|
#1
|
|||
|
|||
Möchte einfach mal erzählen....
Hallo,
ich bin mon ami........so hat mich mein Mann immer genannt. Ich sitze hier und finde nicht so recht die richtigen Worte. War ich bisher stets ein stiller Leser hier im Forum, so habe ich mich doch entschlossen auch meine Geschichte zu schreiben, weil ihr sicher meinen unfassbaren Schmerz nachvollziehen könnt. Mein Mann ist am 18 August diesen Jahres an einer Lungenkrebserkrankung gestorben. Genau fünf Monate hatten wir von der Diagnose bis zum Ende. Mein Gott.......was sind fünf Monate. Er hatte einen fortgeschrittenen Lungenkrebs, der die Speiseröhre bereits durchbrochen hatte. Wir haben fünf Monate erlebt, die nur negativ verlaufen sind. Trotz vier Zyklen Chemotherapie ist der Tumor weiter gewachsen.....es war so furchtbar und deprimierend. Mein Mann hatte so gehofft noch einmal in die Werkstatt gehen zu können, noch einmal Motorrad fahren, aber er hat es nicht mehr geschafft. Für mich war es besonders schlimm zu sehen, wie er sich von der Familie und auch Freunden distanziert hat. Er wollte nur noch mich um sich haben. Die Kinder nur bedingt. Jeder Versuch von mir ihn aus seiner Isolation heraus zu holen scheiterte kläglich. Diese Veränderung eines Menschen mit zu erleben, sowohl psychisch als auch physisch ist wirklich sehr sehr schlimm. Streitpunkt war so oft das Essen. Ich wußte wieviel Energie allein der Tumor täglich forderte, also hatte ich quasi ständig eine Kalorienzählmaschine im Kopf und kam oftmals nur auf 800 -1000kcal....wenn überhaupt. Aber ich konnte es nicht aufhalten..........konnte das Fortschreiten seiner Krankheit, den körperlichen verfall nicht aufhalten. Ich habe ihm so oft gesagt, dass ich auf ihn aufpasse, so gut wie ich kann. Tja und dann bekam er eine Lungenentzündung und mußte ins Krankenhaus. Ich habe das zu Beginn nicht als akute Bedrohung gesehen, aber wurde schnell eines Besseren belehrt. Mein Mann hatte Angst alleine, also bat ich darum bei ihm bleiben zu können, was man mir auch ermöglichte. Man stellte ein Bett für mich neben sein Krankenbett und ich konnte Tag und Nacht bei ihm sein.......bis zuletzt. Diese vier Tage waren so wichtig für mich und auch für unsere Kinder. Diese Zeit war so intensiv und geprägt von sehr viel Liebe. Es hat uns alle sehr viel Kraft gekostet diesen Weg bis zu Ende mit zu gehen und wir sind echt an unsere Grenzen gestoßen. Aber mein Mann ist friedlich gegangen und ich konnte mein Versprechen gut auf ihn aufzupassen erfüllen, dafür bin ich dankbar. Tja und nun vergehn die Wochen, ich funktioniere .......... erledige Behördengänge usw, aber realisieren kann ich das Alles überhaupt noch nicht. Seine Jacken hängen noch im Flur und die Krankenhaustasche steht noch da..........ich bin nicht in der Lage sie auszupacken. Ich vermisse ihn so unendlich, die Gewissheit ihn hier auf Erden nie wieder sehen zu können, kann ich kaum ertragen. Tja und dann sind da die Bilder vom Krankenhaus, Arztgespräche, Gespräche und Berührungen mit meinem Mann und dann der Tod.............der so endgültig ist und das Leben eines geliebten Menschen auspustet. Ich weiß im Moment überhaupt nicht, wie es mir gelingen soll ein Stück weit Normalität, bzw einen Alltag zu erlangen. Zur Zeit bin ich immer froh, wenn ich einen Tag geschafft habe und bete dafür, dass ich die Kraft auch für den nächsten Tag habe. Ich grüße euch ganz herzlich mon ami |
#2
|
|||
|
|||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
Liebe mon ami,
mein herzliches Beileid für den unendlich großen Verlust deines geliebten Mannes! Ich wünsche dir alle Kraft und Zuversicht der Welt für diese schwierige und kraftraubende Zeit!! Anna |
#3
|
||||
|
||||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
Hallo mon ami ...
