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Alt 09.09.2009, 22:06
mahohz mahohz ist offline
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Standard AW: Säuglings-ALL - KMT

Zitat:
Zitat von bettiddl Beitrag anzeigen
Aber wann brauchen die Kinder eine Ganzkörperbestrahlung.
Das Vorhandensein einer T-ALL ist einer der Gründe.

Wir haben uns die Entscheidung damals sehr, sehr schwer gemacht, der Bestrahlung zuzustimmen. Nachdem ich verschiedene Ärzte (Kinderklinik Bremen, Uniklinikum Hamburg-Eppendorf und über einen Freund, der an einem Stuttgarter Klinikum arbeitete, die dortigen Onkologen) gefragt und überall dieselbe Antwort bekommen hatte (bloß nicht auf die Bestrahlung zu verzichten), haben wir dann schweren Herzens zugestimmt.

Es kann aber gut sein, dass bei eurem Jonas anders entschieden wird, denn es gibt natürlich noch mehr Prognosefaktoren, die zur Indikation KMT MIT Bestrahlung führen.

Bei Philipp waren das:
1) T-ALL
2) Hohe periphere Leukozytenzahl (>100.000) bei Diagnosestellung
3) verzögertes Ansprechen auf die Behandlung (Late Response)

Als feststand, dass nach einem halben Jahr Chemotherapie immer noch eine sehr hohe MRD-Last nachweisbar war, sagte man uns, ein Rezidiv wäre ohne KMT praktisch vorprogrammiert. Dieses Risiko will man aber insbesondere bei einer T-ALL nicht eingehen, da sie im Rezidiv nur schwer wieder einzufangen ist.

Einer der Professoren sagte übrigens zu uns, dass die T-Zellen zwar zu Resistenzen gegen Chemotherapie neigen, dafür aber empfindlicher auf die Bestrahlung reagieren, als andere Leukämiezellen.

Zitat:
Gibts da nochmal verschiedene Formen??
Ja, die gibt es. Philipp hat(te) eine sog. reife T-ALL.

Hier ein Zitat aus einer Infobroschüre zur ALL bei Kindern:
Zitat:
Bei der ALL findet eine bösartige Veränderung (Entartung) in einer unreifen Vorläuferzelle der Lymphozyten
statt. Die Entartung kann auf verschiedenen Stufen der Zellentwicklung geschehen und verschiedene Untergruppen
der Lymphozyten beziehungsweise deren Vorstufen betreffen. Aus diesem Grund gibt es verschiedene
Formen der ALL. So genannte B-ALL-Formen beispielsweise gehen von Vorläuferzellen der B-Lymphozyten aus, T-ALL-Formen von Vorstufen der T-Lymphozyten. Eine Entartung auf früher Entwicklungsstufe ist
durch die Vorsilbe „prä“ gekennzeichnet. Daraus ergeben sich folgende ALL-Unterformen: die Prä-prä-B-ALL
(heute meist als Pro-B-ALL bezeichnet), die Common ALL, die Prä-B-ALL, die B-ALL, die Pro- und Prä-T-ALL,
die intermediäre (kortikale) T-ALL und die T-ALL.
Wichtig zu wissen ist, dass es verschiedene Formen der ALL gibt, da sich diese, was Krankheitsverlauf und
Heilungsaussichten (Prognose) betrifft, zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Durch die Wahl der
Behandlungsstrategie werden diese Unterschiede berücksichtigt.
Quelle:www.kinderkrebsinfo.de

Diese Broschüre solltest Du dir unbedingt runterladen und lesen. Sie beantwortet viele Fragen!

Zitat:
du sagtest ja mal, das sei eine hartnäckige Form. Jonas hat auch T-ALL aber davon hat noch nie jemand was gesagt.
Ich weiß nicht, wie es bei Säuglingen ist. Aber im CO-ALL Protokoll führt das Vorhandensein einer T-ALL automatisch zur Einordnung in den "High-Risk-Zweig" und eine KMT steht von Anfang an im Raum. Das ist z.B. bei der sog. "Common-ALL" nicht so.

Schau Dir mal den Wikipedia-Eintrag zu ALL an. Da steht unter der Überschrift "ALL im Kindesalter (1-15 Jahre)" lapidar:
Zitat:
Patienten mit T-Linien-ALL – prognostisch ungünstig
Quelle:Wikipedia

Zu den Risikofaktoren führt der Wikipedia-Artikel aus:

Zitat:
Etablierte Risikofaktoren [Bearbeiten]

Fast alle Studiengruppen haben die folgenden Risikofaktoren herausarbeiten können – obwohl die jeweilige Therapie unterschiedlich ist:

