Thema: Ein Jahr...
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Alt 14.01.2010, 03:55
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rosa.sputnik rosa.sputnik ist offline
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Standard AW: Ein Jahr...

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Zitat von Stefans Beitrag anzeigen
Was mir nachhängt, ist die Nacht ein paar Tage, bevor meine Frau starb. Als sie Alpträume hatte von den Leuten, die sie holen kommen und sie ins Krankenhaus bringen. Und ich ihr die Angst davor nicht nehmen konnte. Es war vereinbart, dass ich das nicht zulassen werde, aber ich musste es ihr noch x mal versprechen. Trotzdem hat sie meine Hand nicht losgelassen und gesagt, ich müßte ab sofort an ihrem Bett sitzen bleiben und dürfte nicht mehr weggehen. Weil dann sofort die Leute kämen, die sie abholen wollen.

Aber das ging doch nicht. Ich musste sie allein lassen, hatte ja "nebenher" noch einiges zu tun und musste auchmal schlafen Jedenfalls, da habe ich versagt, ich konnte ihr diese schlimmste Angst nicht nehmen, und das beschäftigt mich nachhaltig. Ich weiss aber auch nicht, wie ich es anders / besser hätte machen können ?!?!

Viele Grüße,
Stefan
Lieber Stefan,

ich habe schon oft bei Dir gelesen, aber noch nie geschrieben... glaube ich.
Das was Du da beschreibst, ja... genauso geht es mir auch.
Meine Mama hat vom Tag der Diagnose an JEDEN Tag geweint dass sie nicht sterben will, dass sie solche Angst davor hat.
Einmal bat sie mich sogar ihr zu versprechen dass sie nicht sterben muss.
Ich dachte manchmal ich werde verrückt.
Als es ihr immer schlechter ging sah sie, unter anderem, meinen Vater. Sie waren schon lange bevor er starb geschieden, und diese Scheidung war der klassische Rosenkrieg.
Bevor er auszog gab es oft Streit, er demütigte sie, er schlug sie...
Kurz vor ihrem Tod sagte sie, dass er da gewesen sei... er habe überall weisse Tücher ausgelegt.
Ich interpretierte das spontan als Friedensflaggen...
Sie weinte dass sie Angst habe dass er sie "da oben" weiter quälen würde.
Als ich ihr antwortete dass er das sicherlich nicht tun würde, ich sei sicher dass, wenn er sich "da oben" nicht benimmt, er eh rausfliegt.
"Meinst Du?!?!?"
"Na klar, wenn er da rumstreitet fliegt er raus"
Ich glaube dieser Gedanke hat ihr ein bisschen gefallen, zumindest entlockte es ihr ein Lächeln.
Trotzdem... gute zwei Wochen bevor sie starb schaute sie mich nicht mehr an... starrte nur ins Leere.
Wenn ich mich in ihren Blick stellte... weinte sie wieder... weinte dass sie nicht sterben will, dass sie so entsetzliche Angst hätte.
Und ich? Ich konnte ihr nicht helfen... ich konnte es nicht verhindern.
Ich war hilflos,.... und dadurch auch manchmal taktlos.
Einmal sagte ich: "Ich weiss Mami, aber irgendwann müssen wir alle sterben... es ist die einzige Garantie im Leben die wir haben"
Ich fand es etwas taktlos, kaum dass ich es ausgesprochen hatte... sie aber fand es fast beruhigend.
Wir haben getan was wir konnten... ich habe den Palliativdienst gefeuert und war wild entschlossen das auch alleine mit dem Hausarzt zu schaffen...
36 Std. hatte sie Ruhe... leider nur 36 Std. ich wünschte heute ich hätte den Dienst viel viel früher gefeuert... oder am besten gar nicht erst dazugeholt...
Aber... 36 Std. hatte sie Ruhe... immerhin.
Und als sie dann ging... hatte ich sie feste im Arm... eine Hand hielt mein Mann, die andere hielt Julia, meine Tochter.
Mehr ging nicht, und obwohl ich auch etwas Angst vor dem "danach" habe... ich hätte ihr diesen Weg gerne abgenommen.
Sterben ist in den seltensten Fällen wie im amerikanischen Spielfilm... ein gütiges Lächeln des Sterbenden,... in blütenweisser Bettwäsche... leichtes Make-Up und ein gehauchtes "Ich danke Dir, für alles"... und dann werden die Augen geschlossen und das war es.

Schön wäre es,wenn es so wäre... war es aber nicht...

Ich kann nur hoffen dass ich sie mit meiner Hilflosigkeit nicht noch mehr gequält habe als die Krankheit es schon tat... und dass sie in Frieden gehen konnte.
Ich hoffe es...

Lieber Stefan, lieber Helmut... ich drück euch jetzt einfach mal ungefragt...

Alles Liebe
Jasmin
Und jetzt... wünsche ich mir nur noch einmal 5 min. mit ihr...
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Meine Mama: ED 12.11.2008 Kleinzelliges Bronchialkarzinom, T4 N3 M1 (multiple Hirnfiliae)
4 Zyklen Cisplatin und Etoposit, Ganzhirnbestrahlung, dann Tumorprogression, April 09 neue Lungenmetastasen und obere Einflussstauung. Keine weitere Kontrolle, keine Chemo mehr... nur Hoffen auf ein kleines bisschen mehr Lebensqualität...Am 28.07.2009 um 11:26 Uhr Meine Mama ist in meinen Armen für immer eingeschlafen...
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