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Alt 05.05.2014, 21:40
Ingwertee Ingwertee ist offline
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Standard AW: Oxaliplatin: kurz- und langzeitige Nebenwirkungen?

Dann mache ich wohl mal ein Update


1. Wieviele Zyklen Oxaliplatin hast Du bekommen?
8

2. Wie lange ist die letzte Gabe her?
2 Jahre und 9 Monate

3. Welche Nebenwirkungen traten unmittelbar nach der Gabe auf und wie lange hielten sich?
Fingerkribbeln, starke Kälteempfindlichkeit, Taubheit von Zunge und Lippen, stark gerötetes Gesicht, häufige Spastiken/Krämpfe in Händen, Augenlidern, Lippen, "Abstumpfen" des Tastsinns/Gefühls in den Fingerkuppen (keine totale Taubheit), Gefühl von "Stromstößen" von den Zehen bis zu den Knien hoch (besonders beim Nicken), leichter Haarausfall.

Die meisten Nebenwirkungen waren nach 7 Tagen weg, das leicht taube Gefühl in den Fingerkuppen und die "Stromstöße" in den Beinen blieben lange. Zusätzlich oft Kribbeln in Fingern und Zehen, insbesondere bei Kälte sehr deutlich.

4. Welche Nebenwirkungen traten erst nach Abschluss der Chemo auf und wann begannen diese?

Spoiler Alert: Das klingt gleich alles schlimm, aber heute - 2,5 Jahre später - sind diese Symptome so gut wie alle weg!

Die Polyneuropathie wurde in den ersten 3-4 Monaten nach Ende der Oxaliplatin-Gabe zunächst zunehmend schlimmer und war dann nicht nur zeitweise, sondern rund um die Uhr da. zu dem beschriebenen kam:
Extreme Tollpatschigkeit mit Händen und Füßen (ständiges Stolpern, unsicherer Halt, Besteck fiel mir aus den Händen oder aber ich bekam Krämpfe und Schmerzen in den Händen, weil ich zu stark festhielt, konnte schlecht Tippen oder SMS schreiben, Handy fiel mir aus der Hand, schnitt mich in die Finger, stieß mir die Hände und Füße an, ließ im Supermarkt Dinge fallen, wenn ich mich nicht total darauf konzentrierte, sie festzuhalten (also anschaute) - oder ich zerquetschte schonmal einen Joghurt-Becher, etc. Hände und Füße waren teilweise echt nicht zu gebrauchen.
Hände und Füße kribbelten rund um die Uhr, Empfindungsstörungen, Gefühl als hätte man sich die Fingerkuppen verbrannt, raues Gefühl, manchmal Schmerzen. Steife Beine nach körperlicher Betätigung. Gefühl von "Stromstößen", die durch den Körper gehen, wenn man mit dem Kopf nickt (klingt verrückt, haben aber viele :-)).


5. Welche Langzeitnebenwirkungen hast Du heute noch?
Fingerkuppen haben sich komplett erholt, auch die Tollpatschigkeit ist weg. :-) Leichtes Kribbeln noch der Zehen und der Fußsohle, bei Kälte manchmal Taubheitsgefühle in den Füßen. Füße werden sehr schnell sehr kalt, so dass ich im Winter tatsächlich manchmal Angst hatte, sie könnten mir absterben oder zumindest einen noch größeren Schaden mit sich nehmen. Auch bei unbequemen Schuhen (High heels) taucht das Kribbeln und dieses Taubheitsgefühl auf (sie sind nicht so taub, dass ich nichts spüre, sondern so wie eingeschlafen). Ich kann nicht wirklich mit den Zehen/Füßen greifen (Stifte aufheben etc.), wobei ich nicht weiß, wie gut ich das vorher konnte. Flip-flops-Tragen habe ich ausgiebig geübt und klappt jetzt schon wieder ganz gut - war aber eine Weile lang auch schwierig.
Bei komplizierten Körperhaltungen (Yoga) merke ich schon noch eine Instabilität, weil ich den Boden tatsächlich schlechter spüre oder einfach der Grip in den Zehen fehlt.


6. Welche Medikamente hast Du während der Behandlung/Chemo gegen die Nebenwirkungen von Oxaliplatin bekommen?
Calcium und Magnesium per Infusion.

7. Welche Medikamente hast Du im Nachhinein bekommen/nimmst Du eventuell heute noch, um die Langzeitschäden von Oxaliplatin zu behandeln?
Nach der Chemo in der Reha:
- 4-Zellen-Bäder ("Elektrobäder" für Hände und Füße, die die tieferliegenden Nerven stimulieren sollen)
- Ergotherapie (verschiedene Kraft- und Koordinationsübungen, mit Igel-Bällen, Thera-Kit, Standübungen etc.)
- Tastübungen -> es gab u.a. einen Barfußpfad mit verschiedenartigen Materialien, auf dem man die Sensibilität der Füße, die Balance und das Greifen von Steinen etc. (für mich absolut unmöglich) üben konnte. Für die Hände gab es verschiedene Gefäße mit Linsen, Bohnen, Holzspäne, etc. aus denen man blind kleine Gegenstände (z.B. eine Büroklammer) fischen sollte
- Zucker-Öl-Peeling 2x die Woche: einfach einen Esslöffel Zucker mit ca. 2 Esslöffel Olivenöl mischen und damit Hände und Füße 5-10 Minuten lang einreiben - stimuliert die äußeren Nerven und macht superweiche Haut ;-)
- gegen Nervenschmerzen raten sie zu Einreibung mit Aconitöl
- bei schmerzenden, brennenden Füßen gab es Quarkauflagen (das war bei mir allerdings nicht der Fall)
- therapeutisches Plastizieren (also Tonen) - das trainiert ebenfalls die Kraft und Koordination der Hände, hat erstaunlich gut geklappt
- Kaltes Abduschen von Beinen und Armen jeden Morgen nach dem Duschen (wenn der Körper warm ist)

Danach habe ich noch eine Weile lang zu Hause mit Igelball und Knete trainiert, aber sicherlich nicht annähernd so viel, wie nötig gewesen wäre, damit ich mich jetzt beschweren dürfte, dass die Polyneuropathie noch nachwirkt.
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