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Alt 12.01.2009, 07:06
Anastra Anastra ist offline
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Standard AW: Kleinzelliger Bronchialkrebs mit vielen Metastasen

Gestern war kein guter Tag und ich habe meine komplette Nachtschicht gebraucht um mich davon zu beruhigen....

Eine Woche hatte ich die Angst im Griff, aber nun hat sie mich wieder im Griff. An dieses Hin und Her muß ich mich erst gewöhnen. Genau wie die Up's and Down's von Papa.

Wie ich gestern zu Hause ankam saß mein Vater ganz klein zusammengekauert auf dem Sofa und weinte. Wollte sich nichtmal anfassen lassen. Ich mußte erstmal rätseln was los ist. Er wüßte es selber nicht... Aber er konnte noch nie wirklich Dinge aussprechen die ihn beschäftigen. Also durfte ich ihm wieder alles aus der Nase ziehen. Wie gut ich ihn doch kenne... Wie gut ich weiß was in ihm vorgeht, wenn ich ihn nur ansehe....

Er war duschen und der Abfluss war voller Haare. Es geht los. Nun fallen sie aus. So früh schon. Dann das schöne Sonnenwetter draussen. Mein Vater fühlt sich eingesperrt innen. Möchte raus. Traut sich aber nicht, weil er sich zu wackelig und zu schwach fühlt und überall noch Schnee liegt. Eine Gehhilfe will er nicht. Ich habe ihm vorgeschlagen einfach was mit dem Auto umherzufahren, aber das wollte er auch nicht. Dann das generelle Problem der Schwäche. Er hat immer alles alleine gemacht. Selber gemacht. Nun schafft er es kaum vom Wohnzimmer ins Bad. Nimmt immer weiter ab. Ist nur noch Haut und Knochen. 62 Kilo bei 1,86m. Dann die ganzen Medis und Arztbesuche. Das nervt alles. Am Donnerstag hatte er den ganzen Tag von Morgen bis Abends Schluckauf. Darum nun tierischen Muskelkater. Alles tut weh. Husten klappt nicht. Darum kann er den zähen Schleim von der Mandelentzündung nicht abhusten. (Da kümmer ich mich heute drum, dass er einen Schleimlöser bekommt). Bekommt schlecht Luft wegen dem festsitzenden Schleim. Erbricht häufig wenn er was "falsches" riecht. Gestern hat er nur Waschmittel gerochen und mußte sich übergeben.

Vor zwei Tagen war er so voller Elan und Tatendrang. Erzählte was er am Haus noch alles machen will, welche Pläne er noch hat und am nächsten Tag ist nichts mehr davon da und ich habe so eine sch.... Angst dass er nun schon resigniert.

Dann habe ich das Gefühl, dass meine Mutter mir immer mehr Vorwürfe macht, weil mein Vater von mir einfach Dinge besser annehmen kann, wenn ich sie sage. Aber nur weil ich es anders sage. Er fühlt sich nicht bevormundet von mir. Ich bin viel feinfühliger, leiser und sensibler, wie meine Mutter. Was keine Kritik an ihr sein soll. Ich will nicht mit ihr in einen Konkurrenzkampf treten. Für mich zählt nur, dass er isst und trinkt und dass er emotional gefestigt wird. Dass es ihm gut geht und er wieder auf die Beine kommt. Meine Mutter ist oft so heillos überfordert. Ich verstehe das und ich mache es ihr auch nicht zum Vorwurf, aber ich möchte es ihr einfach aufzeigen, wie sie Sachen besser/anders machen kann. Um eine Situation zu nennen: Mein Vater steht im Bad und übergibt sich. Steht verkrampft am Waschbecken und kann sich kaum auf den Beinen halten. Meine Mutter steht währenddessen in der Waschküche und faltet die Wäsche. Das ist doch völlig unwichtig in so einem Moment. Ich habe meinem Vater erstmal einen Stuhl geholt dass er mir da nicht umkippt, ihm einen Waschlappen gegeben und ihm nur eine Hand auf den Rücke gelegt um zu zeigen "ich bin bei dir"

Das sind alles so Sachen die mir zusätzlich unglaublich viel Kraft kosten.
Ich hatte im August einen schweren Bandscheibenvorfall und seit zwei Tagen merke ich das wieder. Weil ich mir und meinem Körper einfach keine Pausen mehr gönne, nur am funktionieren bin wo ich gebraucht werde. So darf ich nicht weitermachen. Ich merke die Schmerzen schon wieder bis ins Bein.... Ich will mir meine Schmerzen nicht zugestehen, denke oft Papa gehts viel schlechter und er braucht mich. Aber ich weiß grad nicht wie lange ich das so noch schaffe. Gerade heute fühle ich mich so kraftlos. Geschlaucht von 7 Tagen Nachtschicht und tagsüber bei Papa.

Es tut mir leid dass ich so viel schreibe. Aber eine Nachtschicht ist lang und es gehen einem so viele Dinge im Kopf rum. Das mußte nun aus dem Kopf raus bevor ich ins Bett gehe. Jetzt kann ich versuchen ein paar Stunden Schlaf zu kriegen. Ich muß wieder früh raus, weil ich mit Papa zum Arzt muß.

Anastra
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Mein Daddy: endgültige Diagnose am 24.12.2008 kleinzelliges Bronchialkarzinom mit Metas in Leber, Knochen, Lunge und Lymphknoten.
12.08.2009 - Jetzt hat der Himmel einen Engel mehr
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