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Alt 22.10.2003, 18:29
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Standard Filme zum Thema Tod und Sterben

Beim Evangelischen Pressedienst habe ich den Hinweis auf einen Kinofilm gefunden, der aktuell in die Kinos kommt:

SPIELFILM
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Titel des Filmes: Mein Leben ohne mich (My Life without me)

Ein Film übers Sterben als Anleitung zum Leben


Pressetext:
Die 1962 in Barcelona geborene Regisseurin Isabel Coixet hat sich mit ihrem dritten Spielfilm eines Tabuthemas angenommen – Sterben und Tod. Mein Leben ohne mich fand auf der diesjährigen Berlinale ein starkes Echo.
„This is you.“ – Ann spricht in der dritten Person über sich, als würde sie neben sich treten, als würde sie ihr eigenes Leben von einer höheren Instanz aus betrachten, als wäre es schon vorüber. Wenn sie so über sich spricht, wenn man ihre Stimme hört, die ins Staunen über die eigene Person gerät, die sie doch zu kennen glaubte, sieht man sie auch im Bild. Aber Ann steht ein Stück neben ihrer Stimme, sie zeigt im Grunde das, was ihre Stimme nicht glauben mag, die sie nur bis zu diesem Augenblick gekannt, gut gekannt hat, aber scheinbar nicht gut genug. Denn es ist etwas ganz Unerwartetes passiert. Da sehen wir eine junge Frau mit geschlossenen Augen im Regen stehen, die Geräusche und Gerüche wahrnimmt, die sie nie zuvor gehört und gerochen hat. Sie kann es einfach nicht glauben, dass sie plötzlich zu diesen Leuten gehören soll, die den Mond betrachten, die sich stundenlang nur damit beschäftigen, den Wellen im Meer zuzuschauen oder den Sonnenuntergang anbeten.

Es ist sehr anrührend, diese zarte junge Frau zu hören und zu sehen und dann zu erfahren, dass sie nur noch zwei Monate zu leben hat. Sie ist einfach eines Tages ohnmächtig geworden, und dann wurde der Tumor entdeckt. Der diensthabende Arzt kann es seinen todgeweihten Patienten nicht ins Gesicht sagen, auch ihr nicht. Aber sie will kein Mitleid, lehnt die unbedeutende lebensverlängernde Behandlung ab, auch die schmerzlindernden Tabletten. Sie will nicht zu Tode gepflegt werden, sie hat etwas ganz anderes beschlossen, nämlich jetzt endlich zu leben anzufangen – als ob es dafür nie zu spät sei.

Ann ist erst 23, hat zwei kleine Töchter, arbeitet als Putzfrau in der Uni, hat einen netten Mann, Don, der Swimmingpools baut, aber meistens arbeitslos ist. Sie leben in einem Wohnwagen außerhalb von Vancouver auf dem Grundstück ihrer Mutter, einer vom Leben enttäuschten Frau, ihr Vater ist seit zehn Jahren im Knast. Es sind einfache proletarische Verhältnisse, wo jeder genug mit sich selbst zu tun hat – vielleicht beschließt Ann auch deshalb, dass sie das Geheimnis ihrer Krankheit bewahren will und von nun an behauptet, dass sie ein bisschen anämisch wäre.

Der erste Schritt zum kurzen neuen Leben ist der Beschluss, wieder zu denken anzufangen. Als Denkhilfe fängt sie an, eine Art Gedankenprotokoll zu schreiben, kein Tagebuch im eigentlichen Sinne, denn ihre Gedanken sind in die Zukunft gerichtet, nicht in die Vergangenheit. Sie konzentrieren sich darauf, was es noch Wichtiges zu tun gäbe: „Things to do before I die.“ Dazu gehört, sich eine neue Frisur zuzulegen (doch wird daraus eine Maniküre), alles zu essen, was sie noch nicht gegessen hat, einen Mann kennen zu lernen, um nicht nur mit einem Mann im Leben Sex gehabt zu haben, ihren Vater zum ersten Mal im Gefängnis zu besuchen. Während sie das alles und mehr im Café niederschreibt, beobachtet sie ein junger Mann, den sie bald im Waschsalon wiedertrifft. Er sieht ein bisschen verwahrlost aus, wirkt aber eher einsam, wie er da mit seinem zerlesenen Buch herumlungert, der im Waschsalon eingeschlafenen Ann schließlich die Wäsche fertig macht und ihr sein Buch mit der Telefonnummer in den Wäschebeutel steckt.

