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Alt 28.07.2007, 22:19
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sleeping sun sleeping sun ist offline
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Ausrufezeichen AW: Aderhautmelanom

Liebe AM Betroffene,

ich schreibe heute in diesem Thread, nachdem am 21.07.07 mein Vater mit
61 Jahren an den Folgen seines Aderhautmelanoms verstorben ist...

nein, ich will euch um Gottes Willen nicht verängstigen, möchte aber, dass ihr
aus unserer Geschichte was mitnehmt und niemals die Nachsorge vergesst!

Bei meinem Vater wurde das AM Ende Oktober 2004 festgestellt, nachdem er schon einige Zeit Probleme mit dem Sehen hatte und sein Augenarzt nun der Sache genauer auf den Grund ging.

Es war wie ein Hammerschlag auf den Kopf, Didi hat es schon richtig formuliert.
Danach begann eine Odyssee...Termine in Essen und Berlin und hier bei uns in Erlangen. Es stellte sich die Frage, welche Behandlung am sinnvollsten wäre, mein Vater zog erst Bestrahlung bzw. Applikator in Betracht.
Man riet ihm davon ab da das AM schon das Auge von 6 Uhr bis 11 Uhr ausfüllte (hier hab ich leider keine anderen Angaben wie z.B. Prominenz etc)
und so kam nur die Enu in Frage.
Ende November kam mein Vater in Erlangen in die Augenuniklinik und man entfernte sein rechtes Auge.
Alles verheilte gut, die Prothese wurde prima angepasst und er konnte 3 Monate nach der OP schon wieder Auto fahren.
Wir waren alle sehr froh und dachten, jetzt wär das Schlimmste vorbei.

Dabei war es erst der Anfang...

Mein Vater nahm seine Nachsorgetermine total gewissenhaft wahr, er ging im ersten Jahr nach der Enu alle 3 Monate zu den üblichen Untersuchungen, die ihr ja alle kennt.
Er ließ diese Untersuchungen teilw. bei verschiedenen Ärzten machen, in D und da er selbst Österreicher war, auch in A.
Jedesmal war es ok.

Letztes Jahr im Herbst fing er an, etwas abzunehmen, was er anfangs recht gut fand...er mochte Sachen nicht mehr essen die er sonst gern aß und auch das leckerste Weizenbier konnte ihn nicht locken.
Wir begründeten das mit einem vorherigen Ägyptenurlaub bei dem sich mein Vater ordentlich den Magen verstimmt hatte.
Nachdem sich nun keine Besserung einstellte ging er zum Arzt, nix auffälliges.
Er nahm weiter ab, mochte gar kein Fleisch oder Fisch mehr, wenn er was aß dann kleine Portionen, er vertrug absolut nichts mehr mit Zitrone oder Säure und hatte Druck und Völlegefühl im Oberbauch.
Ein Arzt in Österreich diagnostizierte eine "Fettleber"...ein anderer in Deutschland machte eine Magenspiegelung und fand nichts.
Alle Ärzte die in die Vorsorge meines Vaters eingebunden waren wußten um die AM Erkrankung nur zu diesem Zeitpunkt erkannte keiner was wirklich los war.
Mitte März 2007 "entdeckte" dann bei einer intensiven Sono der Internist was
euch hier sicher schon schwant...
"Ihre Leber sieht seltsam aus..." darauf erklärte mein Vater mit einem Lächeln, dass er ja eine Fettleber hat...das Leben ist voller Ironie.
Es wurde eine Biopsie der Leber anberaumt in einer nahen Klinik und ein paar Tage danach bekamen wir die Diagnose : Metastasen.

Drei große einwandfrei feststellbare, die größte schon um die 12 cm...und es wurde gleich gesagt dass speziell bei AM Metas meist die Leber schon von diffusen Mikrometas durchsetzt ist.

