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Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo,
ich bin 62 Jahre alt. Im August diesen Jahres ist meine Frau an einer Peritonalkarzinose in einem Hospiz gestorben. Sie wurde 61 Jahre alt. Der Krebs ist in meiner Lebensgeschichte ein alter Bekannter.Als ich noch Kind war, stark eine Tante an Brustkrebs. 1977 starb dann eine Geoßmutter an Lebenkrebs, alleridings im Alter von 86 Jahren. Dann bekam meine Mutter ein malignes Melanom, das operiert wurde. Sie überlebte diese Krankheit. Ihre halbschwester starb dann an Leberkrebs. Ende 1990 erkrankte mein Vater an Blasenkreibs, 1992 starb er an der Krankheit. 1996 bekam eine Mutter Darmkrebs. Sie starb 1999, aber nicht unmittelbar an der Krankheit. 2009 war er dann wieder da. Meine Frau hatte Brustkrebs. Nach Operation und Bestrahlung passierte drei Jahre nichts. Dann aber im Juni 2012. Ein Tag vor meinem Geburtstag wurde bei ihr eine Peritonalkarzinose festgestellt. Ich habe so oft es ging sie begleitet. Die erste Chemo-Therapie ging bis Oktober 2012, dann wurde sie operiert. Die OP wurde abgebrochen. Danach war etwas Ruhe bis Ende Januar. Dann war er wieder da. Wieder zwei Chemo-Therapien und Krisen. Es folgte eine OP, weil man in einer Klinik eine Heiung noch für möglich hielt. Es war nicht mehr möglich. ich habe meine Frau durch diese Krisen begleitet und wundere mich, dass ich das durchgehalten habe. Aber nun frage ich nach dem Sinn. In diesem Jahf haben wir sehr viel mehr schlechte als gute Tage erlebt. Natürlich war es sinnvoll, dass ich sie nicht im Stich gelassen habe. Das war gut so. Aber hatte dieses Leiden einen Sinn? Welchen Sinn hat mein weiteres Leben? ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr depromiert Hermann |
#2
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo Hermann,
Das Thema Sinn und Unsinn stellt sich mir auch gerade. Ich schreibe normalerweise noch im Bereich Angehörige. Wahrscheinlich nicht mehr lange. Mein Mann ist gerade 60 und hat Lungenkrebs im Endstadium. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen habe ich seit 2010 ein Multiples Myeom (Krebs im Knochenmark) und habe letztes Jahr Stammzellen von einem Spender bekommen. Die Prozedur hätte ich ohne die Unterstützung meines Mannes nie geschafft. Jetzt wird er mich bald alleine lassen und ich kann nicht sagen wie es mit meiner Krankheit weitergeht und ich hab dann niemanden mehr der mich bei meinen Behandlungen unterstützt. Ich habe meinen Glauben verloren. Sinn macht das alles keinen. Aber trotzdem müssen wir weiterleben und versuchen das Beste daraus zu machen. Ich hab mal den Tipp bekommen vielleicht sogar auchmal was zu machen was unserem Partner nie gefallen hätte. LG Conny |
#3
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Liebe Conny,
als erstes wünsche ich dir viel Glück. Dein Schicksal ist sehr hart. Da stellt sich auch die Frage nach dem Sinn. Als Hinterbliebener ist man meistens zu egozentrisch. Man denkt, das eigene Schicksal ist besonders schlimm und man hat vor allem Mitleid mit sich selbst. Dein Schicksal aber ist schlimmer als mein Schicksal. Leider habe ich keinen Trost. Liebe Grüße Hermann |
#4
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
> Aber hatte dieses Leiden einen Sinn?
