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Alt 17.04.2014, 12:36
berliner-engelchen berliner-engelchen ist offline
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Standard AW: Eierstockkrebs - Angst vor OP - TM bei 7980

Liebe Jackie,

erst mal herzlichen Glückwunsch, dass Du es schon bis hierhin geschafft hast.
Das ist toll und eine grosse Leistung. Dein Körper und Deine Seele leisten ganz immenses. Für beide ist es wie die Besteigung des K2 oder Mount Everest ...
Da ist Verzweiflung und Angst zu Scheitern eine ganz natürlich Reaktion.

Ich habe es bei mir selbst und bei vielen anderen Frauen beobachtet: wenn die konkrete Todesbedrohung weg ist (von der Deine Psyche vor und während so einer OP ausgeht!), dann kommt ein psychisches Loch, nicht selten ist eine richtige Depression.

Stell es Dir so vor, mal laienhaft ausgedrückt: durch die Extremsituation hat Dein Körper seinen Speicher an bestimmten Hormonen komplett geleert - Hormone, die zuständig sind für Glücksgefühl, Wohlbefinden, Ausgeglichenheit. Meist können diese Speicher, so einmal komplett entleert, nicht mehr aufgefüllt werden, da es dafür notwendig ist, einen bestimmten "Rest" , einen Grundspiegel noch zu haben.

Und schwupps, bildet sich eine handfeste hartnäckige Depression aus.
Was Du tun kannst: geh zum Arzt, schildere die Symptome und bitte um entsprechende Medikamente, die Dir helfen, erst mal wieder ein bestimmtes Level zu erreichen. Vergiss das böse Wort psychopharmaka, es sind Medikamente wie jedes andere auch. Das ist nach so einer grossen OP ein normales Vorgehen, allerdings wird es von Ärzten häufig "vergessen" (bzw. man kann damit ja nicht viel "Verdienen" )

Du hast Grund, dich zu freuen: die OP ist überstanden, die erste Chemo konnte "intime" gegeben werden. Die Befundung ist Grund zur Freude. Stadium 2 c ist super, die häufigste Befundung von Ek ist 3c, gefolgt von 4.

DU hast jetzt eine wirklich gute REELLLE Chance auf vollständige, dauerhafte Heilung !!! Das musst Du dir immer wieder vor Augen halten.

ich möchte noch ein Wort zu betroffenen Angehörigen sagen - Schwieriges Thema.
Also, das Problem ist, dass es alle nicht böse meinen, aber vor lauter Hilflosigkeit häufig völlig falsche Dinge tun. Meist kommt hinzu, dass das Wort Krebs auch noch falsche Vorstellungen hervorruft. In den letzten 15 Jahren wurde immens viel gefunden, dass Krebs nicht zu einem sofortigem Todesurteil, sondern zu einer behandelbaren Krankheit gemacht hat. Viele Nichtbetroffene wissen das nicht.
Die Heilungsraten steigen bei fast jeder Krebsform und auch das mediane Überleben ist sehr gestiegen, selbst wenn die Krankheit nicht mehr heilbar ist.
Muss man ihnen einfach mal sagen.

Die Hilflosigkeit führt Angehörige dazu, doofe Ratschläge zu geben, sich zurückzuziehen, in Mitleid zu zerfließen, in Betroffenheit zu schwelgen, ....
oft hilft es, offensiv ein Gespräch damit zu beginnen, Deine derzeitige Situation zu benennen und deutlich einfließen zu lassen, womit du Probleme hast oder Hilfe bräuchtest.
(zum Beispiel: ich bin zur Zeit abends nur noch müde, und habe überhaupt keine Lust zum Kochen - da kannst Du mich gerne unterstützen. Oder: Rasenmähen ist derzeit die Hölle für mich - magst Du mir nicht helfen ....)

Die Ratschläge Deiner Schwägerin zeigen noch was anderes: ihre eigene Angst vor der Krankheit.
Sie gibt Ratschläge, von denen sie denkt, wenn sie sie selbst befolgen würde, wird sie von Krebs verschont - Diät machen, schlank sein, sportlich leben ... etc. DAS STIMMT NICHT!!! Es weist Dir Schuldgefühle zu, ABER: an Krebs ist man nicht "schuld" ..
DAS IST SCHICKSAL und das ist wenig beeinflussbar ...
Ich z.B. bin super schlank (wie viele andere auch, nicht wahr Sannchen etc. ...) , war durchtrainiert, ständig draußen, total gesund ernährt .... hat mir auch nix geholfen

WEnn Dir die Angeörigen und Reaktionen anderer zu viel sind, - das kenne ich auch - dann zieh dich einfach konsequent zurück. Mach ich teilweise auch.
Aber ich plädiere auch für Gelassenheit: erklären hilft viel, genaue Handlungsanweisungen auch. Nie vergessen: meist ist es Hilflosigkeit und gegen die kann man was tun. oft wollen freunde und Angehörige eigentlich nicht ausgegrenzt werden, häufig würden sie gerne ehrlich helfen.

In unserer Gesellschaft werden viele krankheiten tabuisiert. Es wird das Bild des gesunden, leistungsfähigen Menschen kreiiert. Es ist ein Tabu, genauso offen auch andere Seiten des Lebens zu zeigen.
Wenn man es tut (ich selbst versuche das nun schon seit 4 Jahren ... und muss sagen, meist erfolgreich), geht es einem meist besser.
Ich jeden Fall schicke ich Dir dafür ein grooooses Paket an Kraft, denn die braucht man dafür.

DU SCHAFFST DAS !!

LG von
Birgit

Und noch was ist mir gerade eingefallen:
eine Diät in der Chemozeit lass mal schön bleiben. Es sprechen medizinische Gründe dagegen und zudem stresst es dich nur zusätzlich. Meist mag man eh irgendwann nix mehr essen ...
Haare: der Zeitpunkt, wann sie ausgehen ist sehr unterschiedlich. trotz gleicher Zytostatika. Bei mir gingen sie unter Carbo/Taxol erst nach der 4. Gabe aus. Und geschummelt hab ich dann auch noch: Die letzten, die gingen, waren die Haare untenrum, so dass ich tücheer getragen hatte und die wenigen Haare herausgucken ließ, das sah aus, als wären noch welche da hihi, dabei war oben schon alles spiegelblank. also nicht ausrupfen !!! (bist doch kein Huhn, oder ??? ;-)) trotz Ostern ...) und ruhig bleiben: die Chemo wirkt trotzdem ....

Geändert von berliner-engelchen (17.04.2014 um 15:47 Uhr) Grund: und noch was
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