1. genetisch Nachweis des BCR-ABL-Fusionsgens [13], oft (aber nicht immer) zytogenetisch sichtbar als „Philadelphia-Chromosom“
2. hohe periphere Leukozytenzahl bei Diagnosestellung als Ausdruck einer hohen „Tumorlast“ (tumor burden)
3. verzögertes Ansprechen auf die Therapie (insbesondere nach Induktionsphase der Therapie)
4. genetisch Nachweis eines MLL-Fusionsgens
5. das Patientenalter: junge Patienten haben in der Regel deutlich bessere Heilungschancen als ältere (Ausnahme: Säuglinge)[14]
6. Befall des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark) durch die ALL [15][16]
7. bestimmte Immunphänotypen (z. B. T-Linien ALL im Kindes- und Jugendalter (1–18 Jahre)[17]

Andere Risikofaktoren sind umstritten und nicht allgemein akzeptiert. Es muss auch betont werden, dass die oben genannten Faktoren statistische Risikofaktoren sind, d. h. im Einzelfall kann der klinische Verlauf auch anders aussehen, als erwartet. Die Identifizierung von Riskofaktoren ist deswegen bedeutsam, weil es sich bei den betroffenen Patienten um Hochrisko-Patienten handelt, die sehr gefährdet sind, ein Rezidiv zu erleiden. Deswegen sehen die bisherigen Therapiekonzepte für diese Patienten primär eine intensivere Behandlung vor. In der Regel wird bei Erwachsenen in erster Remission die allogene Knochenmark- oder Stammzelltransplantation angestrebt.
Quelle: Wikipedia

Es kann aber gut sein, dass es bei der Säuglings-ALL anders ist. Sprich bitte unbedingt mal ausführlich mit den Ärzten. Nagele sie meinetwegen zwei Stunden lang im Besprechungszimmer fest. Sonst machst Du dir vielleicht ganz unnötige Sorgen.

Zitat:
Dürft ihr schon Freunde und Verwandte besuchen und empfangen?
Wie äussert sich das mit der Schilddrüse?
Wenn der Besuch gesund ist, haben wir keine Einschränkungen. Philipp trägt dann halt seinen Mundschutz und es werden öfter mal die Hände desinfiziert.
Das mit der Schilddrüse ist glücklicherweise so früh per Blutbild diagnostiziert worden, dass Philipp noch keine Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion hatte. Jetzt nimmt er einmal am Tag L-Thyroxin und damit stimmt der Hormonspiegel wieder.

Zitat:
Ich bin schon sehr nervös
Das geht - glaube ich - allen Eltern so, deren Kinder vor einer so heftigen Behandlung stehen. Als nach Beginn der Konditionierung unser Kleiner krank wurde, waren meine Frau und ich die reinsten Nervenbündel. Die Ärzte waren die ganze Zeit cool und versicherten, Henrik würde rechtzeitig wieder gesund werden, um das Knochenmark für Philipp zu spenden. Was er dann auch wurde.

Heutzutage ist das Risiko, an einer KMT/SZT zu sterben nicht mehr größer, als bei jeder Hochdosischemo. Es gibt mittlerweile hochwirksame Medis gegen die früher so gefürchteten Infektionen während der Aplasie.

Natürlich wird einem ganz anders, wenn während der "heißen Phase" der Wagen mit dem Defibrilator die ganze Zeit vor der Tür deines Kindes steht. Andererseits ist es gut, dass er nicht erst geholt werden muss, sollte er gebraucht werden.

Er wurde übrigens NICHT gebraucht. Und irgendwann stand er vor einer anderen Tür. Vielleicht kannst Du dir vorstellen, wie glücklich wir an diesem Tag waren!

All das werdet ihr auch erleben. Der Weg ist sehr hart, aber er dauert nicht lange. Und wenn es so schlimm wird, dass ihr denkt, es geht zu Ende, dann geht es plötzlich aufwärts und nur wenige Tage später darf euer Kind das erste Mal aus dem Zimmer.

Wir haben das genauso erlebt. Philipp hatte über 40 Fieber, hustete Blut, hatte einen CRP von über 90, hatte Lungengeräusche und seine Sauerstoffsättigung fiel trotz Maske immer wieder auf unter 80%. Wir hatten so schreckliche Angst um ihn und hofften, dass jetzt nicht noch irgendwas dazu kommt... Und genau an diesem Tag waren plötzlich die ersten Leukos da.

Einen Tag später war der CRP auf 50 gefallen und es ging ihm rapide besser.

Während wir immer noch ein wenig an dem Erlebten knabbern, ist für Philipp in der Erinnerung an die KMT das Schlimmste (und er hat das alles sehr bewusst mitbekommen), dass die ganze Zeit der Musiktherapeut nicht bei ihm war, um Musik mit ihm zu machen. Er hat das Thema abgehakt und schaut nach vorne: Er plant seine Rückkehr in die Fußballmannschaft, in den Kindergarten und die Einschulung nächstes Jahr.

Ganz liebe Grüße
Mitja
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