ja. Wenn ich Dich richtig verstehe, beziehst Du "leiden" auf die Achterbahnfahrt zwischen guten und schlechten Nachrichten, Hoffnung und schlagartigen Fakten. Es wird anders herum ein Schuh draus: Jedes Leben hat einen Sinn. Es hat auch einen Sinn, zu meiner/m Partner/in zu stehen in guten und schlechten Zeiten. Da bekommt dieser Satz richtig Bedeutung. Leiden hat sehr viel mit einem Vergleich zwischen (früheren) guten und (späteren) schlechten Zeiten zu tun. Es sind aber die Momente, die dabei unter den Tisch fallen können. Das, was Euch zusammenschweisst, auch über den Tod hinaus. > Welchen Sinn hat mein weiteres Leben? dass Du Dich mit der Situation auseinandersetzt. Dass Du verarbeitest und, wenn Du magst, Anderen bei der Verarbeitung mit Deinen Erfahrungen hilfst. Aber auch, dass Eure Erinnerungen und das was Euch wertvoll ist nicht einfach untergehen. Du hast doch etwas aus Deinem Leben mitzuteilen und kannst Anderen wertvolle Hilfe geben. |
#5
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
lieber hermann..
es tut mir leid, daß du schon soooo viele schlimme erfahrungen hinter dir hast und ich möchte dir mein mitgefühl aussprechen. zu deiner frage nach dem sinn möchte ich dir folgende zeilen mitgeben: mein leben hatte von kindheit an schwere einschnitte. ich mußte viel erleben an leib und seele. es gab zeiten, da wäre ich fast dran zerbrochen, hatte keinen lebenswillen mehr und suizid wurde immer mehr ein ziel für mich. ich war dann lange zeit in der psychiatrie um einiges aufzuarbeiten. danach war ich anderthalb jahre in ambulanter therapie. dort habe ich mich neu kennengelernt, wurde mir meiner stärke bewußt. das ergab dann für mich sinn. diese überstandene zeit stärkte meinen glauben an mich selbst. und ich fing an, anderen menschen mit ähnlichen schicksalen helfen zu können. das war ein schönes gefühl. dann vor drei jahren schlug das schicksal zweifach zu. gleichzeitig erkrankte meine mami an krebs und bei meiner tochter wurde ein hirntumor entdeckt. das war sehr hart. ich begleitete beide so gut ich konnte. manchmal zerriss es mich schier. meine tochter hatte unzählig viele ops und die letzte war die entscheidenste. ich wußte nicht, ob und wie ich mein kind aus dem op wieder sehen würde. kurzfassung: sie überlebte die operation, hatte währenddessen drei schlaganfälle, lag lange auf intensiv. danach folgte reha, denn sie mußte z.b. wieder das laufen lernen. bis heute hat sie noch beeinträchtigungen, ist momentan wieder auf reha. aber sie lebt und kann wieder ein stückweit am leben teilnehmen. meine mutter starb letztes jahr im oktober, ebenfalls im hospiz. ich habe sie 12 tage und nächte begleitet, bis sie dann für immer gegangen ist. auch ich habe immer wieder nach dem sinn gefragt und ich bekam auch meine antwort: durch meine viele erfahrungen in verschiedene lebensbereiche kann ich anderen menschen helfen. und das durfte ich oft erleben... es ist ein geschenk für mich. ich bin mittlerweile in mehreren bereichen tätig: sterbe- und trauerbegleitung, krankenhausbesuchsdienst und familienbegleiterin. all das könnt ich kaum machen, hätte ich nicht diese schlimme zeiten erlebt. ich kann mich sehr gut in die hilfesuchenden menschen reinversetzen und darf ihnen was geben. und oft nehm auch ich aus diesen begegnungen was mit. ich möchte dir mut zusprechen... sei dankbar für die schöne zeit, die du und deine frau hattet.. für eure begegnung und dem gemeinsamen weg, den ihr hattet. ihre begleitung auf deinem weg ist nun beendet, aber dein weg geht weiter. und unsere lieben da oben wollen das auch so. lieber hermann, ich wünsch dir von herzen alles erdenklich gute und daß du wieder fuß auf deinem weg fassen kannst. liebe grüße von tine
