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Alt 04.11.2005, 13:30
Andrea6 Andrea6 ist offline
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Standard AW: ich weiß nicht mehr weiter

Hallo Laura,

wir können uns gerne austauschen. Meine Mutter ist übrigens auch an Eierstockkrebs erkrankt.
Du hast gefragt, wie das mit den Freundschaften funktioniert. Bei mir sieht es sehr unterschiedlich aus. Ich habe den "Vorteil", dass die Mutter einer sehr engen Freundin ebenfalls an Krebs erkrankt ist, so dass wir uns einfach auch gegenseitig ein bißchen stützen können. Was andere Freundschaften angeht, hat sich das in den vergangenen zwei Jahren etwas verändert. Früher war ich immer diejenige, die zum Teil immer wieder den ersten Schritt gemacht hat, sich immer wieder gemeldet hat und immer wieder versucht hat, die Freundschaften zu pflegen. In dieser Hinsicht bin ich egoistischer geworden und erwarte, dass sich auch die anderen mal melden. Ich habe vielen Freunden gesagt, sie sollen mir nicht böse sein, wenn ich mich mal nicht melde. Ich arbeite den ganzen Tag und bin abends manchmal zu kaputt oder zu schlecht drauf, um überhaupt noch zum Hörer zu greifen. Mittlerweile sehe ich nicht mehr ein, allen uneingeschränkt hinterherzulaufen, sondern überlasse auch mal anderen den ersten Schritt. Das mag egoistisch sein, ist aber für mich die einzige Möglichkeit, meine Kräfte halbwegs zusammenzuhalten. In meinem Freundeskreis sind die Verhaltensweisen sehr unterschiedlich. Viele wissen nicht so recht, wie sie mit mir bzw. der Situation umgehen sollen. Ich rede sehr viel über alles und bin auch bereit, alle Fragen zu beantworten, aber es kommt auch vor, dass ich im laufenden Gespräch keine Lust mehr auf diese Thematik habe. Das macht das alles natürlich sehr kompliziert: Einerseits möchte man ja, dass die Leute Anteil nehmen und andererseits kann man das manchmal nicht mehr hören. Schwierigkeiten bereitet mir eigentlich am meisten diese "Schwarz-Weiß-Seherei" vieler Menschen: "Aha, die Kontrolluntersuchung war ohne Befund? Dann ist ja jetzt wieder alles ok." Das meint ja auch keiner böse, aber so einfach ist es halt nicht. Und da muss ich mich dann manchmal auch zurückhalten, um nicht zu ungeduldig zu reagieren, denn eigentlich ist es ja nur gutgemeint und soll aufmuntern. Ich denke, viele wollen solche Geschichten auch gar nicht zu nah an sich herankommen lassen, schließlich wird man ja mit Dingen konfrontiert, die man am liebsten ganz weit weg sähe. Ich denke nicht, dass Du von Deinen Freunden zuviel erwartest. Natürlich kann man nicht erwarten, dass jeder druckreife Trostworte parat hat, aber Dir einfach nur zuhören und für Dich da sein, kann eigentlich jeder. Und dass Du momentan, wo die neue Diagnose so frisch ist, keine Lust auf Abwechslung hast, ist, denke ich, auch verständlich. Aber vielleicht kannst Du ja in einiger Zeit, wenn Dir dann der Sinn danach steht, auf das Angebot Deiner Freundin zurückkommen. Keiner kann von Dir erwarten, dass Du jetzt funktionierst, als wäre nichts.
Das klingt jetzt profan, aber hast Du denn irgendwo die Möglichkeit, Dich abzureagieren? Wenn ich mal das Gefühl habe, ich drehe durch und alles wächst mir über den Kopf, hilft mir Sport. Einfach eine Runde laufen gehen oder ähnliches. Natürlich ändert es nichts an der Gesamtsituation und ist auch nicht das Allheilmittel, aber es hilft, dieses Grübelkarussell im Kopf zu stoppen. Vielleicht gibt es in Deiner Nähe auch Gruppen für Angehörige Krebskranker?

Liebe Grüße, Andrea
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