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Alt 22.02.2020, 21:46
Nachtgestalt Nachtgestalt ist offline
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Standard AW: Hypopharynx Krebs - T4.

Es ist viel Zeit vergangen, aber auch ich möchte hier letztlich alles zu einem Abschluss bringen.

Mein Papa hatte nach seinem erneuten Befall 2017 in der Lunge ja noch einmal den Kampf aufgenommen und den Krebs mittels Bestrahlung und Chemo erneut gut "besiegen" können. Im April 2018 kam der Befund nach einem CT, der Tumor ist zurück auf 2,7cm geschrumpt und man geht davon aus, dass es sich bei diesem Rest nur noch um Narbengewebe handelt. Die Kontrolle drei Monate später verlief ohne Befund. Im Oktober 2018 wurde erneut ein CT gemacht und der Turmo war nahezu so groß wie beim Entdecken. Er befand sich an der selben Stelle in der Lunge, hatte sich jedoch in den Wirbeln etwas weitergefressen (hinein bis in den Spinalkanal). Es erfolgten weitere Untersuchungen, Metastasen gab es keine.

Letztlich wurde entschieden, dass der Tumor operabel ist und in einer etwa 5-stündigen OP im Klinikum Rechts der Isar konnte der Tumor R0 entfernt werden. Mein Papa war so tapfer und stark und kämpfte und konnte sogar nach nur einer Woche im Krankenhaus wieder nach Hause. Ihm wurde ein Stück des rechten Oberlappens entfernt, ein Stück zweier Rippen, ein Stück der Wirbelsäule. Man sah das auch optisch, er hatte kurz nach dem Genick eine Art "Loch" im Buckel, aber das ja, das war einfach ein "optischer" Fehler. Mein Papa hatte jedoch ab diesem Zeitpunkt immer mit Schmerzen im Operationsbereich zu kämpfen, er musste die ersten Wochen nach der Op gut gepolstert liegen und Sitzen und oft die Position wechseln. Leider wurde es nur wenig besser. Das hat ihn frustriert, er hatte immer Schmerzen, war eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit. Aber es ging.

Die nächste Nachsorge im Februar/März 2019 mit CT verlief wieder ohne Befund, alles in Ordnung

Ab Pfingsten begann mein Papa sehr abzubauen. Er hatte massive Schmerzen, bekam Probleme beim Essen (sein erster Tumor war ja ein Hypopharynxkarzinom) und er wurde schwächer und schwächer. Zwei Wochen ging es rapide berg ab um in der dritten Woche wieder bergauf zu gehen. Leider folgten dann zwei weitere Wochen in denen es schlechter wurde. Mein Papa aß nicht mehr viel, schlief die meiste Zeit und wurde immer schwächer und auch naja, ich nenne es mal "verwirrter".

Nie nächste Nachsorge stand an, es war Anfang Juli. Er schleppte sich hin, hat es irgendwie gemeistert im Krankenhaus zum CT zu kommen und wieder nach Hause. Er schlief. Ich bin von der Arbeit heim, habe mich zu ihm an Bett gesetzt und gesagt, dass ich ihn gerne ins Krankenhaus bringen würde. Ich sah, dass es ihm schlecht geht. Er sagte jedoch, da war er heute und er möchte nicht ins Krankenhaus. Am Montag bekommen wir das Ergebnis, er möchte zuhause sein. Ich akzeptierte es, er ist schließlich mein Papa und ein Mensch mit einem freien Willen. Aber ich sah, dass es ihm nicht gut ging. Er sah schlecht aus, hat in den letzten Wochen deutlich Gewicht verloren.

Wir schafften es über das Wochenende und ich begleitete ihn am Montag zur Besprechung des CTs. Der Tumor war wieder da, allerdings nicht in der Lunge, er hat sich an den Rippen entlang neu gebildet. NIcht operabel. Im Hals hat man bis dato nicht nachgesehen (er konnte fast nichts mehr essen/schlucken) und man wird auch nicht mehr nachsehen. Es wurde vereinbart, dass sein Fall erneut am Donnerstag in der Tumorkonferenz besprochen werden wird, aber dass die Möglichkeiten langsam erschöpft seien. Die Proben des Tumors waren noch archiviert, man wollte diese auf diverse Mutationen untersuchen. Meinem Papa wurde angeboten, dass er im Krankenhaus aufgenommen wird um die Schmerzen unter Kontrolle zu bringen. Er akzeptierte das letztlich. Wir verbrachten dann noch Stunden im Wartebereich bis ein Bett gefunden wurde.

Mein Papa wurde am nächsten Tag noch weiter durchgecheckt, Metastasen im Hirn fand man wohl keine, an den Nieren gab es Auffälligkeiten. Am Mittwoch sprach ich mit einem der Ärzte, es gibt keine Behandlungsmöglichkeiten mehr, wir befinden uns nun im Bereich der "best supportive care" - Leiden lindern. Ich akzeptierte auch das, besuchte meinen Papa. Wir sprachen ein bisschen, aber nicht viel. Die meiste Zeit schlief er. Sein Arzt teilte mir mit, dass sie ihn auf die Möglichkeit der Reanimation angesprochen haben und er habe mitgeteilt, dass er das nicht möchte. Ich bestätigte das, ich wusste, dass Papa das nicht will.

Dieser Mittwoch war der letzte Tag an dem mein Papa sprach. Am Donnerstag sprach er nicht mehr, er trank nicht mehr, aß nicht mehr. Man schloss ihn an eine Morphinpumpe an um ihm zu helfen, ihm die Angst und die Schmerzen zu nehmen.

Am Samstag morgen gegen 5:30 schlief mein Papa dann für immer ein. Es geschah nicht zuhause, wie er wohl eigentlich für sich wollte, dafür hoffe ich von ganzen Herzen, dass Sie ihm wenigstens die Schmerzen und ein wenig die Angst nehmen konnten.

Mein Papa hat über viele Jahre hinweg gekämpft wie ein Bär. Er hat sich von keiner Diagnose niederkriegen lassen, er hat die Behandlung akzeptiert, ist sie angegangen und hat sich wieder aufgerappelt. Aber irgendwann ging es nicht mehr.

Es ging schnell, schleichend, aber am Ende sehr schnell.

Mein Papa fehlt mir jeden Tag. Es ist nicht nur mein Papa, sondern gleichzeitig auch mein bester Freund gestorben. Er fehlt mir so sehr. Andererseits wusste ich, wo seine Reise hingehen würde. Niemand von uns beiden musste es ansprechen, wir waren uns dessen bewusst. Und ich akzeptierte seine Entscheidung, dass er diesen Weg nun gehen wird und will.

Damit ist die Geschichte meines Papa an sein Ende angelangt, und auch meine als seine Tochter, die ihm zur Seite stand und immer mit ihm mitgefiebert hat.
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