Einzelnen Beitrag anzeigen
  #66  
Alt 24.10.2004, 22:37
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Nun bin ich Witwe

Liebe Thekla, Beate, Irene, Beatrix und alle anderen, die wir auf traurige Weise verbunden sind.

Ich weiß nun endlich, was Herbert Grönemeyer in seinem Lied "Mensch" gemeint hat, mit ...es tut gleichmäßig weh. Heute war ein Tag, an dem ich dachte, dass ich das alles nicht ertragen und schaffen kann. Es reißt mir das Herz raus.

Gestern war es anders, ich war mit meiner Tochter und der Hündin spazieren und habe die Sonne genossen und hatte Frieden in mir. Vielleicht lag es daran, dass ich offensichtlich etwas schönes geträumt hatte, denn meine kleine Tochter erzählte mir, dass ich im Schlaf gelächelt hatte. Kann mich aber leider nicht erinnern.

So seltsam es war, die Beerdigung war ok. Wenn die Vokabel nicht so unpassend wäre, müsste man diesen Tag wirklich als schön bezeichnen. Wir waren ein absolut intimer Kreis bei der Trauerfeier und die Pfarrerin ist wirklich auf alles eingeganen, was wir im Gespräch als wichtig erwähnt hatten. Sie erzählte von unserem Leben, wir hörten "der Weg" von Herbert Grönemeyer, meine Tochter las die Geschichte der Traurigkeit vor und dann lief "Nangiala" von Udo Lindenberg. In sein Grab habe ich den Sand gestreut, den wir in unserem einzigen Urlaub ohne Kinder auf Kreta gesammelt hatten, ein Familienfoto, auch auf Kreta entstanden und eine Rose. Anschließend kam ich zwar nicht gänzlich um ein Zusammentreffen mit, aber da ja nur die engsten Angehörigen und besten Freunde bei der Beerdigung waren, saßen wir noch knapp eine Stunde bei uns zu Hause. Das war ok.
Abends hatte ich dann unsere Freunde in die Pizzeria eingealden, in die Claus und ich als letztes gemeinsam essen waren. Ich hatte einen Tisch bestellt und so machten wir uns einen schönen Abend, so wie wir ihn gerne und oft gemeinsam verbracht hatten. Wir lachten über Erlebnisse mit Claus und das einzige, was fehlte, waren seine trockenen Anmerkungen während des Erzählens. Er fehlt so sehr!

Morgen habe ich meinen ersten Arbeitstag vor mir. Ich hoffe, ich übernehme mich nicht, ist vielleicht doch zu früh. Aber, wenn es nicht geht, muss ich mich noch eine Woche oder so krank melden. Aber vielleicht hilft es auch, schließlich sind morgen auch die Kinder wieder in der Schule.

Da wir ja keinen Trubel wollten, stand erst gestern unser Nachruf in der Zeitung. Und heute dachte ich, ich wäre im falschen Film. Da hat ein alter Freund (bzw. ehemaliger Arbetskollege von Claus) angerufen und mir regelrecht Vorwürfe gemacht, dass keiner etwas gewußt hätte. Er hat noch eine Weile von seinem Schock erzählt und als er dann wieder vorwurfsvoll sagte: Ich hätte Claus aber gerne nochmal gesehen, musste ich ihm einfach antworten: er dich aber nicht. Dazu muss ich erzählen, dass dessen Ehefrau im März bei Claus anrief und "Näheres" wissen wollte, weil sie erfahren hatte, dass er krank sei. Sie fragte ihn dann was er habe und er antwortete: Ich habe Krebs. Totenstille an der anderen Leitung. Claus meinte später zu mir, die Leute wollen immer alles wissen, aber hören wollen sie es nicht. Auf die Frage, ob sie ihn besuchen können, verneinte Claus. Und das war bis zum Schluss so. Er wollte keine falschen Zugeständnisse mehr machen, er wollte niemanden ausser seiner Familie um sich haben. Der Anrufer heute war dann auch merklich enttäuscht und meinte: die Beerdigung war ja dann wohl auch schon...

Genau diese Menschen sind es, weshalb ich alles im Stillen gemacht habe. Und trotzdem kommen sie jetzt aus ihren Löchern und wollen Sensationen hören. Muss man da höflich sein? NEIN Ich werde jedem A... sagen, dass er eins ist.

Heute nacht werde ich erstmals versuchen, in unserem Bett zu schlafen. Irgendwann muss ich es riskieren, habe ganz schön Angst davor. Aber wenn es mir nicht gelingt, hol ich ganz schnell mein Bettzeug und verkrümel mich wieder ins Wohnzimmer, so lange bis es geht.

Meine Kinder gehen unterschiedlich damit um. Am besten macht es wohl meine älteste Tochter. Sie ist jetzt dabei, gemeinsam mit dem Kirchenchor eine Aktion vorzubereiten, deren Erlös einer Krebsstiftung zukommen soll. Wir wissen nur noch nicht welcher. Am liebsten würden wir etwas unterstüzten, dass der Forschung bei Nierenkrebs zugute kommt, denn leider sind die medizinischen Möglichkeiten hier sehr begrenzt. Wenn ihr Vorschläge habt....

Mann, jetzt hab ich aber viel gequatscht. Naja, ihr braucht es ja nicht zu lesen. Aber es hat mir gut getan. Wie gesagt heute war kein guter Tag.

Liebe Beatrix, dir wünsche ich besonders alles Gute, viel Kraft für morgen und du wirst sehen, wie gut dir die Gespräche tun werden, die von Uli handeln. Viel Kraft, ich denk an dich.
Mit Zitat antworten