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Alt 17.08.2006, 22:33
aufwachen aufwachen ist offline
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Registriert seit: 17.08.2006
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Standard AW: Krebskinder werden erwachsen

Guten Tag, Petra, Guten Tag Sarah,

ich bin der festen Überzeugung, liebe Petra, dass deine Tochter im Laufe ihres Lebens eine unbändige Lebenskraft entstehen lassen wird. Sie hat, auch wenn Sie es jetzt noch nicht sagen oder zeigen kann, während dieser Zeit, unbewußt sehr früh den existenziellen Lebenkampf führen müssen, dass gibt Kraft!!! und wird ihr im Laufe ihres Lebens noch mehr Kraft geben! Du wirst vielleicht das ein oder andere mal positiv überrascht werden.

Außerdem bin ich weiter der festen Überzeugung, dass deiner Tochter eine sehr feine Sensibilität und ein sehr feines Gespür für ihre eigenen Gefühle und für Gefühle anderer Menschen beschert werden wird (Empathie). Sie wird bestimmt gut in Gesichtern der Menschen lesen können und Situationen gut wahrnehmen können. Sie wird sich immer irgendwie kümmern!

Sie wird den anderen Kindern und Menschen vielleicht etwas voraus haben und ich finde, dass ist eine wunderbares Geschenk! Ich bin heute sehr dankbar dafür, dass ich das Gefühl habe, Mensch geblieben zu sein.

Ich denke weiter, dass man (uns) (die) Kinder nicht unterschätzen darf. Kinderseelen, dass hat mir mal meine damaliger Prof gesagt, sind manchmal robuster als die Seelen der Eltern, der Omas und der Opas.

Ich habe ja geschrieben, dass zu meiner Krebszeit, die Dinge noch am Anfang standen. Es gab Zeiten, da konnten meine Eltern im Krankenhaus nur durch eine Glasscheibe mit mir in Kontakt treten. Es war keiner da, mit dem meine Mutter, mein Vater oder meine Bruder reden konnte. Einzig die Doktoren und die Schwestern, das war es. Es gab keinen psychologischen Dienst oder das Bett für die Mutter, für den Vater an der Seite meines Bettes im Krankenhaus.
Das war für meine Eltern sehr schlimm. Meine Mutter sagt heute noch im hohen Alter "Rainer, bitte keine Fragen mehr, ich kann das nicht mehr. Es war die Hölle"! Ich habe eigentlich nie sehr viel gefragt, da ich gesehen habe wie weh ihnen beiden dieses Thema auch nach 40 Jahren noch tut.

Es waren andere Zeiten. Im Nachhinein wäre ich sehr froh gewesen über ein Bett an meiner Seite und einen Clown im Krankenzimmer!

Es wird die Zeit kommen, da wird deine Tochter fragen stellen. Sei da und erkläre ihr es. Lass Sie reden und rede du selbst auch mit ihr über dich. Sei da, egal ob Sie mit 10 Jahren, mit 30 Jahren oder mit 40 Jahren Fragen stellt. Vielleicht stellt sie auch gar keine Fragen, wer weiß das heute schon! Es wird sich weisen. Jeder geht anders mit Themen und Thematiken um. Beantworte Fragen, auch wenn es dir sehr weh tun wird. Es wird Sie und dich entlasten und ihr das Gefühl geben, dazu zugehören. Ein ganz wichtiges Gefühl! wenn man so früh von zu hause weg muß!

Meine so lang zurückliegende Krankheit ist heute noch so präsent, weil ich Sie bis jetzt noch nicht richtig hab abarbeiten können. Es war die ganzen Jahre immer alles im Nebel. Immer musste ich Fragen stellen, nie bekam ich die notwendigen Antworten. Erst vor kurzen habe ich die Zusammenhänge der Krankheit richtig verstanden. Erst jetzt ist wohl die Zeit richtig reif! Erst jetzt lichted sich der Nebel um die Krankheit! Ich mache keinem Vorwürfe, dass darfst du nicht mißverstehen. Frühere Antworten wären aber besser gewesen.

Wer weiß schon, wie man immer alles richtig machen soll. Wir alle sind Menschen! Du und deine Familie haben ihr Bestes gegeben und das ist es was zählt. Auch bei (gesunden) Kindern läuft nicht immer alles glatt.

Deine Tochter wird sich entwickeln. Sei da für Sie. Nimm Sie in den Arm und lache mit ihr!!! Egal was kommen mag!

Viel Glück!

Rainer

Geändert von aufwachen (19.08.2006 um 14:49 Uhr)
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