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MISS YOU MAMA 24.02.1944-15.10.2012 |
#6
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Zitat:
Die Frage nach dem Sinn ist eine sehr rationale, typisch männlich. Frau hätte sich gefragt: "hat er / sie meine Liebe überhaupt noch wahrnehmen können" - emotionaler. Womit man keinem der beiden Geschlechter Gefühlskälte oder emotionales Chaos mit Selbstaufgabe unterstellen kann. Aber, ich bezweifle sehr, dass die Begleitung von Hermann durch seine Frau beendet ist. Wie ich lese, ist sie weiterhin bei ihm und beschäftigt ihn. Seine Eingangsfrage nach dem Sinn stellt er aus Sicht seiner Frau, ob "ein Leiden für sie Sinn gemacht habe". Somit ist sie weiterhin bei ihm. Das kann nicht zur Frage führen, ob sein weiteres Leben Sinn mache. Natürlich macht es Sinn, sonst wäre er im Tod vielleicht wirklich allein. Das sich da "oben" alles wieder vereine ... ist nicht erwiesen. Dass Du aber hier im Sinne von Verstorbenen fühlen/denken/handeln kannst und sie in Deinen Alltag einbeziehst, kennst Du vielleicht selbst. Geändert von a_nna (14.12.2013 um 12:47 Uhr) |
#7
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Zitat:
a nna das ist m. E. auch nur Spekulation, bei mir trifft diese Aussage nicht zu. Er "hat meine Liebe wahrnehmen können", dass habe ich gespürt und darüber würde ich auch nicht spekulieren. Es kommt ja darauf an, wie gut sich die beiden Partner auch vorher nonverbal verstanden haben. Zitat:
Beste Grüße Geske |
#8
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo an Alle,
vielen Dank für Eure Beiträge. Die Frage nach dem Sinn ist für mich nicht primär rational. Es gab in diesem Jahr Zeiten, da wollte meine Frau aufgeben und sich töten, einmal bat sie mich sogar, sie zu töten. Dann gab es wieder Zeiten, da wollte sie nicht sterben, sondern kämpfen. Das aber war sinnlos. Sie sagte dann auch, sie wolle leben, aber nicht unter diesen Bedingungen. Ich würde nach diesen Erfahrungen nicht mehr kämpfen. In einem anderen Beitrag habe ich von Lebensmüdigkeit gesprochen. Ich will mich nicht umbringen, aber es ist auch nicht so, dass ich unbedingt alt werden will. mit besten Grüßen Hermann |
#9
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
@ Geske
Trotzdem ist ja die Kommunikation zwischen Partnern in einer solchen Ausnahmesituation (gegen die Zeit, gegen Wirkungen der Krankheit, Medikamente und Therapie sowie Angst) schwerer als sonst. Zum Set der Angebote in onkologischen Abteilungen gehört inzwischen die Ehe-/Partnerberatung genauso wie die Sozial- und Ernährungsberatung. Mir hat nach der Reise zum Regenbogen eine Beraterin erläutert, die Trennungsquote in ihrem Beritt betrage um 64 % nach der Diagnose. Ungefähr die Hälfte durch die Erkrankten selbst, die sich zurückzögen aus Scham, Angst vor Veränderungen durch OP / Chemo usw.; und dem Wunsch, Niemandem zur Last fallen zu wollen. Man könne keinesfalls sagen, da habe vorher schon etwas nicht gestimmt. Es sei ein Rätsel, weshalb die Kommunikationsmuster so auseinanderfielen. Männer als Erkrankte wollten für sich sein und legten sehr Wert auf Struktur ohne Störungen. Frauen betonten mehr die emotionalen Aspekte und erhebliche Angst vor Veränderungen, die von aussen sichtbar seien. ("Haarausfall", Gewichtsabnahme usw.) Ich denke mir, es kommt ganz wesentlich auf diesen kleinen Moment, in dem eine Diagnose überbracht wird, und die (spontane) Vereinbarung beider Partner miteinander an ("der deal"). Da kommunizieren beide sehr direkt über Ein und