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Alt 12.12.2005, 12:51
Barbara 64 Barbara 64 ist offline
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Standard AW: Zwei Jahre danach...

Ich war jeden Tag nach der Arbeit bei Dir, habe für Dich eingekauft, Dir beim Essen Gesellschaft geleistet, und wir haben viel geredet. Du hattest Dich entschieden, Du würdest nicht mehr stationär in ein Krankenhaus gehen. Wenn die Zeit gekommen sein würde, wolltest Du in ein Hospiz. Bis dahin hattest Du noch viel vor, Dein letztes Weihnachten feiern, Silvester, vielleicht noch mal wegfahren, ja, und im Sommer 70 werden... Vielleicht noch ein Jahr, hast Du gesagt...

Du hast Pläne gemacht, Weihnachten bei uns, es wäre das erste Mal gewesen, daß Du an Heiligabend bei mir gewesen wärst, vielleicht komplett über Weihnachten bleiben, mal schauen... Con und ich haben uns Gedanken gemacht, wie wir Silvester feiern. Wenn Du wolltest, mit Dir, die übliche Silvesterparty könnten wir im nächsten Jahr feiern - wie selbstverständlich wir davon ausgehen, daß wir nächstes und übernächstes Jahr noch leben. Und nicht einmal die Tatsache, daß Du offiziell bis 16. November gesund und am Tag danach todkrank gewesen bist, hat das in uns nicht verändert...
Die Endlichkeit des Lebens mag uns manchmal vor Augen geführt werden, wirklich bewußt wird sie wohl nur, wenn wir sie am eigenen Leib erfahren.

Ich habe Dich gefragt, ob Dir etwas wichtig ist außer dem Hospiz, ob Du Dinge regeln willst. Du hast aufgezählt, welche Sachen für mich wichtig waren, sie zu wissen, wenn Du einmal nicht mehr sein würdest, Unterlagen für das Haus, Dein Stammbuch, solche Dinge, das würden wir dann zwischen den Jahren machen. Die Patientenverfügung hattest Du schon vor langer Zeit unterschrieben, doch sie würde nicht gebraucht, ich habe Dir auf Deine 'Forderung' hin versprochen, daß ich Dich nicht in ein Krankenhaus einliefern lassen würde, wenn es nicht um eine akute Sache, die mit Deinem Krebs nichts zu tun hätte, gehen würde.
Mama, war Dir klar in diesen Gesprächen oder in den Nächten danach, wie wenig Dich Papas Bedürfnisse interessiert haben, als er im Krankenhaus lag, als das Sterben begann ? Daß es immer nur um Deine Bedürfnisse ging ? War Dir klar, daß ich nicht schlafen konnte nachts, weil ich eben kein Hospiz gefunden habe ? Wußtest Du, was ich mir mit diesem Versprechen aufgeladen habe ? Ich wußte es nicht. Ich würde es Dir immer wieder geben, wenn Du es forderst, doch tief in meinem Innern weiß ich, daß es nicht anständig ist, ein solches Versprechen zu wollen. Egal, wie groß die Angst vor dem Krankenhaus ist... Man darf das wünschen, ja, doch man darf es sich nicht versprechen lassen...

Über Deine Wünsche betreffend Deiner Beerdigung brauchten wir nicht zu sprechen, zum einen war das in meinen Gedanken noch weit weg, zum anderen hatte ich Dich vor Jahren schon gefragt. So, wie Du Papas Beerdigung arrangiert hattest, hat mir das nicht gefallen.. für Dich war es Dir egal, nichts außergewöhnliches, ein Musikstück hast Du benannt (und es war weder das Ave Maria noch 'das Largo', jene Stücke, die Du bei Papa hast spielen lassen, weil man das so macht...).

Wir haben ein wenig über die Zeit damals geredet, wie ich Papas Sterben und Dein Umgehen damit erlebt habe und die Zeit danach, den Streit über die Traueranzeige, Dein Verbot betr. Gedicht oder Text. Du meintest, es ging Dir halt nicht gut damals... Meintest Du wirklich, mir ging es gut ? Ich habe mich nur nicht hinter den üblichen Ritualen versteckt wie Du... Mir sind auch die Nachbarn egal, für mich ist wichtig, daß es in mir stimmt und zu dem paßt, der gegangen ist.

Ja, wir haben viel geredet, Mama. Wirklich näher gekommen sind wir uns nicht.


Ein Traum, ein Traum ist unser Leben
Auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wolken schweben
Und schwinden wir.
Und messen unsre trägen Tritte
Nach Raum und Zeit;
Und sind (und wissen's nicht) in Mitte
Der Ewigkeit...

Johann Gottfried Herder
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