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Alt 17.12.2013, 21:22
ThorstenJ ThorstenJ ist offline
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Standard 3 Monate BSDK - ein Erfahrungsbericht - hoffentlich hilfreich für andere

Guten Tag alle zusammen,

ich möchte heute den bisherigen Verlauf meiner Erkrankung und Behandlung darlegen. Ich hoffe, der eine oder andere kann hilfreiche Erkenntnisse daraus gewinnen.

Seit Mai oder Juni diesen Jahres hatte ich zunehmend Schmerzen im Oberbauch - zusammen mit Verdauungsproblemen.
Ich tippte auf Magenprobleme wegen Stress (habe ich im Job und auch zuhause). Im Juli hatte ich Urlaub - ich hoffte, dass die Beschwerden dann zurückgehen würden, weil der Stress dann ja zurückgehen würde.

Dies bewahrheitete sich nicht - ich verlor auch Gewicht - so ging ich zum Gastroenterologen (Dr. Goebel in der Internistenpraxis Alstertal).
Blutuntersuchung, Magenspiegelung - ohne dass etwas gefunden wurde. Der Arzt machte dann umgehend eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums - und stellte leider etwas fest. Zur Sicherung der Diagnose wurde sofort ein MRT-Termin am nächsten Werktag anberaumt.
Im MRT (Conradia an der Stadthausbrücke - eine sehr gute Radiologie) würde die Diagnose leider zur Gewissheit: Pankreaskarzinom - bereits mit Metastasen in der Leber.

Dies war ein absoluter Schock für meine Frau und mich. Ein Tiefschlag.
Ich bin 41 Jahre alt. Bin nicht übergewichtig. Bin kein Raucher. Ich entspreche nicht im Geringsten irgendeiner Risikogruppe für diese Krebsart.

Ich bin verheiratet, habe zwei tolle Kinder im Alter von 9 und 7 Jahren.
Diese Diagnose war für uns ein Stoß hinterrücks in eine tiefe, schwarze Schlucht hinein.
Ich hatte mich bis dato nicht wirklich mit Krebs beschäftigt - und ahnte nicht wirklich, was diese Diagnose bedeutet - nun habe ich mir natürlich den Wikipedia-Artikel über Bauchspeicheldrüsenkrebs durchgelesen - und noch einen oder zwei andere Artikel. Die Erkenntnisse waren niederschmetternd. Ich rechnete nicht mit vielleicht noch 6 bis 12 weiteren Monaten, die mir noch blieben.

Der Gastroenterologe versuchte mit die Diagnose schonend beizubringen - ich hatte ja nun aufgrund dessen, was ich gelesen habe, schon Schlussfolgerungen gezogen - und er konnte diesen leider nicht widersprechen.

Ich ließ mir zwei gute Onkologen empfehlen und suchte den einen, der mir besser zu passen schien auf. Es wurden noch ein paar Untersuchungen gemacht (u.a. Biopsie im AK Barmbek - Grüße an den sehr angenehmen und kompetenten Dr. Faiss), die die Diagnose konkretisierten: Adenokarzinom in der Bauchspeicheldrüse mit den besagten Metastasen in der Leber.
Scheiße.

Der Onkologe war sehr kompetent. Sehr sachlich. Er verschrieb mir Schmerzmittel gegen die Beschwerden, stellte mir die in Frage kommenden Chemos vor:
(peb-)Gemcitabine, FOlFIRINOX und Abraxane
und schlug eine der drei vor, um die Überlebensdauer zu erhöhen. Auf meine Frage, warum wir nicht über eine OP sprechen würden, antwortete er, dass eine OP keine realistische Chance auf eine Verbesserung habe, da sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach kurzer Zeit neue Tumore bilden würden
Der Onkologe sprach mit mir die möglichen Nebenwirkungen durch.

So.
Glücklicherweise sprach ich mit einem Freund und Nachbarn, der Arzt ist, über die Erkrankung (danke Jens!). Er machte mir zum Glück folgendes klar:
Vergiss alles, was Du gelesen hast. Verbanne die Statistiken und Prognosen aus deinem Kopf. Jeder Krankheitsverlauf ist anders. Jede Diagnose ist individuell zu betrachten.
Dies war der Grundstein für ein Stück Zuversicht.

