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Alt 13.12.2008, 21:52
Ladina Ladina ist offline
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Lächeln AW: Bin am Ende mit meiner Kraft!

Hallo Hansii

Ich lese gerade Deinen Hilferuf und kann es so gut nachvollziehen, was und wie es Dich plagt. Ich kenne das, was Du beschreibst aus eigener, wortwörtlich kotzübler Erfahrung.
Ich hatte einen Hirntumor. Er hat sich mit morgendlichem Erbrechen bemerkbar gemacht, er wurde gefunden und 1992 erfolgreich operiert, danach kam nochmals Chemo mit CCNU (auch so ein Kotzmedikament, aber wirksam)
Doch seit der Operation blieb es mir treu, das furchtbare Übelsein jeden Morgen. Kein Tagesbeginn ohne Kotzen, sobald ich mich aufsetzte im Bett wurde mir so schrecklich übel. Erst dachte ich, ach das wird schon vorbeigehen, 3 Monate später, es hatte nicht aufgehört, merkte ich die Folgen schon in der Speiseröhre und ging wieder zum Arzt, war ja vorher schon da, er gab mir dann Mittel gegen das Brechen, meinte es sei hysterisch. Das letzte, was ich während der ganzen Behandlung war, ist Hysterisch. Ich kenne das Gefühl nicht, zum Glück und ich wusste, diese Ursache hat meine Übelkeit nicht. Man vermutete neues Tumorwachstum, was sich nicht bestätigte. Man gab mir Johanniskraut, es wirkte nicht. Nach einer Odyssee durch Neurologie, Onkologie, Ophtalmologie, HNO (Verdacht auf Morbus Menière) und Psychologie waren die Ärzte am Ende und ich auch. Nichts, wirklich nichts hat genützt. Dann kam ebenfalls die Vermutung, es sei wie mechanisiert in meinem Hirn durch die Morgenübelkeit des Hirntumors, dass es Aufstehen immer mit Übelkeit verbindet. Das konnte ich mir irgendwie vorstellen. Es gab Momente, wo ich mir wünschte, es hätte nochmals einen Tumor, den man dafür verantwortlich machen und entfernen könnte, damit es endlich aufhört.
Dass ich heute in Vergangenheit schreiben kann, grenzt für mich in der Tat an ein Wunder. Ich weiss nicht, wieso es aufhörte, eines Morgens im Mai 2004, nach 9 Jahren jeden Morgen kotzen, war es weg. Ich setzte mich auf und es war weg. Mich friert noch heute, wenn ich mich dran erinnere. Es war der Hammer. Meine Mutter dachte dann auch prompt ich hätte verschlafen, als sie mich nicht hörte auf dem Klo.
Am andern Morgen kam es auch nicht wieder und es blieb fort, vielleicht hat mein Hirn es endlich vergessen.

Ich habe darüber mal ein Gedicht geschrieben, wie schrecklich das für mich ist, diese Übelkeit:

Übelkeit
*******
Jeden Tag, seit fast 9 Jahren, bedeutet morgendliches Erwachen
für mich zuerst Übelkeit.
Würgen, Erbrechen und Frieren.
Jeden Morgen wieder.
Ich hab mich an vieles gewöhnt,
was als Folge meiner Krankheit oder der Behandlung zurückgeblieben ist:
- an die verminderte Infektabwehr , die mich zuweilen zwingt,
- auch in der Öffentlichkeit einen Mundschutz zu tragen und
- an die Fett-Unverträglichkeit meiner Leber.
- An meine Sprachstörung
- und daran, dass ich am Hinterkopf vielleicht nie mehr Haare haben werde.
- Auch an die Gefühlstaubheit der Finger – und Zehenspitzen,
- Geruchs – und Geschmacksverlust, sogar an das quälende Ohrgeräusch
- und an die rasche Erschöpfbarkeit.
Bei all dem kann ich heute sagen, da steh ich einfach drüber.

Diese Übelkeit aber ist wie eine Folter, jeden neuen Morgen.
Sie legt die Lebensfreude lahm
in den ersten bewussten Stunden eines jeden neuen Tages,
und ich kann sie nicht übergehen oder ihr entkommen,
ohne sie zu spüren.
Sie ist die grässlichste Fratze, die mich jeden neu Morgen verhöhnt,
und ich leide unter ihr, noch heute, genau so sehr wie am ersten Tag.

Ladina, 2001
(Seit 2004 gehört die morgendliche Übelkeit nicht mehr zu meinem Alltag. Jeder, der von ähnlichem betroffen ist oder war, wird mein Glück darüber nachempfinden können)

Ich weiss, dass die Aussicht auf so lange Zeit Dich nicht wirklich trösten kann, aber ich will ehrlich sein und vielleicht hilft es Dir doch zu wissen, dass da jemand ist, der Dich verstehen kann und die es, wenn es auch lange gedauert hat, schliesslich losgeworden ist.

Ganz wichtig ist, dass Du ein Präparat bekommst, das Deinen Magenpförtner und die Speiseröhre, überhaupt die ganzen Schleimhäute im Verdauungstrakt zwischen Mund und Magen, inklusive Nase pflegt und widerstandskräftiger gegen die täglichen Säureangriffe macht. Ich bekam für den Magen Nexium, reduziert die Säure und eine pflegende Salbe für die Nase.
Ich wünsche Dir sehr, dass es Dich nicht auch 9 Jahre quält, dass Du viel vorher die Erfahrung machen darfst, dass Dein Stammhirn die Erinnerung an diese Übelkeit vergisst.
Ganz liebe Grüsse und viele gute Wünsche schickt Dir aus der Schweiz
Ladina
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Halt ein Plätzchen frei für die HOFFNUNG

Geändert von Ladina (13.12.2008 um 22:03 Uhr)
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