... ich finde schon, dass Du die passenden Worte gefunden hast. Gefühlvolle Worte irgendwie, so dass ich euch und eure traurige Geschichte bildlich vor mir sehen kann... Schön, dass Du erzählen möchtest - ich wünsche Dir von Herzen, dass Deine Seele es Dir irgendwann danken wird ... Austausch ist oft hilfreich und gut. Dein Mann kann wirklich froh sein, Dich an seiner Seite zu haben (das hat er ja immer noch) - auch wenn Du das Gefühl hast "nur" zu funktionieren´. Ich weiß, wieviel Kraft allein DAS schon kostet - aber dieses erstmal "nur funktionieren" ist auch ein gewisser, wichtiger Schutz für einen Zeitraum, in dem man diesen Schutz dringend braucht. Weißt Du was auch schön ist? Dass das KH es ermöglicht hat, dass ihr die ganze Zeit beieinander sein durftet - das sollte eine Selbstverständlichkeit sein, wie ich finde. Du hast etwas Wunderbares vollbracht: Dein Mann durfte gehen mit dem sicheren Gefühl, von der (Deiner) Liebe getragen zu sein! Wie schön! Von Herzen ganz viel Kraft Angie
__________________
... meine Freundin Heike ist am 24. Mai 2010 mit 48 J ganz friedlich für immer eingeschlafen ... ... meine liebe Freundin Lilli44 - auch Du hast für immer Deinen Platz in meinem Herzen ... ... I`ll see you when the sun sets!!! |
#4
|
|||
|
|||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
Hallo,
danke an euch für eure lieben Zeilen. Ja, es ist wahr, das Funktionieren hilft einen Tag um den anderen zu bewältigen. Aber dann gibt es auch immer wieder diese Momente, wo man es nicht fassen kann, wo man einfach diesen Schmerz so heftig fühlt, dass es körperlich schmerzt. Mein Mann und ich waren 19 Jahre zusammen, 19 Jahre, in denen wir nie vergessen haben, dass eine gute Ehe, einander zu haben uns zu lieben, keine Selbstverständlichkeit ist. Und nun sitz ich hier und wiedermal kullern Tränen und ich habe das Gefühl ein Teil von mir ist mit ihm gegangen. Tja und Alles geht weiter, für einen selbst bleibt die Zeit stehen, so fühlt es sich an, aber alle anderen leben ihr Leben, gehen zur Arbeit, haben ihren Alltag usw, usw. machen sich Sorgen und Gedanken um alle möglichen Sachen..........um viel Unwichtiges. Die Perspektive ändert sich , wenn man einen geliebten Menschen verliert, das zumindest nimmt man aus diser Krise mit. Freunde sagen mir, dass ich nicht verzagen soll, nicht verzweifeln, weil es stets so ist, dass ,wenn sich eine Tür schließt auch eine neue aufgeht. Leider bin ich noch nicht so weit das zu erkennen. Lieben Gruß mon ami |
#5
|
|||
|
|||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
Hallo Mon Ami,
mein Papa ist heute genau 32 Wochen nicht mehr bei uns! Es tut immer noch so unheimlich weh - auch körperlich weh - Das Leben geht für alle ganz schnell wieder "normal" weiter... nur für uns bleibt die Welt stehen... sie hat sich völlig verändert! Meine Eltern waren 35 Jahre glücklich verheiratet - und jetzt muss ich zusehen, wie meine Mama leidet und so sehr traurig ist. Sie versucht Ihren Alltag zu meistern, hofft aber eigentlich nur, dass der Tag vorbei ist... leider ist der nächste Tag nicht besser! Ich wünsche dir von Herzen ganz viel Kraft |
#6
|
||||
|
||||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
... vielleicht könnte ein Ziel für euch erstmal sein,