Als nächstes ergab sich ein toller Zufall: meine Schwester sprach mit einer Freundin darüber, dass ihr "kleiner Bruder" diese Diagnose hat und über die finsteren Aussichten. Da sagte diese: Mensch, mein Mann hatte doch auch die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Vor 10 Jahren. Bei ihm konnte das doch besiegt werden. Ihr solltet unbedingt miteinander sprechen.
Am nächsten Tag telefonierte meine Schwester mit ihm, fragte ihn und mich, ob wir uns nicht zu einem Gespräch treffen wollten - was wir dann auch taten.
Ich traf auf einen gesunden, fitten Menschen. Wir hatten ein stundenlanges Gespräch (danke Herbert!), in dem mir klar wurde, dass diese Diagnose NICHT zwangsläufig das Ende sein muss. Und dass es sich auf jeden Fall zu kämpfen lohnt.
Und Herbert berichtete davon, dass er damals lange nach einem wirklich auf Pankreas spezialisierten Arzt suchen musste und ihn dann irgendwann in Prof. Klapdor in Hamburg gefunden hat. Während andere Ärzte oft Hoffnungslosigkeit verbreiteten und ihm teilweise nur noch 6 Monate zu Leben prognostizierten, nahm der Professor sich der Sache von ganzem Herzen an und schlug eine OP vor.
Wie gesagt: das war vor 10 Jahren. Herbert geht es gut, die Bauchspeicheldrüse ist aufgrund der OP nicht mehr voll funktionsfähig - aber ein Tumor ist in all den Jahren nie wieder aufgetreten.

Meine Frau und ich bauten wieder Zuversicht auf, dass das alles doch gar nicht soo hoffnungslos sein muss.

Durch glückliche Zufälle wurde mir Prof. Klapdor also sozusagen auf dem Silbertablett präsentiert. Ich holte mir so schnell es ging einen Termin bei ihm - und siehe da:
Auch Prof. Klapdor machte mir klar, dass man sich von den Statistiken nicht entmutigen lassen darf (den Statistiken kann man entnehmen, dass 90% der Pankreaskarzinom-Patienten, bei denen die Diagnose wie bei mir erst erfolgt, wenn schon Fernmetastasen existieren, nicht länger als 18 Monate überleben) -
DENN: Die Statistiken beinhalten auch ganz viele Fälle aus von vor 10 und 20 Jahren. Damals wurden weder Gemcitabine noch FOLFIRINOX etc. eingesetzt; die aber heute zur Verfügung stehen und eine deutlich höhere Wirksamkeit haben.
Außerdem gehen in die Statistiken nur die ein, die nur mit einer einzigen Behandlung therapiert wurden. Sobald eine zweite "Stellschraube" dazukommt wie z.B. der Wechsel des Chemo-Schemas, eine parallel eingesetzte strahlenbasierte Behandlung oder ungewöhnliche Methoden (z.B. Einleitung des Präparats mittels Katheter statt intravenös), gehen diese Personen oft nicht mehr in die Studien ein, da man nicht bestimmen kann, welches "Schräubchen" zur Verbesserung der Lage beigetragen hat. Für die medizinische Forschung eine essentielle Frage bei der Bewertung von Verläufen und Studien - mir als Patient aber ziemlich egal, wenn es wirkt...

Und hinzu kommen in meinem Fall auch noch die vielen Faktoren wie jung, gesund, körperlich fit, keine anderen Erkrankungen - alles Dinge, die alle zusammen sonst nur bei sehr wenigen Patienten vorkommen, die in die Studien und Statistiken eingehen.

Also, noch einmal: Vergesst all das negative und entmutigende, was man im Internet über Krebs lesen muss. Die Statistiken haben nichts mit eurem Einzelfall zu tun.

Prof. Klapdor ging die ganze Sache dann auch komplett anders an - und beurteilte die Situation auch anders.
1.) Er schickte mich zur Ernährungsberatung. Für eine Therapie - insbesondere Chemo - ist es wichtig, dass man körperlich so stabil wie nur möglich ist - und das man nach Möglichkeit kein Gewicht mehr verliert. Beim Bauchspeicheldrüsenkrebs ist es nun aber leider so, dass die zur Verdauung nötigen Enzyme etc. in der Regel nicht mehr in dem Maße gebildet werden, dass die Nahrung sehr gut aufgespalten und vom Körper aufgenommen werden kann. Die Patienten werden dünner und schwächer
Wichtig ist daher die Ernährungsberatung. Was soll man Essen. Wann. Wie oft etc. - Und damit verbunden meist die Gabe von Enzymen in Tabletten/Kapselform, um die Verdauung zu unterstützen.
=> wichtig !

2.) Der Professor ließ auch noch andere Untersuchungen machen, die ein exakteres Bild lieferten. So waren in meinem Fall dann der Befall der Lymphknoten, der Lunge, Knochen und anderer Organe ausgeschlossen. Puh! Das machte den Weg frei für die weitere Behandlung und das Aufbauen einer Perspektive. Leute, ich habe vor Glück geheult, als klar war, dass "nur" Bauchspeicheldrüse und Leber betroffen sind.

