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Alt 16.05.2012, 22:30
Dirk1973 Dirk1973 ist offline
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Standard AW: Kann das jemand nachfühlen?

Hallo Arsinoe,

doch, ich erkenne mich da in einigen deiner Schilderungen auch wieder.
Oftmals sind es mit belastenden Ereignissen "trainierte" Menschen, die so reagieren wie offensichtlich wir beide. Nun weiß ich nicht was Du beruflich machst, aber ich kann für meinen Teil behaupten, allein beruflich schon genug unschöne "Sachen" erlebt zu haben. Dazu sechs geliebte Menschen (Großeltern, Tante und Onkel) und etwa nochmal so viele "Bekannte" oder Kollegen zu Grabe begleitet. So etwas prägt und brüht sprichwörtlich ab.

Eine Komponente kommt jedoch noch hinzu: diese Gefühlskälte und Abgeklärtheit ist ein Mechanismus um Kontrollverlust zu verhindern. Wenn wir ruhig bleiben und rationell entscheiden, so werden wir nicht den Kopf verlieren so dass vielleicht Dritte über oder für uns entscheiden müssen. Vielleicht ist ja auch ein Stück Verdrängung mit dabei... keine Ahnung. Aber geholfen hat es mir damals bei meiner Erkrankung ganz sicher.
Irgendwann ist aber auch der Vorrat im emotionalen Kühlschrank aufgebraucht und fängt dann an zu nagen. Nicht selten mündet so etwas dann in eine posttraumatische Belastungsstörung. Ich kann Dir versichern, dass DAS dann wirklich nicht mehr schön ist und einen Haufen an Aufarbeitung bedarf. Ich "trat" mir eine PTBS ziemlich am Anfang meiner beruflichen Laufbahn, etwa fünf Jahre nach dem belastenden Ereignis "ein". Zumindest kam es dann erst hoch. In den folgenden anderthalb Jahren habe ich dann ganz schön Federn gelassen. Dadurch habe ich aber auch Strategien erlernt (bekommen ), wie ich mit belastenden Ereignissen umzugehen habe und woran ich merke, dass ich vielleicht doch mehr brauche, als nur mal für eine Stunde meine Ruhe. Vielleicht kam ich auch deswegen mit meiner Krebs-Diagnose und zeitgleichem Versterben meiner Mutter recht gut klar. Natürlich hatte ich auch mal einen weniger guten, sehr nachdenklichen Tag. Aber am nächsten Morgen ging wieder die Sonne auf..
Was ich Dir mit all diesen vielen Zeilen mit auf den Weg geben möchte: hör in Dich rein. Wenn Du merkst, dass es Dir doch zu viel wird oder Du selber an Dir "merkwürdige" Veränderungen feststellst, scheue Dich nicht professionelle Hilfe anzunehmen. Wir dürfen auch mal schwach sein. Aber wir müssen immer so viel Kraft haben, unseren Liebsten das Zusammenleben mit uns nicht unnötig schwer zu machen. Ein leidender Angehöriger kann den Erkrankten nur schwerlich stützen und auffangen. Also dürfen wir unsere Liebsten nur in Anspruch nehmen, aber nicht verschleißen
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