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Alt 07.07.2003, 15:05
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Standard junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebe Katrin,
ich hoffe, dieses kommt richtig an, ich weiß nicht wirklich, wie ich ausdrücken soll, was ich sagen möchte, aber ich möchte es trotzdem versuchen.

Weißt du, ich glaube nicht, dass man daran, wie mies man sich fühlt, die "Tiefe" der Trauer messen kann - oder wie sehr man einen Menschen geliebt hat!!!

Siehst du, als mein Papa vor nun schon fast 2 Monaten gestorben ist, brachen die Tränen gleich über mir zusammen und ich hatte auch schon während seiner Krankheit einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen (ich leide seit Jahren an klinischen Depressionen, seine Krankheit hatte mich wieder in eine schwere depressive Phase geworfen).
Seit etwa einem Monat wird es nun besser und ich fange ganz langsam an, mich zu erholen, auch wenn ich noch viel an ihn denke und oft ungewöhnlich emotional bin. Ich denke auch manchmal, das ist zu schnell, aber ich versuche, diese Gedanken mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Aber der Tod meines Vaters hat mich auch zum Nachdenken gebracht. Ich stelle auf einmal fest, dass ich eigentlich nicht annähernd so "tief" getrauert habe, als meine Mutti vor 25 Jahren gestorben war (ich war 15) - ich hatte es "gut weggesteckt", habe kaum geweint und den "normalen Alltag" eigentlich sehr schnell wieder aufgenommen.
Dabei habe ich meine Mutter so viel mehr geliebt als meinen Vater, was nicht heißen soll, ich habe ihn nicht geliebt, sondern nur, ich habe sie mehr geliebt und sie fehlt mir auch heute noch manchmal.

Was ich fühle? Ich fühle, dass der Verlust meines Vaters mich viel mehr getroffen hat, weil ich heute gefühlsmäßig nicht mehr so stark und widerstandsfähig bin, wie ich es damals bei Mutti war. Manche mögen denken "na ja, sie war ja erst 15", aber ich glaube nicht, dass das der Grund ist. Ich war damals reif genug um die 2jährige Krankheit (nicht Krebs aber auch sehr schlimm) meiner Mutter mit anzusehen und zu verstehen, dass sie keine Lebensqualität mehr gehabt hätte, wenn sie die letzte in einer ganzen Serie von Hirnblutungen völlig gelähmt überlebt hätte. Auch mein Vater hätte jetzt durch den Krebs keine Lebensqualität mehr gehabt, somit waren die Situationen ähnlich und doch fühle ich mich soviel schlechter als damals. (Mein Arzt hatte mich übrigens gleich nach Papas Tod "gewarnt", dass irgendwann auch eine Erleichterung kommen wird, mir nicht mehr Sorgen um Papa machen zu müssen - und er hat mir gleich dazu gesagt, dass ich mir nicht erlauben darf, mich deshalb schuldig zu fühlen, wenn es soweit ist und daran versuche ich, mich zu halten)

Liebe Katrin, versuche zu akzeptieren was immer du fühlst! Du trauerst sehr um deine Mutter, du hast sie sehr geliebt!!! Das sieht man schon alleine daran, dass du so schockiert darüber bist, dass du dich nicht so schlecht fühlst, wie du erwartet hast. Ob es bei dir verspätet kommt, weiß auch keiner - oft ist es so, aber nicht bei jedem! Vielleicht hast du schon während ihrer Krankheit so viel getrauert, dass du jetzt loslassen kannst - ich denke, dass es bei mir bei meiner Mutter so war und auch jetzt bei meinem Vater wieder so ist.

Diese Schuldgefüle solltest du bekämpfen, sie machen dich sonst noch krank und damit wäre keinem geholfen.
Deine Mutter wusste, wie sehr du sie geliebt hast - und jetzt ist es an dir, dich selber davon zu überzeugen. Wäre das nicht auch im Sinne deiner Mutter? Würde sie wollen, dass du dich krank machst?

Vielleicht hilft dir der Spruch, den wir auf Papas Todesanzeige hatten:

Weinet nicht, ich hab's überwunden,
bin erlöst von meiner Qual.
Doch lasst mich in stillen Stunden
bei euch sein so manches Mal.

Ich denke, dass Papa genauso gedacht hätte, und ich denke auch, dass die meisten unserer Lieben es so sehen würden, wenn wir sie fragen könnten!

Ich drücke dich und denke an dich!
Liebe Grüße,
Astrid
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