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Alt 10.12.2009, 18:55
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Kerstin22 Kerstin22 ist offline
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Registriert seit: 18.07.2006
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Standard AW: Krebs und Studium

Hallo ihr Lieben,
tja, ich weiß auch nicht was ich mit meinen Komilitonen machen soll. Ich kann die Aufgaben auch nicht einfach verteilen, weil ich Perfektionist bin und der ganze Bogen auch für meine erreichten Punkte zählt. Eigentlich würden aber 50% der Punkte reichen. Ich tendiere immer mehr zu 100%. Letztlich lerne ich so auch mehr und bin dann gut auf die Klausur vorbereitet. Heute habe ich den Mathebogen dann abgegeben, auch wenn ich diesmal nicht alle Teilaufgaben gemacht habe. Ich habe ja auch noch anderes zu tun. In einer Woche habe ich übrigens Mathevorlesungen- und Mathebögenhalbzeit vom ganzen Studium. Im Bachelor und Master zusammen muss ich neun Mathevorlesungen belegen und jetzt habe ich 4 1/2 hinter mir. Die zweite Hälfte schaffe ich dann wohl auch noch. Im ersten Semester haben mir die Bögen noch den Schlaf geraubt, inzwischen habe ich verstanden, dass ich das schaffe. Alles eine Frage der Ausdauer.
Dieses Wochenende muss ich noch mal durchpowern, bevor Ferien sind. Ich muss ein Sitzungsprotokoll zusammenbasteln und überarbeiten, weil ich die einzige bin, die in der Arbeitsgruppe den Text gelesen hat, und mit anderen eigentlich mir unbekannten Komilitonen eine Sitzung vorbereiten. Ich werde mal versuchen wenigstens in der Gruppe nicht das Zugpferd zu werden.

Vor einigen Tagen hörte ich ein Telefonat meines Vaters mit einer Verwandten mit an. Es ist immer interessant seine Sichtweise der Dinge zu hören. Er erklärte ihr, dass ich wegen meiner Krankheit im Moment Single bin. Ich glaube diese Erklärung ist zu kurz gegriffen und sehr eindimensional. Warum muss man das überhaupt erklären? Was weiß mein Vater schon von meinen Beziehungen?
Ja, wahrscheinlich verliebt sich kein Mann in eine Mundschutzträgerin, aber ich glaube nicht, dass meine Krankengeschichte grundsätzlich eine Beziehung verhindert.

Gleich gehe ich zum Sport, damit ich diese Woche wenigstens einmal beim Sport war. Morgen kann ich nicht zu meiner Lieblingssportgruppe, weil ich mit zum größtenteils ehemaligen Teilnehmerinnen der Gruppe zusammen essen gehe.

Liebe A.,
das hört sich wirklick krass an wie einige mit dir und der Krankheit deines Mannes umgehen. In Anbetracht eures schweren Schicksals wüsste ich vielleicht auch manchmal nicht wie ich besonders als Gesunder damit umgehen sollte. Mich hat nie jemand wegen meiner Krankheit gemieden. Wahrscheinlich weil ich immer wieder auf der Matte stand und nicht so krank wirkte. Es war dann aber auch komisch, als ich eine neue Krebsdiagnose hatte und manche Uninformierte es nicht als neue Besonderheit ansahen, dass ich wieder Chemo bekomme.
Auf meinem einen Wochenendseminar im November bekam ich einmal als Feedback, dass ich soviel über meine Krankheit spreche. Das war da wohl auch so viel, weil ich da frisch mit Mundschutzdiskriminierungen zu tun hatte und michz neu mit meiner Identität als Stammzelltransplantierte auseinander gesetzt habe.
Vielleicht will ich auch manchmal nur zeigen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ich lebe und einfach mal studiere. Es ist natürlich toll, dass ich jetzt auf den ersten Blick nicht mehr krank aussehe, dass kann aber auch sehr anstrengend sein.
Wenn manche mir meine Krankheit schon nicht mehr abnehmen und mich so indirekt als Lügnerin darstelllen, finde ich das krass und irgendwie voll absurd.

Heute hat mich mal ganz höflich ein Student gefragt, warum ich einen Mundschutz trage. So etwas gibt es auch noch.

Okay, ich geh jetzt sporten!
Liebe Grüße und schönen Abend!
Kerstin
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Morbus Hodgkin, II B mit Riskofaktor, ED 4/06, 8x BEACOPP eskaliert,Bestrahlung, 1. Rezidiv 03/07, 2x Chemo mit DHAP, 20.06.07 SZT; Bestrahlung;Reha, 2. Rezidiv, 18.04.08 allogene SZT, 03.06.08 komplette Remission , 2019: Knoten im Brustkorb, 03/19 ED Peripherer Nerventumor, 6 Zyklen Chemo, Bestrahlung, OP, bestätigte Remission 01/20
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