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Alt 05.08.2010, 21:33
McFly33 McFly33 ist offline
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Standard AW: Verhalten nach der einseitigen Hoden-Amputation

Hallo Baddy,

es tut mir sehr leid, was Dir passiert ist. Du kannst Dir sicher vorstellen, daß ich wirklich mit Dir fühlen kann und vorallem, was Du jetzt durchmachst. Ich war mit meinen Nerven am Ende. Ich habe sogar kurzzeitig an Suizid gedacht, aber glaube mir, das Leben muß weitergehen. Ich habe die Chemotherapie (Carboplatin mono) gemacht und der Ablauf war wie folgt:

1. Tag:

(später Nachmittag) Carboplatin mono-Spülung (dauerte ca. 2 Std.). Alles okay, auch Stunden nach der Spülung. Leichte Lichtempfindlichkeit und Gereiztheit (bei hohen Tönen).

2. Tag (also ca. 9 Std. später):
Gegen 01:00 Uhr morgens, - plötzlich -, im wahrsten Sinne des Wortes, heftigste "Kotzanfälle". Dies ging bis ca. 11:00 Uhr morgens so weiter. Dann stabilisierte sich mein Zustand langsam (nur noch Brechreiz) und starke Schwächegefühle ("ausgepowert" vom Kotzen). Ich konnte nichts essen, außer ein paar Himbeeren (hierdurch stabilisierte ich mich etwas). Früchte scheinen sehr hilfreich zu sein. Ich konnte relativ gut schlafen.

3. Tag:
Nach dem Aufwachen starkes Schwächegefühl (Appetitlosigkeit, mittlere Übelkeit) und starke Müdigkeit. Meine Eltern, bei denen ich die Nacht im Haus verbrachte, "zwangen" mich nun förmlich dazu etwas zu essen. Dies tat ich dann auch und sehr plötzlich stabilisierte sich mein Zustand. Während des Tages hatte ich ab und zu leichte Gliederschmerzen in den Armen und Händen. Diese verschwanden dann aber wieder. Es ging mir jedoch deutlich besser und ich konnte gut schlafen.

4. Tage: Nach dem Aufwachen (leichte Übelkeit, "abgeschwächtes" Schwächegefühl). Durch kräftigere Mahlzeiten (gutes Frühstück und Mittagessen) stabilisierte ich mich sehr gut. Keine Übelkeit mehr, guter Schlaf.

5. Tag:
Erstmals ein deutlich besseres Gefühl nach dem Aufwachen und das Verlangen kräftig essen zu wollen. Ich ging wieder zur Arbeit an diesem Montag, um mich abzulenken. Ich kann sagen, daß ich mich etwas gereizt fühlte, was ich mir aber nicht habe anmerken lassen. Der Schlaf war einwandfrei.

6. Tag:
Ich fühlte mich erstmalig wieder einwandfrei. Zwichenzeitlich ein paar Müdigkeitsphasen, aber ansonsten recht gut. Der Appetit war wieder voll da! Guter Schlaf folgte.

7. Tag: Alles einwandfrei, bis auf ein paar Müdigkeitsphasen und manchmaliges Desinteresse an gewissen Dingen (wie eine Art Lethargie, die ich bis dato nicht von mir kannte...). Ansonsten fühlte ich mich körperlich einwandfrei.

ab dem 8 Tag
fühlte ich mich fast wie eh und je. Gut, ausgeschlafen und motiviert. Dies bis heute (ca. 3 Wochen nach der Carboplatin mono - Spülung*).

*Anmerkung:
Ich hasse dieses Wort "Chemotherapie". Ich finde es schrecklich und es macht mir Angst!

Ich kann nicht sagen ob eine Therapieform, wie Carboplatin mono, wirklich etwas bewirkt, aber ich setze mein ganzes Vertrauen auf die behandelnden Ärzte und ihre Berufung kranken Menschen helfen zu wollen. Darauf vertraue ich wirklich, denn ohne sie wären wir verloren. Ich habe höchsten Respekt vor Ärzten, die so viel Leid sehen und ertragen müssen und es trotzdem schaffen, noch Abstand zu halten. Eine Schande, daß die Ärzte in unserem Land von der Politik nicht besser unterstützt werden!

Wichtig ist, daß Du ein ausführliches Gespräch mit einem Vertrauensarzt führst. Es wird Dir helfen. Die Carboplatin mono-Spülung würde ich Dir empfehlen, da ich resümierend sagen kann, daß ich sie relativ gut überstanden habe.

Über mich:

Meine Lebenseinstellung hat sich geändert. Ich habe immer geglaubt, ich sei unbesiegbar, "unkaputtbar", ein großer Macher und habe wirklich bis in die Puppen gearbeitet; - nur für meine Firma, mit dem Ziel sozialer Sicherheit. Ich habe erkannt, daß das Leben viel wertvoller ist als nur die Arbeit und der Erfolg. Lieber langsamer und aufmerksamer durchs Leben gehen und die Wertigkeit des Lebens stärker schätzen. Ich kann Dir sagen, daß ich immer nach dem Motto gelebt habe, "mir doch egal, ob ich mich tot arbeite, wenn meine Zeit gekommen ist, dann war's das halt". Dies waren die Sprüche fehlender Reife und Lebenseinstellung. Als es mich erwischte, war ich nur noch ein Häufchen Elend, ein kleiner Niemand, der sich fühlte, als habe er sich die Hosen vollgemacht, stehend vor einer ihn auslachenden Menschenmenge... Genauso fühlte ich mich innerlich.... Ich will und werde nun leben und das so intensiv, wie ich kann, denn ich glaube an das Leben und einen Neuanfang für mich!

Ich wünsche Dir WIRKLICH ALLES GUTE!!!!

Ps.: Vor der Spülung solltest Du (bei Kinderwunsch) Dein Sperma kryokonservieren lassen. Auch das war für mich demütigend, mir in einer kleinen Kammer den Saft rauszuholen (sehr beschwerlich unter diesen Bedingungen auch noch an Sex zu denken...; - ja, es war für mich reinste Demütigung...). Wie auch immer, das ist das wahre Leben und ich weiß, daß es vielen anderen Menschen noch schlechter geht als mir. Das Leben ist nicht fair, aber es ist für mich kein Grund aufzugeben! Dafür hänge ich zu sehr am Leben und hoffe, daß mir Gott noch viel Zeit für ein schönes und langes Leben schenkt.

Geändert von McFly33 (05.08.2010 um 21:54 Uhr)
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