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Nachwirkungen
Hallo!
Habe mich etwas durch das Forum gelesen und möchte zum einen mein Mitgefühl an Trauernde, Angehörige, Hinterbliebene, zum anderen ein herzliches Dankeschön an die Forumsbetreuer aussprechen. Vor etwas über einem Jahr habe ich meinen Vater verloren. Er war 1,5 Jahre lang krank; die Behandlung schlug immer positiv an und alle glaubten: "Der wird das schon schaffen- wer sonst, wenn nicht er!" Da ich mich mitten im Studium befand/befinde, habe ich die ganze Sache "irgendwie weggeschoben" bzw. war wohl so geschockt, dass ich immer vom Positiven ausgegangen bin. Ich wusste nie, dass mein Vater sterben würde. Wir (meine Mutter und ich) "lebten" mit der Krankheit und stellten und situativ auf jede neue "Nachricht", jeden neuen absurden Umstand immer sofort ein und ich dachte immer in kleinen Schritten; nie aber an eine solch unmögliche Konseqeunz, nämlich an den Tod. Eine Woche vor seinem Tod (er lag im künstlichen Koma) dann die Erlösung:" Es ist alles bestens. Nächste Woche wird er wieder aufwachen. Er kommt durch." (Nebenbei musste ich immer schwere Klausuren und Prüfungen bestehen, was auch klappte.) An einem Abend wurde ich angerufen. Meine Mutter sagte, ich solle ins Krankenhaus kommen. Ich fuhr nachts alleine los. (Mein Freund war plötzlich weg bzw. fühlte sich nicht verantwortlich, mich zu unterstützen. Er bot mir an, mich zum Bahnhof zu bringen. Dabei hätte er jeden anderen sicherlich gefahren.) Ich kam an am nächsten morgen und plötzlich wurde der Sterbeprozess eingeleitet. Meine Mutter und ich verstanden uns blind. Wir sprachen mit meinem Vater; die Beatmung wurde abgestellt. Dann die ganze Organsisation und Planung der Beerdigung und in den Monaten darauf nur Verpflichtungen, Papiekram, Umstrukturierungen im Haushalt; habe alles gemacht, was mein Vater sonst erledigt hat. Ich bin auch an körperliche Grenzen gestossen (Gartenarbeit). Aber wir (meine Mutter und ich) haben uns durch das ganze Dickicht durchgekämpft und haben auch alles alleine geschafft. Mein Freund ist im letzten Jahr leider noch nicht mal mit mir in Urlaub gefahren, dabei hätte ich mir das so sehr gewünscht. Ich frage mich (euch), ob es normal ist/war, dass ich so ausgebrannt war (und auch oft noch bin). Ich fühlte mich so sehr alleine, dass ich keine Worte dafür finde. (Das war wohl die unangenehmste Erfahrung in meinem bisherigen Leben.)Ich hatte keine Kraft mehr, habe nur noch mein Studium einigermaßen geregelt, habe nicht mehr gelacht - als sei ich in ein inneres Vakuum gepackt, das ich nicht aufzubrechen in der Lage war. Und irgendwie habe ich den Kontakt zur Außenwelt nicht mehr gefunden. Vordergründig schon, aber ich bin nicht mehr an anderen Menschen wirklich interessiert. Ich erwarte auch nicht, dass sich jmd. mit dem Tod beschäftigen muss oder weniger oberflächlich sein soll. Ich respektiere den Anderen, wie er sich eben darstellt. Ich hatte gar keine Kraft mehr, auf andere Menschen zuzugehen (und jetzt interessiere ich mich nicht mehr wirklich für sie.) Ich habe in dieser schlimmen Zeit direkt nach dem Tod auch aufgehört, zu sprechen. Ich wollte mit niemandem mehr sprechen, mich mitteilen, zuhören. Meine Leistungen im Studium waren nach wie vor sehr gut, aber ich kam im letzten Jahr zu langsam voran. Ich habe mich sogar noch nicht mal getraut, eine Arbeit 2 Wochen später abzugeben, weil es mir unangenehm war zu sagen, dass ich mich um die Beerdigung meines Vaters etc. kümmern musste. Uns haben viele Menschen Hilfe angeboten, aber eher meiner Mutter, weniger mir, da ich ja "nur" die Tochter bin. Und irgedwie hat sich alles relativiert. Ich weiß, in 100 Jahren interessiert sich kein Mensch mehr für die Dinge, die uns alle gerade umtreiben. Am Ende ist sich jeder Mensch selbst der Nächste. Das Einzige, was die Menschen mich in meiner Umgebung gefragt haben war, wann ich mit dem Studium fertig bin. Keiner hat mich gefragt, wie es mir geht.Irgendwie bin ich enttäuscht und frustriert. Ich frage mich, ob das denn nun schon alles gewesen sein soll, ob ich den großen, weisen "Schlüssel zur Vergänglichkeit" bereits gefunden habe und der Rest (Heiraten, Familie gründen, beruflich erfolgreich sein, Vorgartenbeet anpflanzen...) alles nur noch Staffage sein soll? Mit meinem Freund spreche ich nicht mehr darüber.Und meine Freundinnen schweigen immer nur ganz still, wenn ich etwas erzähle. Jetzt bin ich bald mit dem Studium fertig und habe somit mein von der Gesellschaft erwartetes Leistungspensum erfüllt. Auf meinen Beruf freue ich mich. Manchmal frage ich mich (eigentlich ziemlich oft), was mein Vater wohl zu alldem gesagt hätte. Ich möchte so gerne, dass er mich anruft oder ich ihn besuchen kann. Vielleicht kann mich jmd. verstehen? Oder klingt das alles verbittert, zu nüchtern für eine junge Frau? Viele Grüße Klara1 |
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