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Alt 26.08.2003, 10:55
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Standard Hoffnung bei BEIDSEITIGEM Nierenzellkarzinom

Liebe Sabine,

kann Dir leider erst heute antworten, da wir mit unserem PC ein paar Schwierigkeiten hatten. Aber ich denke, es ist noch nicht zu spät, oder?

Als bei meinem Mann das beidseitge Nierenzellkarzinom festgestellt wurde, haben wir in der Klinik, wo der Befund per Zufall diagostiziert wurde, sofort erst mal rigoros mitgeteilt bekommen: "Beide Nieren müssen sofort entfernt werden". Die Untersuchung, die Mitteilung der Diagnose und die für den hier tätigen Urologen feststehende operative Therapie mit der Sicherheit der anschließenden lebenslangen Dialyse wurde - gelinde ausgedrückt - mit dem Feingefühl eines Metzgers von diesem Urologen meinem Mann mitgeteilt. Dieses "Gespräch" gipfelte damit, als daß man meinem Mann noch nicht einmal die Gelegenheit gab, Fragen zu stellen und es auch offensichtlich überhaupt kein Interesse gab, mit dem betroffenen Patienten ( und erst recht nicht mit mir als Ehefrau und Krankenschwester )über weitere evtl. Möglichkeiten zu reden.
Zu erwähnen sei an dieser Stelle allerdings, daß es sich um eine urologische Konsilaruntersuchung handelte, da mein Mann derzeit in dieser Uni-Klinik wegen einer Herz-OP stationär war, also nicht in erster Linie in urologischer Behandlung. ( Man hatte im Vorfeld dieser Operation die beiden Nierentumoren entdeckt.) Mein Mann hatte für solche Fälle wie der oben geschlilderte immer einen sehr passenden Spruch, der hier absolut zutreffend war: "Das Einzige was hier stört, ist der der Patient". Aufgrund dieses ärztlichen Verhaltens war klar, daß in diesem Hause mit Sicherheit für meinen Mann KEINE urologische Therapie in Frage kam.

Nach der Herz-OP sind wir dann in MEHREREN verschiedenen großen Kliniken vorstellig geworden, haben mehrere niedergelassene Ärzte konsultiert, um uns einfach einen Eindruck zu verschaffen und uns zu informieren über verschiedene Möglichkeiten der Behandlung. Ich hatte als Krankenschwester zwar schon recht viel Wissen aufgrund meiner langjährigen Klinikerfahrung. Aber hier ging es ja nicht nur um EINE Niere, sondern um beide, die gleichzeitig befallen waren mit recht großen Tumoren ( und das kommt relativ selten vor ). Ich wußte um die Immun-Chemo-Therapie und um die eigentlich standardmäßig erforderliche operative Entfernung der Niere, die notwendig ist um eine Immun-Chemo vorzunehmen ( denn nach Tumorreduktion hat diese Therapie weitaus größere Chancen ). Mir war auch bekannt, daß man evtl. an einer der beiden Nieren eine Tumorenukleation vornehmen könnte ( den Tumor also nur separat aus der Niere entfernen und die Restniere stehen lassen ) - diese Möglichkeit ist leider jedoch nicht immer gegeben. Sie ist abhängig von der Lage des Tumors, seiner Größe etc. und vor allen Dingen in schwierigen Fällen auch von der Geschicklichkeit des Chirurgen, da dies in vielen Kliniken keine alltägliche OP ist.

In der Zwischenzeit sind zunächst sämtliche weiteren Untersuchungen durchgeführt worden, um die Ausbreitung der Krebserkrankung einschätzen zu können ( CT, MRT, Knochenszintigramm etc. ).

"Hängen" geblieben sind wir dann zunächst in der Uniklinik Würzburg. Hier wurde uns der Vorschlag unterbreitet, daß man zunächst die stärker befallene Niere ( also die mit dem größeren Tumor ) komplett entfernt, um sich ein Bild vom Ausmaß der Erkrankung an dieser Niere zu machen, dann ggf. über die andere Niere weiter nachdenkt und auch über eine Immun-Chemo-Therapie. Es war zu diesem Zeitpunkt bereits klar, daß eine Tumorenukleation der anderen Niere - wenn überhaupt möglich - nur sehr schwierig durchführbar wäre und somit zumindest die "Gefahr" der anschließenden Dialysepflicht bestand. Es war also wichtig, zunächst einmal das Stadium der Erkrankung näher beurteilen zu können, ehe man evtl. einen Patienten für den Rest seines Lebens an die Dialyse hängt und ihm damit eine reichlich eingeschänkte Lebensqualität bietet, die evtl. in keinem Verhältnis zum Stadium der Erkrankung steht!

Nach der Nierenentfernung einschließlich Nebenniere und umliegender Lymphknoten stand fest, daß der Tumor hier bereits
in EINEN Lymphknoten gestreut hatte und somit eine Metastasierung vorlag. Der Krebs hatte also die Möglichkeit gehabt, sich über das Lymphsystem zu verbreiten. Es gab auf der anderen Seite aber keinen sicheren Nachweis für Organmetastasen - in der Lunge gab es zwar drei oder vier winzige Rundherde, die aufgrund der Größe aber nicht zugeordnet werden konnten. Es könnten Metastasen gewesen sein, sie könnten aber auch eine ganz andere Herkunft haben. Knochenmetastasen und Hirnmetastasen konnten ausgeschlossen werden.

