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Alt 22.03.2020, 15:00
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Osgiliath Osgiliath ist offline
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Registriert seit: 09.02.2020
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Standard AW: Nun also auch wir...

Zuerst einmal ein großes, großes Dankeschön an alle, die mir hier so lieb zugehört und mir Mut zugesprochen haben! Das hat wirklich sehr gut getan!

Bis hierhin hatte ich Euch meine Geschichte schon eingespeichert; ich wollte wirklich so bald als möglich nach meiner Anmeldung hier weiter schreiben.

Quasi als Blog.

Dazu kam es jedoch nicht mehr...
Mama ist am 27.02.2020 in der Anwesenheit meines Sohnes, meiner Schwester, meines Schwagers und mir für immer eingeschlafen.

Wir haben sie in Liebe gehen lassen.

Es war okay.

Es gab nichts mehr zu erledigen...alle, die sich noch verabschieden wollten, haben dies getan. Über Sprachnachrichten...über Telefon. Mama war ja bis ganz zum Schluß völlig orientiert und hat alles mitbekommen. Als sie endgültig von uns ging, geschah es sehr schnell. Kein Quälen, kein "rasselndes Atmen", kein Kampf.
WIr hörten nur die immer länger werdenden Atempausen...und dann kam nichts mehr.
Ich konnte sehen, wie ihr Herz aufhörte zu schlagen.
Und dann war Stille.

Einfach nur Ruhe.
Bis ganz zum Schluß.

Und ich sitze hier jetzt seit über drei Wochen hier und kann einfach nicht weinen...klingt das plausibel?

Am Tag ihres Todes bin ich abends bei mir daheim auf meiner Couch kurz zusammengeklappt...48 Stunden mit 3 Stunden Schlaf als Trauerbegleitung lagen da hinter mir. Ich habe die Nächte vor Mamas Tod bei ihr im Hospiz verbracht. Habe sie gelagert, ihre Hand gehalten, ihr Getränke angereicht, sie nachts mit der guten "Nachteule" auf den Toilettenstuhl gebracht und das Zimmer wirklich nur für einen Kaffee oder (nachdem Sr. M. mich quasi dazu verdonnert hatte, die gute Seele), zum Essen verlassen.

Dabei aber immer dafür gesorgt, dass jemand bei ihr ist.

Ich wollte nicht, dass sie allein ist.

Als ich nun zuhause war, habe ich den großen Fehler (?) begangen und ein Musikstück, dass ich Mama noch vorgespielt hatte (falls es euch interessiert: Es war Andre Rieu - Amazing Grace...eigentlich ÜBERHAUPT nicht mein Fall aber man hört ja auch schon mal Sachen, die die Seele berühren) laufen lassen...da brachen bei mir kurz die Dämme.

Ich habe aufgeschluchzt und geweint, bis ich keine Luft mehr bekam.
Seitdem geht es nicht mehr.

So viel galt es zu erledigen...das Räumen ihres Zimmers...die Organisation ihrer Bestattung. Die Gespräche mit meinen Geschwistern...mit den Geschwistern von Mama, welche alle noch leben (sie war die Jüngste). Und was es da nicht noch alles so gibt.
Zusätzlich zur eigenen Arbeit. Zusätzlich zum berufsbegleitenden Studium.

Ich muss dazu sagen, dass meine Kollegen mich wirklich sehr unterstützt haben. Ich bekam frei mit den Worten "Kümmere Du dich erstmal um Deine Frau Mama". Ich wurde entlastet, wo es nur ging.
GsD waren gerade Semesterferien.

Und jetzt liegt die Bestattung nur noch eine Woche von mir entfernt. Auf der einen Seite denke ich mir, ist es sicherlich gut, dass ich bald zur Ruhe komme...auf der anderen Seite bekomme ich es noch überhaupt nicht verstanden, dass Mama nicht mehr da ist.

Versteht ihr, was ich meine?

Ich fühle mich, als sei ich in zwei Hälften aufgeteilt. Auf der einen Seite die Tochter, die wirklich jede einzelne Minute trotz der emotionalen Anstrengung mit ihrer Mama in den drei Wochen und dem einen Tag genossen hat...auf der anderen Seite die Tochter, die 1. noch gar nicht begreifen kann dass Mama mich nie wieder anrufen wird und 2., die die Mama, die ich mein Leben lang kannte und die Frau, die ich bis in den Tod begleitet habe, auch als ihre Mama kennengelernt hat.. Und diese beiden Personen bringe ich irgendwie nicht zusammen.
Es fühlt sich an wie ein "vor dem Hospiz" und wie ein "danach".


Nochmal...versteht ihr, was ich meine? Drücke ich mich verständlich aus?

Mir sagen so viele, dass die Zeit des Trauerns noch kommen wird...ist das so?

Ich wäre Euch für Rückmeldungen sehr, sehr dankbar.
Haut in die Tasten...haltet Euch nicht zurück!

Danke fürs Durchschlagen!

N.

Geändert von Osgiliath (22.03.2020 um 15:06 Uhr)
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