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Alt 23.01.2002, 02:17
Gast
 
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Standard Ich lebe noch!

Liebe Kathi,
ich schäme mich so sehr!.
Deine Mail, auch wenn sie mich Einerseits sehr traurig macht, so fühle ich mich doch Andererseits Dir sehr verbunden.
Lass mich Dir ein wenig von mir erzählen!.
Ich bin 48 Jahre alt, geschieden und ohne Kinder. Meine Mutter, Schwester, Nichte und Neffe sind immer für mich da wenn ich mit ihnen reden möchte, aber sie wollen nicht mit mir über meine Ängste reden. Diese Angst bezieht sich nicht auf materille Dinge, sondern darauf "wie wird mein Ende aussehen?". Ich habe einfach angst vor großen Schmerzen. Weißt Du, wenn ich wüsste - und sei es morgen -, dass ich nicht leiden muß, dann könnte ich etwas sorgloser in die Zukunft schauen.
Aber da gibt es noch etwas!.
Mein Leben war bisher sehr schön und ziemlich sorglos, und dadurch,dass ich keine Kinder bekommen konnte( trauriges Kapitel in meinem Leben, ich wollte immer 2 Lausbuben ), war ich immer frei, tun und lassen zu können was immer ich auch wollte. Das habe ich auch reichlich ausgenutzt!.
D.h., ich bin viel und gerne Tanzen gegangen, habe mich für Sprachen interessiert und ein paar Berufe erlernt. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann war das die reinste Beschäftigungstherapie. Vielleicht habe ich das gebraucht um meinem Leben einen Sinn zu geben, denn so richtig in die Tat umgesetzt ( d.h. in den erlernten Berufen gearbeitet ) habe ich nicht. Das ist ein langes Kapitel. Schreibe ich dir später, falls es Dich interessiert.
Auf jeden Fall bin ich jetzt Taxifahrerin und bin es auch sehr gerne. Um wieder auf meine Zukunftsaussichten zu kommen, jetzt fahre ich wieder 5 Mal die Woche a 12 Stunden Taxi und freue mich einfach wieder am Leben teilnehmen zu können. Für mich brauche ich sehr wenig im Monat, aber ich möchte so gerne meiner Familie ( Nichte und Neffe) etwas hinterlassen. Mensch! ich habe immer sehr egoistisch gelebt und jetzt habe ich angst, nicht mehr genug Zeit zu haben, um noch etwas Geld zusammen zu bekommen. Ich weiß, daß sie mich auch so lieben und sie zeigen es mir immer wieder. Aber ich würde ihnen so gerne etwas hinterlassen, damit sie es nicht so schwer haben im Leben. Und auch wenn alle zu mir sagen ich soll mich nicht verrückt machen, aber ich würde gerne mein Begräbnis selbst bezahlen.
Ansonsten mache ich es wie Du, nehme kleine Schritte und bin glücklich und dankbar, für jeden Tag den ich lebe. Auch habe ich schon verschiedene Bücher gelesen, wobei ich Dinge ( alle möglichen und unmöglichen Krebsarten ) kennengelernt habe auf die ich lieber verzichtet hätte. Hast Du das Buch von Eva Maria Sanders " Leben " gelesen?. Es hat mir sehr geholfen - vielleicht ist so eine Fiebertherapie wirklich hilfreich?! -.So es ist jetzt 2 Uhr und ich bin müde. Aber ein Letztes, mein Lebensmotto ( Zitat aus der Bibel ): " Auch wenn ich heute weiß, daß morgen die Welt untergeht, so würde ich dennoch heute ein Olivenbäumchen pflanzen."
In diesem Sinne wünsche ich Dir alles Gute und ich würde mich freuen wieder von Dir zu hören.
Gruß Hermine
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