Bzgl. der Therapie der anderen Niere wurde uns dann vom Urologen in Würzburg mitgeteilt, daß eine Tumorenukleation zu 90 % nicht durchgeführt werden kann, daß also anders herum mit 90 %iger Sicherheit die Niere nicht zu retten wäre, was dann Dialyse heißen würde. Man sagte uns allerdings auch, daß man in diesem Stadium der Erkrankung die andere Niere schon operieren würde, auch mit der Gefahr der wahrscheinlichen anschließenden Dialysepflicht. Auf der anderen Seite bot man uns hier an, zunächst eine Immun-Chemo versuchsweise durchzuführen ( allerdings wegen der fehlenden Tumorreduktion mit geringerem Erfolg )um dann die andere Niere ggf. später zu entfernen. Bezeichnenderweise wurden uns diese beiden Möglichkeiten genanntzu freien Entscheidung. Vom Arzt wurde in der Situation KEINE Empfehlung ausgesprochen, er war eher recht zurückhaltend ( für mich verständlich, für meinen Mann nicht - er sprach in dieser Zeit immer von "SB-Krankenhäusern" ). Die Entscheiung lag also ganz allein bei uns: bei OP wahrscheinlich Dialyse - maximale Einschränkung der Lebensqualität mit einer metastasierenden Krebserkrankung, von der niemand weiß, wie sie weiter fortschreitet, oder die Einzelniere samt Tumor behalten und eine Immun-Chemo zu versuchen, von der man weiß, daß sie zwar 30 - 40 % Erfolg hat, allerdings nach größtmöglicher Tumorreduktion.

Wir baten uns wieder Bedenkzeit aus und haben wieder angefangen auf Informationssuche zugehen - diesmal mit der Zielsetzung: Was kann man tun, um den Tumor aus der Niere zu entfernen und die Niere trotzdem zu erhalten. Für meinen Mann war in dieser Zeit auch sehr wichtig, mehr über die Dialyse zu erfahren, falls er doch die Entscheidung treffen müsste: OP ja oder nein. Wie es dann weiter ging, hast Du sicher hier von mir gelesen. Mein Mann hatte sich schon schweren Herzens zur OP entschieden, als wir dann wieder aus anderer Quelle erfuhren, daß bei Dialysepatienten die Immun-Chemo häufig nicht greift (wurde übrigens im Nachhinein von anderen Ärzten, die ich dann gezielt darauf ansprach auch bestätigt, aber seltsamerweise erst dann ). Gleichzeitig wurden uns in München Großhadern mehrere Vorschläge gemacht, u. a. die Thermoablation, von der ich zuvor zur Behandlung von Nierenkrebs nur aus den USA gehört hatte ( war derzeit hier in Deutschland bei Leber- und Knochentumoren bekannt aber meines Wissens nicht bei der Niere ).

Du siehst also, daß es extrem wichtig ist, sich mehrere Meinungen einzuholen, um den persönlichen richtigen Weg zu finden. Bei Tumorbefall EINER Niere ist die Entscheidung sicher nicht so schwierig, aber bei bilateralen Nierentumoren.....

Wurde uns Hoffnung gemacht?

Schwierig zu beantworten. Ich weiß auch nicht, ob man jemandem in der Situation richtig gehend Hoffnung "MACHEN" kann. Ich denke, die Hoffnung muß aus einem selbst heraus kommen. Ich glaube nicht, daß das von außen möglich ist, wenn der Patient selbst sich erst mal in einer hoffnunglosen Situation sieht. Und das tun ja die meisten, wenn sie mit der Diagnose Krebs konfrontiert werden. Ich denke, das braucht seine Zeit, um sich mit der Situation vertraut zu machen, genügend Informationen zu haben etc. Irgendwann sollte dann auch der Faktor Hoffnung da sein und Glaube an sich selbst.
Liebe Grüße Ulrike
N.B.: Vielleicht möchtest Du mir die näheren Umstände erläutern, die zu Deiner Fragestellung geführt hat ?

Ab hier ein paar Worte vom "Objekt" Patient selbst:mir hat meiner Erinnerung nach als Erster -nachdem die "Hoffnung" der anderen Ärzte so aussah: natürlich können wir operieren .........- der Oberarzt in München-Großhadern echte Hoffnung gemacht. u.a. mit Worten wie: In diesem Zustand gibt es noch mehrere Möglichkeiten, wir können die Thermoablation, evtl. die Embolisation machen, danach kann man die Immun-Chemo machen, evtl. -falls die Erfolge sich nicht einstellen, mit dendritischen Zellen arbeiten,und das alles in einem Hause. Er hat bestätigt, dass ich in Würzburg bei einem der besten Chirurgen gewesen bin. Und die Hoffnung auf den Erhalt der Niere bei Tumorenukleation hat er auch nicht gehabt und das ganz deutlich auch gesagt. Und was für mich ganz wichtig war: Er hat "Empfehlungen" ausgesprochen, was man in welcher Reihenfolge tun sollte und er war auch der Erste und damals zunächst der Einzige der gesagt hat, dass die Immun-Chemo unter Dialyse so gut wie keine Chancen hat. Und er hat mir gesagt: In Ihrem Alter, Ihrem Zustand sehe ich da gute Chancen, dass Sie evtl. noch viele Jahre mit dieser Erkrankung leben können.

Liebe Grüße Jürgen (Patient und Ehemann von Ulrike)
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