Thema: neu hier...
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Alt 01.10.2010, 09:25
Lydia K. Lydia K. ist offline
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Standard AW: neu hier...

Guten Morgen,
Du hast ja auch schon länger Erfahrung mit kranken Angehörigen... Auf diese Erfahrung könnte man gut verzichten, nicht wahr?

Ich kann Dich gut verstehen, mir geht es ähnlich. Und es gibt auch kaum noch jemand, dem ich das alles so sagen kann, obschon meine Freunde und mein Mann durchaus zuhören würden. Aber es gibt nichts "Neues" zu berichten und ich möchte auch nicht ständig weinen und in deren Gegenwart traurig sein.

Ich denke oft, es hat alles seinen Platz nebeneinander: Das Frohsein (ja geht immer noch durchaus;-), das Lachen, die Wut, dass es meine Mama getroffen hat und auch die Trauer, um meine Mama. Und weil ich jetzt schon solange traurig bin und "trauer", wird es nach dem Tod meiner Mama hoffentlich nicht mehr so schrecklich sein. D.H. mit dem trauern habe ich schon längst begonnen und vieles schon "abgearbeitet". Hört sich furchtbar technisch an... Ich habe alles, wie Beerdigung schon x-mal durchgespielt (plane eben gerne und bin praktisch, das hilft mir oft weiter, auch wenn es an dem Grundgefühl nichts ändert).

Ich habe mich in den letzten fünf Jahren so oft verabschiedet, nach jeder OP, nach jedem weiteren Tiefschlag, immer wieder Tschüß gesagt, Losgelassen und trotzdem ist sie immer noch da. Ich bin dankbar dafür, auch wenn sie jetzt so krank ist, dass sie nur noch im Bett liegt in einer Art Dämmerzustand. Es wird Zeit, dass sie erlöst wird.

Ich träume häufig von meiner Mama, wie sie gesund ist, mit mir spricht, wie sie lacht und einfach ist, wie sie ist, stark und super praktisch, tapfer und niemals nervig, hat nie gejammert und immer weitergemacht, egal was kam. Sie fehlt mir entsetzlich, schon jetzt.

Habe letztens gemerkt, dass ich schon seit fünf Jahren nicht mehr "bemuttert" werde. Das tat weh; irgendwie fühlte ich mich plötzlich ganz allein auf der Welt. Auch wenn Mann und Freunde da sind. Ich habe aber das Glück, noch drei Brüder zuhaben. Mit zweien verstehe ich mich sehr gut und es sind die Menschen, mit denen ich dann auch ehrlich über Mama spreche.

Es tut mir leid, dass Du keine Familie mehr hast. Das hilft ungemein. Aber vielleicht können auch gute Freunde diese Rolle übernehmen...

Eine gute Möglichkeit, sich nicht alleine zu fühlen, ist dieses Forum. Ich bin froh, dass es hier Menschen in der gleichen Lebenssituation gibt, mit denen man sich austauscht oder einfach nur still Anteil nimmt. Du bist hier sicher gut aufgehoben.

Und was mir dann oft durch den Kopf geht, wie es den echten Kranken mit uns Angehörigen hier wohl so gefällt. Sie merken ja, wie schrecklich viele Sorgen wir uns machen und dann ist es sicherlich auch oft eine Last, all das zu lesen. Sie müssen sich ja auf sich selbst und ihre Gesundheit konzentrieren und haben dann trotzdem noch die Bürde für ihre Angehörigen stark zu sein. Ich bin oft überwältigt, mit wieviel Kraft und Würde die echten Kranken hier zu ihrer Lebenssituation stehen und sie trösten alle anderen, die Angehörigen und ihre Leidensgenossen. Das hat mich in diesem Forum besonders bewegt und ich bin oft sprachlos, wie gut und souverän mit der ständigen Angst umgegangen wird. Mittlerweile schreibe ich lieber im Angehörigen-Forum, um die wirklichen Kranken nicht zu "nerven" mit meinen Sorgen und auch zu ängstigen mit der Krankheitsgeschichte meiner Mutter...

Du bist hier gut aufgehoben, "herzlich willkommen", und wir bleiben einfach weiterhin stark und sind tapfer wie unsere Mütter.
Mit lieben Grüßen,
Lydia

Geändert von Lydia K. (01.10.2010 um 09:29 Uhr)
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