„Dying is not as easy as it looks“, heißt die dritte Erkenntnis, die Ann in ihrem Protokoll festhält, denn sie absolviert von nun an ein übervolles Lebens- oder auch Sterbeprogramm, das sich nicht mehr darin erschöpft, in ausgiebigen Gesprächen mit der Putzkollegin über Diätmaßnahmen zu sinnieren oder Mutter und Ehemann zu trösten. Sie sucht eine neue Mutter für ihre Kinder, sie bespricht Unmengen von Bändern mit Geburtstagswünschen für ihre Kinder, und sie verliebt sich in den schüchternen jungen Mann mit dem Namen Lee, der ein neues Leitmotiv für ihr scheidendes Leben bereit hält, seinen Lieblingssong mit dem Titel „Senza fine“.

Mein Leben ohne mich ist ein Film über Sterbehilfe, rein faktisch gesehen. Nur ist es die Protagonistin selbst, die sich ihr Sterbehilfeprogramm ausdenkt, und das ist ihr Geschenk, das sie der Nachwelt hinterlässt. Man mag sich wundern, warum eine verhältnismäßig junge Regisseurin wie Isabel Coixet so intensiv über das Sterben nachdenkt, das in diesem Film überhaupt nicht mit Endzeit, Leere oder Angst sondern mit Sinnhaftigkeit angefüllt wird. Er ist eine Anleitung, den heutzutage so sehr verdrängten Tod und das Sterben wieder ins Leben zu integrieren. Isabel Coixet kann sich dabei auf wunderbare Darsteller, allem voran Sarah Polley als Ann und Mark Ruffalo als Lee, verlassen, aber sie entwickelt dazu auch noch eine Bildersprache, die den Sterbevorgang in eine sich Stück für Stück verändernde Welt einbettet. So kommen wir immer wieder an dem Mann mit den singenden Gläsern, dem sanften Todesboten, vorbei, erleben, wie sich das Alltagsleben im Supermarkt, in der Nachbarschaft, im Kreis der nahen Verwandten verändert, wie es vom Zauber eines neuen Erlebens überzogen wird, so, als finge das Leben erst jetzt so richtig an. Der ganze Film ist vom Geist dieser selbstgestellten Aufgabe erfüllt und wirkt bei aller Melancholie nie verzweifelt oder deprimierend. Mein Leben ohne mich ist deshalb eben doch kein Film übers Sterben, sondern eine poetische Anleitung zum besseren Leben. Und dafür ist es nie zu spät.

Marli Feldvoß

Mein Leben ohne mich erzählt von einer krebskranken jungen Frau, die sich mit neu erwachter Vitalität auf den Tod vorbereitet. Unterstützt von hervorragenden Darstellern plädiert der Film anrührend dafür, die tabuisierten Bereiche Tod und Sterben wieder ins Leben zu integrieren.

My Life Without Me
Kanada/Spanien 2003. R, B: Isabel Coixet. P: Esther García, Gordon McLennan. K: Jean Claude Larrieu. Sch: Lisa Jane Robison. M: Alfonso De Vilallonga. T: Sebastian Salm. A: Carol Lavallee. Ko: Katia Stano. Pg: El Deseo/Milestone. V: Tobis. L: 102 Min. Da: Sarah Polley (Ann), Amanda Plummer (Laurie), Scott Speedman (Don), Leonor Watling (Ann, die Nachbarin), Deborah Harry (Anns Mutter), María de Medeiros (die Friseuse), Mark Ruffalo (Lee).

Start in Deutschland: Start: 4.9.2003 (D)

weitere Infos unter:

http://www.epd.de/film/film_index_17119.htm
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