3.) Der Professor beschäftigt sich seit Jahrzehnten schwerpunktmäßig mit der Bauchspeicheldrüse. Er hat tagtäglich Patienten mit einer solchen Diagnose - und er wird in den Jahrzehnten hunderte (tausende?) unterschiedliche Verläufe gesehen haben. Er kann abschätzen, was machbar ist, was realistisch ist und was nicht.
Dies gilt für andere Ärzte nicht - selbst für die meisten Onkologen nicht. Sie haben nur ab und zu mit dieser Diagnose zu tun - und (Unterstellung meinerseits) sie sehen in Patienten mit anderen Krebsarten natürlich mehr Perspektiven, dass ihre Arbeit von Erfolg gekrönt sein wird. Daher fällt es natürlich schwer, sich beim Pankreaskarzinom richtig engagiert reinzuknieen.

4.) Prof. Klapdor sprach in sehr angenehmer, entspannter Atmosphäre mit mir und sagte, dass er angesichts meine körperlichen Verfassung, meines Alters und meiner ein Stück weit vorhandenen Zuversicht die Chance sieht, mehr rauszuholen, als mit einer reinen Chemo möglich wäre. Er könne sich gut vorstellen, dass man den Tumor herausoperiert und dass man den Metastasen dann mit sehr gezielten Behandlungen (z.B. Einleitung von Mitteln per Katheter direkt in die Leber, Behandlung der Lebermetastasen mit radioaktiven Präparaten etc.) zu Leibe rücken würde.

Ich machte einen innerlichen Luftsprung! Vielleicht könnte man doch operieren! Die Lage ist nicht so hoffnungslos, wie zu Beginn gedacht. Yeah !!!

Vor gut zwei Monaten haben wir mit der Chemo begonnen. 4 Chemos habe ich jetzt hinter mir. Wenn der Tumor nicht größer wird oder sogar kleiner, dann wird man ihn herausoperieren. Ich selber bin inzwischen sehr zuversichtlich. Ich bin vom Erfolg überzeugt. Die Nebenwirkungen der Chemo halten sich in Grenzen, obwohl der FOLFIRINOX-Cocktail ein ziemlicher Hammer ist. Auch das sicherlich ein Resultat der positiven, zuversichtlichen Grundstimmung, die ich inzwischen habe.

Schon seit der ersten oder zweiten Chemo bin ich frei von Schmerzen!
Die Verdauung funktioniert inzwischen wieder zu 95% normal - ohne dass ich noch Medikamente/Enzyme bräuchte.

Vor einer Woche war ich wieder im MRT:
Der Tumor ist deutlich kleiner geworden. Er ist nicht mal mehr halb so groß wie zur Beginn! Die Metastasen sind weniger geworden - und die, die noch da sind, sind kleiner.
Das ist ein hammergeiler Erfolg. Die Chemo schlägt offenbar sehr gut an.
Wir hängen jetzt noch ein paar Chemos mehr ran, um zu beobachten, ob es sich weiter so gut entwickelt. Je kleiner der Tumor, desto weniger muss die Bauchspeicheldrüse bei der OP versehrt werden - ich selber habe inzwischen sogar ein wenig Hoffnung, vielleicht sogar ohne OP auszukommen (okay, das ist vielleicht zu übermütig - aber wer weiß?)

Zusammenfassend möchte ich möglichst vielen folgendes mit auf den Weg geben:
Vergesst die Statistiken etc. Jeder ist ein ganz eigener Fall. Und alles ist möglich.

Umgebt euch mit Personen, die euch positiv beeinflussen (danke an meine Familie und guten Freunde!). Sprecht mit Leuten, die Optimismus vermitteln.
Beschäftigt euch nicht mit den Nebenwirkungen. Wer mit den Nebenwirkungen rechnet und immer in sich hineinhorcht, ob es hier ziept oder da kribbelt - quasi auf sie wartet-, der bekommt die Nebenwirkungen auch

Besorgt euch ergänzende Therapien. Misteltherapie, TCM, was auch immer. Was zu euch passt. Sucht euch etwas, was euer Wohlbefinden steigert. Das kann bei jedem etwas anderes sein. Ich selber habe einen Therapeuten, der mir psychisch so unglaublich viel Auftrieb gibt. Das hilft mir unheimlich.

Baut euch Zuversicht und Optimismus auf. Je positiver ihr gestimmt seid, desto besser kämpft euer Körper gegen den Krebs. Auch die Selbstheilungskräfte / das Immunsystem eures Körpers kämpfen ein ganzes Stück weit gegen Krebszellen. Sie schaffen ihn nicht allein - aber sie bewirken ein gutes Stück.

Zuversicht, Optimismus und der Glaube an den Erfolg machen sicherlich 20% oder mehr des Therapieerfolgs aus. Ohne diese 20% und mit Trübsalblasen und Angst wird das Stück Therapieerfolg ausbleiben, welches nötig ist, um das bessere Ende des Kampfs für sich zu haben.

Viele Grüße,
Thorsten