass ich etwas weniger von mir selbst aus anrufe und dennoch sehr gerne angerufen werde. Es gab einzelne Tage, an denen ging es mir körperlich so schlecht, dass ich nicht die Kraft hatte, lange zu sprechen. Da konnte man sich natürlich auch die Telefonate sparen. Aber das konnte ich dann auch rüberbringen. Daher meine Einschätzung: Wenn deine Freundin dir das Gefühl gibt, dass sie sich freut, dann ruf weiter an. Es ist schon so, dass man durch die Krankheit erstmal mehr mit sich selbst beschäftigt ist. Wenn etwas Zeit vergangen ist und ihr Zustand stabil ist, wird sie sich wohl auch wieder eher von sich selbst aus melden. Ich würde Telefonate auch Briefen vorziehen. Warum? Weil du da mehr von den Stimmungen mitbekommst und weil einen die Krankheit mindestens zeitweise dünnhäutiger macht. Wenn in einem Brief was steht, was missverständlich ist, kann man es schlecht wieder einfangen. In einem Telefonat merkst du es schneller. Soviel vielleicht auch dazu, "wie ehrlich man in so einem Brief sein soll". Ehrlichkeit ist okay, aber wenn sie missverständlich sein könnte, auch schwierig. Daher würde ich die schwierigen Themen eher im direkteren Dialog suchen.

Dann zu der Frage "wie ehrlich kannst du sein"? Was verstehst du unter Ehrlichkeit?
Hier hängt m.E. auch ganz viel von der konkreten Krankheit ab. Krebs ist ein Sammelsurium von Krankheitszuständen. Es kann ein grausames Sterben sein. Es kann aber auch heilbar sein und ist es auch häufig. Viele Kranke kommen in einen Zustand wo sie noch eine lange gute Zeit haben mit erträglichen Einschränkungen. Viele sind lange kraftlos. Je nachdem, was die Krankheit konkret bedeutet, je nachdem sollte man auch mit ihr umgehen. Da du zu der Krankheit nichts geschrieben hast, ist es auch schwierig jetzt da genaue Tipps zu geben. Aber manche Menschen verstehen unter Ehrlichkeit den Kranken damit zuzuschwätzen, dass er ja sterben wird und es keine Hoffnung gibt... das hilft selten finde ich. Hoffnung ist auch Leben. Vielleicht sollte sie in gewissem Rahmen bleiben... und man sollte auch die Möglichkeit des Sterbens nicht völlig verdrängen, okay.

Was ich aber hin und wieder gelesen habe, ist von Angehörigen / Nahestehenden, die anfangen um die Kranken zu trauern. Das finde ich daneben. Denn die Kranken leben und sind lebendig. Trauern kann man, wenn die Menschen tot sind, keinen Tag früher. Zumindest von Erwachsenen erwarte ich das. Und ich glaube, dass auch nur das den Kranken hilft. Die Kranken leben weiter und ich finde, sie sollten auch so behandelt werden und unterstützt werden.
Dann gibt es noch die Nahestehenden, die plötzlich das erste Mal mit dem Tod und dem Sterben konfrontiert sind und das alles ganz schlimm finden. Ich denke, damit sollte jeder Mensch ein Stück weit selbst klarkommen und sich auch eine Meinung dazu machen. Zu den Ängsten, die er damit hat. Zu den Fragen, die er hat. Das hat erstmal nichts mit dem konkreten Kranken zu tun, sondern das hat was mit jedem Menschen selbst zu tun. Wenn man dann hinreichend gefasst mit dem Thema umgehen kann, dann bietet sich sicher auch die Möglichkeit mit dem Kranken darüber zu reden, der sich ja auch einige Gedanken dazu macht und sicher auch die Möglichkeit von dem Kranken zu lernen...

Nicht um einen Menschen zu trauern, so lange er lebt, heisst nicht, dass man nicht Traurigkeit empfindet, darüber dass er krank geworden ist, darüber dass er Schmerzen hat oder haben wird. Man kann über diese Traurigkeit schon am Telefon reden. Aber sie wirklich miteinander leben, kann ich mir telekommunikativ leider nur schwer vorstellen. Sowas ergibt sich am ehesten wenn man sich gegenüber sitzt und auch mal die Hand des anderen ergreifen kann. Dann können gemeinsam geweinte Tränen durchaus erleichtern und sogar zu schönen Momenten werden. Aber sowas muss sich ergeben. Biete deiner Freundin von Zeit zu Zeit einen Besuch an. Auch wenn sie dein erstes Angebot ausgeschlagen hat. Es muss nicht so bleiben, aber sie wird möglicherweise ängstlich sein, dich danach zu fragen, weil sie es schon mal abgelehnt hat. Mir haben Besuche immer sehr gut getan und ich freue mich darüber, dass mir Menschen zeigen, dass ich ihnen wertvoll bin. Ich weiss nicht, ob es Kleinigkeiten gibt, die Deiner Freundin eine Freude machen können. Wenn ja, kannst du ihr ja mal ein Überraschungspäckchen schicken. Oder auch mal einen kleinen Blumenstrauß. Ich hab mich über sowas immer sehr gefreut. Das sind für mich Streicheleinheiten für meine Seele. Oder auch mal ein schönes Foto, das ich per mail bekomme. Aber da sind vermutlich nicht alle Menschen gleich. Probier es aber ruhig aus und schau dir die Reaktion an. Wenn die Freude nicht groß ist, dann lass es wieder. Ich denke aber nicht, dass du damit etwas kaputtmachen kannst.

LG Mona
Mit Zitat antworten