Thema: Neuer Partner
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Alt 02.04.2008, 13:28
Benutzerbild von Anke LE
Anke LE Anke LE ist offline
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Registriert seit: 07.05.2007
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Standard AW: Neuer Partner

Liebe Rot,

dein Unverständnis kann ich nur bedingt nachvollziehen.
Ich kann mir vorstellen, die (erfolgreiche) Partnersuche deines Vaters kommt Dir wie Verrat vor an Deiner Mutti.
Aber Du darfst nicht 2 verschiedene Dinge in einen Topf werfen: einerseits Deine Gefühle und die Liebe zu Deiner Mama und die Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche Deines Vaters. Du hast zum Anfang mal geschrieben, die Beziehung Deiner Eltern war nicht sonderlich glücklich.
Wie lange der Zurückgebliebene trauert, wie jeder von uns trauert, ist so unterschiedlich, wie es die Anzahl der Menschen hier gibt. Ich glaube auch nicht, das Dein Vater Deine Mama weniger schätzt und vermißt, wenn er eine neue Partnerin hat. Vielleicht hilft es Dir, wenn Du die Angelegenheit anders anpackst: Durch die neue Partnerin ist ein Stück Verantwortung und Last von Deinen Schultern genommen, die Du ein Stück mit tragen würdest: das Wohlbefinden Deines Vaters ist nicht von Dir abhängig, Du musst Dich nicht "so" um ihn kümmern, wie Du sonst das Gefühl hättest es tun zu müssen. Klingt jetzt ein wenig kompliziert, aber ich hoffe, Du verstehst was ich meine.

Für meine Mama war es im Vorfeld immer wichtig, dass, wäre mein Papa der "Überlebende" gewesen, er eine Frau hätte kennen gelernt, die mit ihm das Leben teilt. Und ich als Tochter hätte nichts dagegen gehabt. Nun ist bei uns aber meine Mama diejenige, die zurück geblieben ist. Eine neue Partnerschaft kommt bei ihr nur bedingt in Frage, nämlich ohne zusammenleben. Gemeinsame Unternehmungen ja, übernachten wohl auch, aber nicht zusammen leben. Aber das ist sicher auch vom Alter her zu verstehen, Mama ist jetzt 68 Jahre.
Ich würde es schön finden, wenn Mama jemand Neues kennen lernen würde. Aber sie ist nicht so weit, und sucht auch nicht. Wenn es sich ergibt, wär es für sie ein Bonus.

Liebe Rot, Du bist noch sehr jung, Deinen Zorn kann ich verstehen. Aber jeder von uns geht mit Verlust und Trauer anders um. Es gibt da kein "gut" und kein "böse", kein "richtig" und kein "falsch". Jeder von uns empfindet den Zeitpunkt für einen Neubeginn anders. Es ist wie nach einer Trennung. Für jeden ist der Zeitpunkt der Trennung an einem anderen Tag: für den einen schon Jahre vor der endgültigen Trennung, in dem sich einer emotional zurück zieht. Für den Anderen ist es in dem Moment, wo die Tür hinter ihm ins Schloß fällt. Es ist die Betrachtungsweise, auf die es ankommt.

Wie ist eigentlich Dein Verhältnis zu Deinem Vater? Könnt Ihr miteinander reden, besucht Ihr Euch oder ist da von jeher schon eher bissl Funkstille?

Liebe Rot, die Liebe und den Schmerz zu Deiner Mama kann Dir niemand nehmen. Aber Deine Mama würde nicht wollen, dass es Dir mehr als sonst in dem Moment schlecht geht. Es gibt Gesprächsrunden von Hinterbliebenen, die durchaus hilfreich sein können. Es gibt gut geschulte Psychologen, die auf diesem Gebiet hervorragende Arbeit leisten. Es sind nur 2 Möglichkeiten für Dich, zur Ruhe zu kommen. Deine innere Mitte wieder zu finden.

Herzlichst aus Leipzig

Anke
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Betroffener: mein Papa, geb. 21.11.1935
Diagnose erhalten am 5.5.07, Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Metastasen in Leber und Bauchraum

eingeschlafen am 09.07.07. friedlich, still und leise
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