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Alt 29.01.2014, 19:40
Birgits Schwester Birgits Schwester ist offline
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Standard AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister

Liebe Störchin,

nachträglich wünsche ich Dir zu Deinem Geburtstag alles Liebe und Gute. Vor allen Dingen, dass Du gesund bleibst.

Weiter wünsche ich Dir Mut und Kraft diese Zeit durchzustehen. Dafür braucht man Mut und Kraft. Und es dauert, wie es dauert. Aber eines Tages werden wir wieder fröhlicher sein, auch wenn es nie mehr so sein wird, wie es war. Wir brauchen die Zeit, um uns zu versöhnen mit dem, was geschehen ist.
Mir geht es wie Dir.Ich habe Stunden, Nächte im Internet zugebracht... ich wollte wissen: Was ist nach dem Tod? Wie ist das Sterben? Hat meine Schwester gelitten? Woran mag sie letztendlich gestorben sein? WO IST SIE JETZT?

Meine Schwester hätte heute Geburtstag...es ist furchtbar. Es fühlt sich alles so unwirklich an. Und wieder ist es mir passiert: Als ich daran dachte, ob meine andere liebe Schwester wohl heute auf dem Friedhof war, dachte ich zugleich danach, dass ich ja mal meine andere Schwester fragen könnte, ob sie heute am Grab war.... das dauert immer so Nanosekunden... und dann fällt mir wieder ein, dass es um sie ja geht. So oft geht es mir so, dass ich überlege, ahh, da muss ich mal Heike anrufen.....

Weil man es so gewohnt war. Wir drei Schwestern waren so eng verbunden. Ich fühle mich wie amputiert.

Die Beerdigung war irgendwie beides, vor der Feierhalle ganz, ganz schlimm. Während der Rede ganz, ganz schlimm. Aber auf dem Weg zum Grab und am Grab irgendwie in mir eine Ruhe, eine traurige Leichtigkeit...keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll.

Liebe Stoerchin, wir schaffen das, irgendwie. Was bleibt uns denn auch? Bei mir fing am Folgetag der Beerdigung alles wieder von vorne an. Schlaflose Nächte, tausend Gedanken, Unfassbarkeit.... Und immer wieder: Sie kann doch nicht einfach weg sein!!!

Das, was Du berichtest über die Frau mit Nahtod-Erfahrung. Weisst Du, ich glaube auch, dass meine Schwester jetzt bei meiner Mutter ist und es beiden gut geht. Als es meiner Schwester schlechter ging, habe ich das Bild meiner Mama angeschaut und gesagt: Bitte, Mama, hilf ihr doch...
Ein paar Tage später ist sie gestorben. Ich sagte meiner Freundin, aber ich hab doch unsere liebe Mutter gebeten, ihr zu helfen. Und sie sagte: SIE HAT IHR DOCH GEHOLFEN... Ja, sie hat ihr Leid erspart. Und ich glaube jetzt ganz fest, dass sie zusammen sind. Und dass es ihnen gut geht.

Ob mir das hilft? Manchmal. Und dann fehlt sie mir so schrecklich, dass ich es kaum aushalten kann. Wenn es mir dann einigermassen besser geht, denke ich, dass ich vielleicht egoistisch bin. Vielleicht geht es ihr dort, wo sie ist um so vieles besser als hier mit der schlimmen Krankheit, mit den Schmerzen, mit der Hoffnungslosigkeit, mit den ewigen Kämpfen...

Dann empfinde ich Trost. Und dann kommt eine andere, schlimme Traurigkeit: Alles, was ich an schönem sehe, alles, was ich lustiges sehe und höre, alles lebendige, alles lebensbejahende, alles hoffnungsvolle...kann ich nur halb geniessen, weil ich immer denke: Das alles kann sie nicht mehr sehen, nicht mehr erleben, warum nur. Sie hat doch so gerne gelebt, das Leben geliebt. Es tut mir so sehr leid, dass sie gehen musste.

Du siehst, liebe Stoerchin, wie man es auch nimmt und sieht: Wir werden die Zeit brauchen, wir werden da hindurch müssen, wir werden immer wieder weinen. Aber glaube mir, wir werden auch wieder lachen. Und irgendwann wieder normal leben, mehr lachen als weinen. Mehr geniessen, als traurig sein. Und mehr annehmen als hinterfragen.

Wir werden uns versöhnen mit dem Es-ist-nichts-mehr-wie-es-war.
Dein lieber Bruder und meine liebe Schwester sind vorgegangen. Nicht weg.

Ich drück Dich und teile gern mit Dir mein bissl Mut und mein bissl Kraft.
Dafür teilen wir ja auch das Leid.

Ganz liebe Grüße

Birgit
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