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Alt 25.12.2007, 07:27
Gabriele M. Gabriele M. ist offline
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Standard AW: Die Hilflosigkeit ist so groß

Hallo Ihr Lieben,

der erste Heilige Abend ohne Mutti, das erste Weihnachtsfest ohne Mutti, das erste ..., der erste ..., die erste ... ohne Mutti. So wird es in der nächsten Zeit weiter gehen. Ich schäme mich nicht des Neides auf alle, die ihre Mutti noch bei sich haben, dieses Weihnachten noch gemeinsam feiern können.

Es ist irgendwie nicht viel passiert in den letzten 2 1/2 Wochen - und doch, ist es schon so lange her? Sind 2 1/2 Wochen kurz oder lang? Ich habe hier jedes Zeitgefühl verloren.

Dass Mutti nicht mehr da ist kann ich immer noch nicht realisieren. Ich stehe an ihrem Grab und meine Tränen laufen wie verrückt. Ich rede mit ihr, wie wir früher telefoniert haben - doch die Antworten kommen nicht mehr - auch nicht mehr das "Tschüss - ach wart noch einen Moment" und das nächste Thema fing an. Mir fehlt ihre Neugierigkeit. Kaum hatte ich am Telefon etwas erzählt, was es bei uns Neues gibt (Urenkel hat seit gestern einen neuen Zahn) schon klingelte es an der Tür und Mutti wollte die Neuigkeit begutachten. Jetzt kann ich warten und warten, es wird nicht mehr klingeln. Ich habe irgendwie begriffen, dass sie nicht mehr kommt, aber sie fehlt mir unwahrscheinlich in den kleinen alltäglichen "mal eben" Dingen. Mal eben hinfahren, mal eben telefonieren, mal eben zusammen einkaufen, mal eben ...

Nachts werde ich noch oft wach und durchlebe die letzten 2 Monate, seit Mutti mit dem Verdacht auf Darmverschlingung ins Krankenhaus gekommen ist. Sehe sie immer wieder auf dem Flur entlang gehen und sagen "ich gebe nicht auf", sehe sie wie sie wieder zu Hause war, tapfer alles durchlitt und immer sagte "da muss ich jetzt durch" oder in den letzten Tagen, wie sie aufgegeben hat. Auch tagsüber gehen mir immer wieder Episoden der letzten 2Monate durch den Kopf. Ich habe keinen Einfluss darauf, welcher Abschnitt plötzlich vor meinen Augen auftritt, welche Worte von ihr mir durch den Kopf gehen und ich weiß nicht, warum es immer wieder nur die letzten 2 Monate sind.

Und dann ist da noch Vati. Wie kommt er mit dem Verlust von Mutti klar? Er tut so stark, so "ich komme schon klar". Und dann sehe ich seine verweinten Augen, treffe ihn am Grab und er schluchzt, ich weiss, dass viele Tätigkeiten von ihm im Moment eine Flucht nach vorn sind. Und ich kann ihm nicht helfen, kann nur versuchen, ihm die Leere etwas zu nehmen. Gestern war er bei uns und wir haben Karten gespielt. Haben wir ihn etwas ablenken können? Vielleicht, er hat hin und wieder ein kleines Lächeln auf den Lippen gehabt. Und auch sein Urenkelchen schafft es hin und wieder die Traurigkeit für einen kleinen Moment aus seinen Augen zu verbannen.

Dieses Weihnachten ist das bisher traurigste was ich hatte - obwohl mein Mann, unsere Tochter und natürlich auch unsere Enkeltochter alles tun, damit es erträglich ist. Beide haben unendliches Verständnis und die Schulter meines Mannes ist breit genug, dass ich mich immer wieder an ihr ausweinen kann.

Heute wird noch einmal ein ganz schlimmer Tag. Der 1. Weihnachtstag war immer mit meinen Eltern. Mal bei uns, mal bei ihnen. Heute werden wir allein sein, da mein Vater bei meinem Bruder ist.

Ich grüsse alle, wünsche eine besinnliche Weihnacht. Allen, die ihre kranken Verwandten noch haben - geniesst das Zusammensein, weint nicht so viel sondern lacht zusammen. Das gemeinsame Lachen bleibt mehr in Erinnerung als die Tränen.
Und alle, die ihre Partner, Mütter, Väter, Kinder, Verwandten verloren haben - ich denke an Euch und wünsche Euch Kraft, dass die Wunde sich schließt.

Ein gesegnetes Weihnachtsfest
Gabi
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