wahrzunehmen, dass ihr immerhin 19 !!! glückliche Jahre miteinander hattet ... und die Eltern immerhin 35 !!! Jahre eine glückliche Ehe hatten? Neben allem Schmerz über den unsagbaren Verlust ist DAS doch auch etwas Wunderbares, was lang nicht jedem Menschen widerfährt ... einen Menschen zu finden, dessen Liebe ihn trägt. Sicher - es ist ungleich schlimm und schwierig, wenn dieser Mensch so plötzlich nicht mehr greifbar ist - aber könnt ihr euch vorstellen, dass es eines Tag so sein könnte, dass ihr dankbar sein könnt für solch ein großes Geschenk? Die Liebe bleibt ja - für immer, ganz tief im Herzen sucht sie sich ihren Platz ... und irgendwann werden ihre wärmenden Strahlen auch das Dunkle im Herzen wieder etwas erhellen. In diesem Sinne wünsch ich euch ganz viel Kraft weiterhin und dass immer jemand da ist, der euch ein Licht anzündet! Von Herzen, Angie
__________________
... meine Freundin Heike ist am 24. Mai 2010 mit 48 J ganz friedlich für immer eingeschlafen ... ... meine liebe Freundin Lilli44 - auch Du hast für immer Deinen Platz in meinem Herzen ... ... I`ll see you when the sun sets!!! |
#7
|
|||
|
|||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
Hallo mon ami!
Ich kann da so gut reinfühlen!!! Auch bei mir war es erst mal die Kranknehaustasche, die wochenlang da stand! Ich konnte sie einfach nicht öffnen! Liebe mon ami! deine Freunde haben aber recht! das leben geht weiter! und es ist so wunderschön! meine mama ist vor 17 mon auf wirklich unschöne art von uns gegangen. ich habe sie bis zuletzt 24 std gepflegt! es hört sich wirklich kitschig an, aber sei dir sicher, dass dein mann bei dir ist! egal wohin du gehst, was du auch tust! du hast ihm etwas geschentk, wonach sich andere menschen auf dieser welt ihr leben lang sehnen! deine liebe! deine bedingungslosigkeit! das tun nicht alle menschen! es sind leider nur wenig menschen im stande, sich selbst komplett in den hintergrund zu stellen. sie können die immerwährende angst einfach nicht unter kontrolle kriegen, darum ziehen sie sich zurück! du und dein mann, ihr wart euch ganz nah - bis zum letzten atemzug! näher geht nicht! mehr geht nicht! inniger und voller liebe geht nicht! glaube mir, jeder tag wird mit der zeit besser. tag für tag! wenn es mir nicht gut geht, dann sage mir immer : "das ist jetzt so! und: DAS GEHT AUCH WIEDER VORBEI!" versprochen! es wird besser! vielleicht kannst du irgendwann ein klitzekleines lächeln zulassen bei dem gedanken, dass er doch da ist! Er ist doch da, mon ami!!! ganz nah!!! in deinem herzen! - NÄHER GEHT NICHT!!! fühle dich mal umarmt Königskind |
#8
|
|||
|
|||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
Liebe Mon Ami,
Deine Zeilen berühren mich sehr und es tut mir sehr leid, dass Du Deinen Mann verloren hast. Was Du schreibst, kann ich gut nachvollziehen. Ich sehe auch oft Menschen, die mich an meinen Papa erinnern, weil sie ähnliche Sachen tragen oder weil ein älteres Paar Hand in Hand geht und irgendwie von Weitem so aussieht, wie meine Eltern zusammen ... Oder am Samstag beim Einkaufen, wo ich ein Paar in meinem Alter gesehen habe, die einen älteren Mann im Rollstuhl schoben. Da dachte ich nur, so könnte das jetzt bei uns auch sein, wenn mein Papa noch leben würde. Ich weiß natürlich, dass er dann krank wäre und vielleicht sogar Schmerzen hätte. Aber im Moment kann ich nicht dankbar dafür sein, dass er friedlich und ohne langes Leiden einschlafen durfte. Ich bin überhaupt nicht dankbar dafür, dass ich diese Erfahrungen machen mußte. Mein Leben ist seit dem komplett anders geworden. Ich denke viel mehr über alles nach, habe auch immer wieder Träume, die mich sehr aufrütteln und trotz aller Therapie, kann ich auch heute noch nicht sagen, dass es mir wirklich gut