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Alt 27.11.2008, 02:56
Sigi Winkler Sigi Winkler ist offline
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Standard AW: Kennt Ihr Todesfälle wegen Hodenkrebs?

Vor nunmehr fast 5 jahren haben wir unseren einzigen sohn verloren. Ich habe lange überlegt, ob ich hier in diesem forum darüber berichten soll. Es tut so weh....

Nun zur geschichte: mein sohn (30) war ein sehr sportlicher und agiler junger mann. Als er im februar 2003 nach längerem winterurlaub (er lief wahnsinnig gerne ski) nach hause kam, ging es ihm ziemlich miserabel. Er bekam schlecht luft, hatte rückenschmerzen und er fühlte sich insgesamt nicht fit. Der hausarzt diagnostizierte eine starke bronchitis, die mit antibiotika (erfolglos) 4 wochen lang behandelt wurde. Die rückenschmerzen wurden vom orthopäden mit fangopackung und massagen versucht, zu lindern. An meinem 50. geburtstag fiel mir auf, dass mein sohn sehr schlecht aussah. Ihm schmeckte weder filetsteak noch sein pils, beides mochte er so sehr. Wie gesagt, ein junger mann, der auf ernährung, sportliche betätigung achtete. „Morgen gehe ich zum tüv“ waren seine worte, er ließ ein großes blutbild vom hausarzt machen. Schon während der auswertung im labor wurde mein sohn angerufen, er müsse unbedingt lunge und nebenhöhlen röntgen lassen, sehr hohe entzündungswerte waren aufgefallen. Der radiologe meinte am nächsten tag: Ihre lunge ist voller metastasen, in Ihrem alter muss es wohl vom hoden her kommen. Als wir diese nachricht erhielten, sagten wir :“ D U hast doch keinen krebs“!

Am anderen tag brachte mein mann unseren sohn in die onkologische abteilung des klinikums nord in nuernberg. Die ärztin war entsetzt über das ausmaß der erkrankung. Ein extragonadaler keimzelltumor wurde festgestellt. Gestreut hatte er schon in mehrere lymphknoten , in die leber, und auch die lunge war stark betroffen. Gottseidank erbrachte die untersuchung des kopfes keinen befund. Nun ging es daran, die therapie festzulegen. Man ging von 3 zyklen chemotherapie á 4 tage aus. Letztendlich wurden 5 zyklen á 5 tage durchgeführt, was uns verwunderte, dass er diese aggressiven behandlungen so gut wegsteckte.“mir geht’s gut“ sagte er, wenn man ihn fragte. Nach der 3. chemotherapie wurden auch seine eigenen stammzellen genommen. Nach mittlerweile 4 monaten chemotherapie konnten wir erstmals aufatmen, die ärzte sprachen von heilung. „nur“ noch 2 operationen wären zwingend nötig. Die op eines lymphknotens, der sich seit der 3. chemo nicht mehr verkleinert hatte und eine op der lunge, um noch restliches gewebe zu entfernen. Diese op hätte bei hamburg stattfinden sollen, ich nahm mir für die betreffende zeit urlaub, um immer bei ihm sein zu können.

3 tage vor der geplanten op des lymphknotens rief uns unser sohn an, er hätte am ganzen körper kurzzeitig gezuckt, er hatte angst, einen schlaganfall erlitten zu haben. Die neurologin, die er sofort aufsuchte, sprach von einer einmaligen reaktion, bei nochmaligem vorkommen sollte er sofort die onkologie verständigen. Wieder war krankenhausaufenthalt angesagt, denn die zuckungen, die sich dann als epileptische anfälle herausstellten, wiederholten sich. Im ct konnte man angeblich nicht genau sehen, worum es sich handelte, da eine blutung eine genaue diagnose unmöglich machte. „es ist keine metastase“, so wurden wir dann 4 wochen hingehalten. Aber es war halt doch eine, wie dann festgestellt wurde.

„vorbereitung zur hochdosischemotherapie“ war dann nach diesem ergebnis angesagt. 2 weitere chemotherapien folgten, um den tumormarker niedrig zu bekommen. Kurz vor weihnachten 2003 kam er dann in die kmt klinikum nord, nürnberg. Die hdct begann: mein sohn hat alles befolgt, er versuchte, ein wenig sport zu treiben, obwohl es ihm nach der hd so „scheiße“ (sorry) ging, er war so hoffnungsfroh, dass er es schaffen wird. Weihnachten feierten wir im kreise der familie. Er war nur noch müde (fatique). Die therapie verlangte ihm so viel ab. Im januar war dann das erste staging. Die oberärztin war so optimistisch. Während der hd hat sie noch mal den tumormarker untersucht, und er sah so gut aus. „dieser wert kann nicht stimmen“, meinte sie beim staging, und es war der tumormarkerwert, alle werte waren wie sonst auch. Es wurde noch mal blut genommen, und es zeigte sich, die messung war richtig. Der tumormarker hatte sich innerhalb 3 tagen verdoppelt.

Ihr sohn ist austherapiert! Das bekamen wir zu hören, nachdem mein sohn schwierigkeiten hatte, sich koordiniert zu bewegen, er zog das linke bein nach, wirkte unbeholfen. Man denkt, es geht immer so weiter, man will es will es nicht wahrhaben!

Uns wurde angeboten, unseren sohn in die palliativstation derselben klinik zu bringen, was wir auch dankend annahmen. Wir waren tag und nacht bei ihm. Sein einziges kind zu verlieren, ist hart. Als dann noch freunde und kollegen am vorletzten tag vor seinem ableben kamen und er noch bewusst abschied nahm, das war ergreifend.

Seine letzten worte waren: Papa, pass auf die mama auf! Könnte ihr euch vorstellen, wie dreckig es uns geht? Warum muss man so etwas mitmachen?

Sigi
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