Dasselbe. Später in der Trauerphase kommt es nach meiner Erfahrung - auch das Forum ist voll von Schilderungen - zu ganz anderen Auffassungen zu der Kernfrage, ob die Verbindung zu einem Partner abrupt abgerissen ist, oder ob sie noch weiter besteht. Und da bleibe ich bei, dass Männer anders als Frauen verarbeiten und trauern. Das ist auch eine Frage der Reife, insbesondere in welchem Lebensalter Tod und Trauer eintritt. Was nutzen mir nach dem Tod die gemeinsamen Erlebnisse durch dick und dünn ... ausser dem vagen Gefühl einer zukünftigen Soloveranstaltung. Ich will nicht ergeben "dankbar sein" ... etwa für den Tod ? Gefolgt von einer Erklärung der "Erlösung" ? Im nächsten Schritt sprechen wir dann aufbäumend von "Gerechtigkeit" um uns darüber hinweg zu trösten, "das Liebe nicht ewig währt" ? Es ist doch aber das überwiegende Bestreben der Trauer, ganz persönlich festzuhalten und die Liebe (weiterhin) zu leben. Wenn denn "die Begleitung durch den/die Vorstorbenen auf dem gemeinsamen Weg beendet ist" - stünden Hinterbliebene abrupt noch ein zweites Mal ganz allein. Das ist so, als wenn man Jemandem die Pistole reicht, damit er sich erschiessen kann. Ich möchte da keinen situativen Sadismus unterstellen. Darum ziehe ich mich auf die Geschlechterrolle zurück und erkläre mir die Haltung durch einfach gänzlich unterschiedliche Trauermuster. @ hermann > In einem anderen Beitrag habe ich von Lebensmüdigkeit gesprochen. ich las Deine "Bilanz" und danach diesen Beitrag als thematische Fortsetzung. Im ersten Beitrag äussertest Du, Deine Angehörigen lebten bereits ihr Leben und Du seiest quasi "über". Danach hier die Sinnfrage nach Deinem weiteren Überleben. "Schön, und jetzt mal ganz ruhig nochmal durchlesen", dachte ich. Du weisst schon, was Du damit - auch Dir - antust ? Auch hier bleibe ich dabei, Du kannst Euch beiden nur helfen, wenn Du bleibst und Eure Verbindung weiter lebst. In Deiner Bilanz fehlt ein ganz wesentlicher Teil. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du so ganz gefühllos durch Deine Angehörigen verabschiedet würdest. Du hast glaube ich eine Tochter (?). Vieles Unterschwellige habe ich erst nach dem Tod kennen gelernt. Allein damit zu stehen, Kinder und Restfamilie, die sich der Teilnahme an Beerdigung und Gottesdienst verweigert, dazwischen vor der Tür zu stehen im Glauben, die Wohnung durchsuchen und ausräumen zu können. Dann die persönliche Habe auf der Straße vor dem Haus wieder zu finden, die "wertvollen" Dinge natürlich mitgenommen. Wie die Wölfe. Denen habe ich aber auch zu verdanken, dass ich durch ihr Verhalten Trauer als "offenen Prozess" :-)) erlebt habe und gar nicht zur Ruhe kam, um zu grübeln. Aber da gibt es am Rand noch einen Angehörigen, der uns sehr nahe steht, sich zurückgehalten hat und von dem ich weiss, dass es ihn sehr mitgenommen hat. Obwohl wir noch keine Gelegenheit für ein Gespräch hatten. Im Verhältnis 7:1 ist mir dieser eine Angehörige auch für meine Frau mehr Wert, als die 7. Die Hoffnung stirbt zuletzt und ich weiss, es wird zu einem Gespräch kommen, auf das ich mich bis dahin vorbereite. Die Frage der begleiteten Sterbehilfe haben wir auch durch. Und ich weiss noch jedes Wort von ihr und jeden meiner Gedanken, sie davon abzubringen und mich nicht zu zwingen. Sinngemäss sagte ich damals, was dies für uns und mich zu bedeuten habe, wenn es uns nur wie bisher im Verbund gäbe. Wer sich um den Jüngsten kümmern solle. Und warum sie dieses Thema jetzt aufbrächte. Wir hatten gerade von den Onkologen die Nachricht, auf Grund der Blutwerte sei sie in gut 4 Wochen ausgeheilt.Der Turmor sei erheblich zurück gegangen, ggfs. müsse man eine Strahlentherapie zur Nachsorge überlegen. Ja, Achterbahn - fahren haben wir gelernt. Aber auch, dass wir nicht allein sind und dass es wertvolle Menschen gibt, die manchmal eben nicht in der ersten Reihe stehen. |
