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Alt 16.11.2005, 10:34
Barbara 64 Barbara 64 ist offline
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Standard AW: Zwei Jahre danach...

Sonntag hatten wir wie üblich unsere Auseinandersetzung... Warum besuche ich Dich nicht, warum kritisierst Du mich ständig, warum warum warum... Und warum bin ich überhaupt so abweisend zu Dir, mag ich Dich denn gar nicht...

Mama, das, was ich damals von Dir kannte, das, was Du mir warst, das mochte ich nicht. Ich habe Dir das nicht gesagt, war viel zu überrascht über die Klarheit dieser Erkenntnis, daß ich gar nichts sagen konnte...
Du bist meine Mutter, und ich habe Dich lieb, das habe ich Dir gesagt... Dir war das für den Moment genug, doch ich habe gespürt, das reicht nicht. Im Grunde war ich nicht anders als Du, wir gehören zusammen, aber wirklich angenommen hatte ich Dich genausowenig wie Du mich.
Es gab Gründe dafür, Vertrauensbrüche von Dir, Rückzug von mir, Du warst nie zufrieden und oft unglücklich, meine ganze Kindheit hindurch... Und unsere sonstigen Lebensumstände waren für mich auch sehr schwer.
Wir hatten in der Zeit nach Papas Tod viele Gespräche, und es waren einige gute, offene und ehrliche Gespräche dabei. Doch es gab Dinge, die Du nie hören wolltest, Erfahrungen in meinem Leben, über die nicht gesprochen werden durfte... Du hast immer nur gesehen, wie schwer es für Dich war, und Du wurdest nicht müde, Dein Leiden zu beklagen. Das Leid des Kindes, das ich einst war, wolltest Du nicht sehen... Mich hast Du gar nicht wirklich gesehen.

An jenem Sonntag wurde mir klar, daß ich Dich gar nicht kannte... Und das tat weh. Außerdem spürte ich, daß ich nicht wirklich Anteil nehmen konnte an dem, was Dir geschah... Gewiß, ich war da, aber ich war auch in der Vergangenheit, und ich habe Dir übelgenommen, was war.
Wir haben geredet, doch Du hast mich nicht hören wollen. Ich mußte das, was in mir war für Dich und gegen Dich mit mir allein ausmachen...


Ein Traum, ein Traum ist unser Leben
Auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wolken schweben
Und schwinden wir.
Und messen unsre trägen Tritte
Nach Raum und Zeit;
Und sind (und wissen's nicht) in Mitte
Der Ewigkeit...

Johann Gottfried Herder
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