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Alt 14.12.2009, 22:01
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Kerstin22 Kerstin22 ist offline
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Standard AW: Krebs und Studium

Hallo ihr Lieben!
Ja, komisch so zwischen Gefahr und Alltag. ich kenne das. Man geht wie andere seinem Alltag nach und auf der anderen Seite muss man für das eigene Überleben kämpfen.

Liebe Chaoskatze, nimm dir soviel Zeit für dich wie du brauchst. Das Ergebnis hört sich doch ganz gut an. Wenn da noch etwas ist, bekommst du das auch noch weg. Jedenfalls schon mal gut, dass der Tumor kleiner geworden ist.

Ich habe mich in den letzten Tagen schon zweimal mal wieder über meinen Vater aufgeregt.
Heute habe ich meinen Eltern ein Gedicht von Robert Gernhardt vorgelesen, in dem er seine Chemo verarbeitete. Mein Vater fand es ganz furchtbar und will nichts mit Krebs zu tun haben. Er will es lieber verdrängen. Das macht mich eher wütend. Ich konnte nicht einfach meinen Kopf in den Sand stecken und letztlich hat er mich ja so mit meiner Krankheit alleine gelassen (was er sonst ja auch getan hat).
Ich konnte nicht nur meinen Kopf nicht in den Sand stecken, ich musste viele unangenehme Behandlungen, ja sogar lebensbedrohliche Behandlungen auf mich nehmen und war ja anscheinend erfolgreich. Ich muss ganz viele Erfahrungen verarbeiten und es wird nicht besser, indem ich mich nicht damit auseinandersetze. Vielleicht distanziere ich mich sogar davon, wenn ich auch mit schwarzen Humor und Zynismus eine Krebserkrankung betrachte. Ich muss mich aktiv damit auseinandersetzen. Wenn ich den Kopf in den Sand gesteckt hätte, wäre ich vielleicht schon tot. Es macht den Krebs auch nicht wieder lebendig, wenn ich mich mit ihm beschäftige. Ich weiß nicht wie man so die Krebserkrankung seiner Tochter verdrängen kann. Er fordert auch immer irgendwelche Leistungen von mir, die ich in meiner Krankheitssituation/Genesungssituation nicht als angemessen empfinde. Als wenn ich gesund und fit bin, indem man mich so behandelt.

Mich faszinieren echt die Gedicht von Robert Gernhard. Der beschreibt unverblümt die Chemos usw. Mich fasziniert wie er Erfahrungen, die ich teilweise mit ihm teile, in hoch poetische Gedichte gießt. Deswegen muss es ja keine Erbauungsliteratur sein. Chemos sind auch nicht erbauuend.

Eine kleine Kostprobe:

5. Mai Beginn der Chemo

Krebskrieger fängt sein Tagwerk an:
Auf denn, Chemie! Heut heißt es: Ran!

Krebskrieger weiß, daß unterliegt,
wer Krebs nur kriegt und nicht bekriegt.

Krebskrieger muss aufs Ganze gehn.
Er stellt die Frage: Wer packt wen?

Packt Mann den Krebs? Packt Krebs den Mann?
Krebskrieger fängt sein Kriegswerk an.


In einem Gedicht erwähnt er auch Navoban und andere Medikamente. Mich spricht es an, dass dort jemand mein Wissen teilt. Warum soll man manches, was einfach so ist, nicht beim Namen nennen?

Ich weiß echt nicht wie man die Krankengeschichte der eigenen Tochter so ignonieren kann, dass es einem unangenehm ist, wenn man mit Aspekten davon konfrontiert wird. Das Krebs auch tödlich enden kann, weiß ich nicht erst seit Robert Gernhardt, der selbst 2006 an Darmkrebs starb. Dies habe ich damals schon als Krebskranke mitbekommen.

Okay, ich schlaf den mal und versuch mich nicht mehr aufzuregen.
Gute Nacht!
Kerstin
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Morbus Hodgkin, II B mit Riskofaktor, ED 4/06, 8x BEACOPP eskaliert,Bestrahlung, 1. Rezidiv 03/07, 2x Chemo mit DHAP, 20.06.07 SZT; Bestrahlung;Reha, 2. Rezidiv, 18.04.08 allogene SZT, 03.06.08 komplette Remission , 2019: Knoten im Brustkorb, 03/19 ED Peripherer Nerventumor, 6 Zyklen Chemo, Bestrahlung, OP, bestätigte Remission 01/20
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