geht. Sehr oft stehen mir nur die Tränen in den Augen oder ich fühle mich wie gelähmt, kann nichts tun. Und ich habe keine Ahnung, wann das mal aufhört oder wann es sich so normal anfühlen wird, dass ich damit auch normal umgehen kann. Wenn ich dann bei Helmut lese, dass es auch anders sein kann oder irgendwann sein wird, dann werde ich schon wieder ungeduldig. Denn im normalen Alltag fehlt einfach die Zeit, sich wirklich mit der Trauer zu arrangieren, sie zuzulassen und nicht nur funktionieren zu müssen. Und eine Auszeit, das muss man sich wirklich leisten können. Wenn es finanziell nicht geht, entsteht da wieder so ein Druck und das funktioniert, glaube ich, dann nicht wirklich. Liebe Grüße Carla
__________________
Mein lieber Vati ist am 17.7.2011 um 16.30 Uhr in meinen Armen friedlich eingeschlafen. Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark |
#9
|
||||
|
||||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
Hallo Carla, hallo man ami,
mal ein Denkansatz: wo ist die Zeit hin, die man vorher mit dem Partner, der Partnerin, dem Vater oder wem auch immer, verbracht hat? Wie ist sie jetzt gefüllt? Ist sie gefüllt? Sinnvoll? Hat man neue Aktivitäten da hinein gepfropft? Muss meine Zeit so eingeteilt sein, wie sie es jetzt ist? Bin ich wirklich so 'wichtig', dass ich überall vorne dabei sein muss? Was ist wichtig? Wirklich wichtig. Es muss ja nicht unbedingt die 'große Auszeit' sein. Kleine Freiheiten sind auch nicht verkehrt. Ich weiß nicht, ob euch das hilft. Ist nur so mal ne Idee. Herzliche Grüße, Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376 http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070 Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise. |
#10
|
|||
|
|||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
Hallo Helmut,
ich glaube, Du bist einfach in Deiner Trauer schon viel weiter als ich. Dein Denkansatz ist gut und ich weiß schon, wo die Zeit ist. Sie ist einfach mit Arbeit und Stress ausgefüllt und mir fällt es schwer, diese Auszeiten zu nehmen, auch wenn ich weiß, wie nötig ich das habe. Ich fühle mich dann oft schon wieder meiner Familie gegenüber schuldig, wenn ich so "egoistisch" Zeit für mich beanspruche. Und ich muss eben irgendwie meine Mutter noch mit auffangen, weil sie alleine noch weniger klar kommt als ich. Ich habe durch die Arbeit und meine Tiere noch Ablenkung. Nur im Moment ist es eben mal wieder sehr schwierig, weil ich auch so wenig Energie habe. Wenn ich bei Dir lese, hoffe ich immer, dass ich das auch mal so schreiben kann. Ich merke ja auch, wie sich die Trauer verändert. Es kostet aber Kraft und braucht Zeit. Danke Dir für Deine Worte und das Verständnis. Liebe Grüße Carla
__________________
Mein lieber Vati ist am 17.7.2011 um 16.30 Uhr in meinen Armen friedlich eingeschlafen. Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark |
#11
|
|||
|
|||
AW: Möchte einfach mal erzählen....
Liebe Carla, lieber Helmut,
ja, das ist ein sehr gut Denkansatz, Helmut! Und meine Antwort wäre genau die gleiche, wie bei Dir, Carla "mit Stress und Arbeit ausgefüllt"... Ich kämpfe darum, das zu ändern, es gibt kleine Fortschritte und ist doch immer wieder so schwer... Was ich immer wieder nicht ganz verstehe: Ich habe doch erlebt (1 Jahr lang jeden Tag intensiv hautnah erlebt), wie schnell das Leben vorbei sein kann, wie unwichtig dagegen der Firlefanz im Job ist - wieso hat das nicht mehr Lerneffekt?? Liebe Grüße, Anja |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|