Erst jetzt wurde mein Vater gründlichst durchgecheckt um Metas in anderen Organen, Lunge, ZNS und Knochen auszuschließen und es wurde nichts gefunden.
Nun was weiter tun???
Tage und Nächte brachten wir damit zu, im www zu recherchieren...
Wir merkten schnell dass wir uns selbst kümmern mußten denn in der Onkologie der städtischen Klinik (mit angeschlossener Uniklinik!) sagte man meinem Vater, er solle nach Hause und seine Sachen regeln...die sahen keinerlei Chance für eine OP oder überhaupt irgendeine Behandlung.
Dann erst mal systemische Chemo im Rahmen einer Studie in der Hautuniklinik um evtl. noch kursierende Ableger der Metas zu killen...die erste vertrug mein Vater noch, nach der zweiten kippte das Blutbild total und man musste eine Transfusion geben.
Zwischenzeitlich hatten wir uns noch mit dem Thema Leberlebendspende befasst, ich hätte es so gern gemacht dass er wieder gesund wird...nur bei den Metas des AM macht das onkologisch keinen Sinn denn nach der OP wird das Immunsystem medikamentös so unterdrückt dass das neue Organ sofort wieder mit Metas befallen wird...
Systemische Chemo wurde nicht mehr gemacht, da auch weiterhin nicht erfolgversprechend, auch hier sind die Metas des AM resistent...
Wir gerieten immer mehr in eine Sackgasse.
Kurz nach der 2. Chemo begann dann die Chemoembolisation bei Prof. Vogl in FF, dem mein Vater seine Unterlagen geschickt hatte und der uns sehr viel Hoffnung machte. Er würde mittels der Embo die Metas verkleinern um so dem Rest mit LITT beizukommen.
Nach der ersten Embo ging es meinem Vater schlecht, er hatte hohes Fieber, Schmerzen und Ausschlag.Der Ikterus folgte...flüssige Spezialnahrung wurde nötig.
Nach 4 Wochen dann wieder Reise nach FF (wir wohnen über 260 km weg), es wurde nach den Untersuchungen gesagt, die Metas hätten sich enorm verkleinert und alles sähe sehr gut aus, die 2. Embo startete.
Nun ging es meinem Vater täglich schlechter, den 3. Termin Anfang Juli in FF konnte er nicht wahrnehmen, er war nicht transportfähig.
Meine Eltern gingen dann zu einem Arzt auf Empfehlung ihres Hausarztes, der biologisch onkologisch spezialisiert war, der war entsetzt über den Zustand meines Vaters und noch geschockter von der Sono die er machte :
die Leber hatte sich wegen der Metas stark vergößert, das Bilirubin stieg täglich.
Er eröffnete uns dann die schmerzliche Wahrheit, mein Vater würde nicht mehr länger als ein Jahr haben.
Aufgrund des Bilirubins und der ganz schlimmen anderen Begleiterscheinungen
schickte er meinen Vater zu einem befreundeten Chirurgen der die Gallengänge prüfte und die Unterlagen meines Vaters über den Krankheitsverlauf einsah.
Und wieder mal die Ironie des Schicksals: er hätte meinen Vater auf jeden Fall im März nach der Metadiagnose noch operiert aber jetzt wär es zu spät.Ob mein Vater denn nach der Enu keine vorbeugende Chemo erhalten hätte? Nein, hatte niemand was davon gesagt.
Er sagte man könne nur noch lindern.
Jeden Tag bekam mein Vater stärkende Infusionen trotzdem wurde er immer schwächer, hatte massive Blutgerinnungsstörungen und schlief fast nur.
Nachts plagte ihn dann schrecklicher Juckreiz und er konnte nicht mehr schlafen.
Ich war jeden Tag bei ihm und jeden Tag ging es ein Stück bergab.
Letzte Woche am Freitag ließ ihn dann meine Mutter ins KH bringen weil sie gar nicht mehr wußte was sie machen sollte, er hatte schlimme Schleimhautblutungen und erbrach dann auch noch Blut.
Am Samstag morgen war er noch ansprechbar, nachmittag beginnendes Leberkoma.
Wir waren bei ihm bis zu seinem letzten Atemzug, der einzige Liebesdienst, den wir ihm noch erweisen konnten.

Ich will euch mit diesem Erlebten keine Angst machen sondern euch sagen:

Bitte bitte verlasst euch auf keine Sono, besteht auf MRT und CT, auch wenn ihr dafür mal stationär im KH bleiben müßt!
Verlasst euch nicht auf nur einen Arzt, achtet darauf dass eure Ärzte neue Geräte haben!
Geht auch nach dem ersten Jahr immer mind. vierteljährlich zum Check, Lebermetas können in einem halben Jahr enorm wachsen!
Am besten ist es, wenn eure Ärzte aus einem zusammen arbeitenden Team bestehen, Onkologe - Hautarzt - Internist und ein sehr guter Hausarzt.
Infomiert euch überall, dass ihr hier im KK seid und euch mit anderen Betroffenen austauscht ist klasse!

Viele Ärzte sind mit AM überfordert weil keiner so richtig weiß was zu tun ist, ich hab selbst bei meinen Ärzten mit denen ich sprach wegen meines Vaters meist nur mitleidige Blicke und Schulterzucken geerntet.

Gebt dieser verdammten teuflischen Krankheit keine Chance, macht alles für eure Gesundheit, seid kritisch und seid euch bewußt, dass das AM einer der heimtückischsten Tumorerkrankungen ist die es gibt.

Ich wünsche euch allen von Herzen ein langes unbeschwertes Leben und mein sehnlichster Wunsch ist, dass es auf dem Gebiet des metastasierten AM`s endlich erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten gibt...dann wäre mein Vater, den ich unendlich liebe und vermisse, nicht ganz umsonst von dieser Welt gegangen...

Kerstin
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"Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar..."
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