#10
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo,
ich habe nicht den Eindruck, das ich "über" bin. Das wäre bitter und so empfinde ich nicht gegenüber der Familie. Es ist die Tochter meiner Frau und ihre Familie. Wir sind zwar nicht verwandt, aber nach 15 Jahren Ehe sind die Tochter, Schwiegersohn und Enkelkinder mit auch sehr wichtig. Die Tochter lebt mit ihrer Familie im Ausland und deshalb musste ich meine Frau bis kurz vor ihrem Tod fast alleine betreuen. Dafür sind sie mir auch dankbar. Ich meine, dass ich mich wie ein alter Mann fühle, dessen Lebensabend begonnen hat bzw. bald beginnt. Drei Viertel meines Lebens sind vorbei. Vielleicht bleiben auch viel weniger. Meine Frau war ja vor 4,5 Jahren auch noch scheinbar gesund. Welchen Sinn hat nun diese Restlaufzeit. Ich sage nicht, dass es diesen Sinn nicht gibt, ich habe ihn aber nicht gefunden. Vielleicht trauern Männer anders. Statistiker heben festgestellt, dass es das Phänomen des "Nachsterbens" bei Witwern gibt, bei Witwen sich aber statistisch nicht nachweisen lässt. Gemeint ist eine geringere Lebenserwartung von Witwern im Vergleich zu verheirateten Männern. Das weiß ich, weil ich mich beruflich damit beschäftigt habe. mit besten Grüßen Hermann Geändert von hermannJohann (14.12.2013 um 22:19 Uhr) |
#11
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo Hermann,
man muss bei diesen Studienergebnissen bzgl. des Nachsterbens aber auch berücksichtigen, dass Männer häufig alleine nicht "lebensfähig" waren, v.a. in früheren Generationen. Viele waren nicht in der Lage, sich vernünftig zu versorgen, zu ernähren usw. Sie hatten nie gelernt, auf sich, ihre Kleidung, ihre Ernährung selbständig zu achten. Somit setzte häufig mit dem Tod der Frau eine "hauswirtschaftliche Hilflosigkeit" und dadurch eine gewisse Verwahrlosung ein. Ich denke, ein junggebliebener Sechziger, der seine Frau gepflegt hat, fällt nicht darunter. Noch eine persönliche Anmerkung: Auch ich kämpfe täglich darum, in meinem Leben Sinn zu finden, irgendwie oben zu bleiben. Deine Gedanken kann ich also sehr gut nachvollziehen. Dennoch: Auch meine Kinder haben einen Stiefopa, den sie sehr lieben und der für sie und ihr Heranwachsen wichtig ist. Für sie wäre es furchtbar, wenn sie Oma UND dann auch Opa nicht mehr hätten. Ich würde mir also sehr wünschen, dass mein Stiefvater für seine Enkel weitermachen würde, in ihrer Begleitung einen Lebenssinn sähe. Alles Gute für dich Simi |
#12
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Lieber Hermann, der Sinn im Leben...? Hast du ihn mit deiner Frau verloren, also war er vorher durch sie da? oder ist er durch die große Trauer überdeckt worden, also die Trauer ist so groß, dass es im Moment keine Freude am Leben geben kann?
Für jeden ist der Sinn so einzigartig. Ich denke schon lange, dass das leben keinen Sinn hat, sondern dass das leben selbst der Sinn ist. Das Leben ist ein Geschenk, weil es einzigartig ist, lebendig zu sein und die Schöpfung erleben zu dürfen, am ehesten spürbar in der Natur. Ich wünsche dir, dass du dir zeit lassen kannst. Zeit für Schmerz und Trauer, und dass dann langsam die Freude am lebendig sein durch kleine Ritzen wieder in dein Leben kriecht. ch glaube, dass für uns alle der Dezember am schwierigsten ist. Das trübe Wetter, die viele Dunkelheit, die Adventszeit, Weihnachten, Silvester, Neujahr, das ist ja ein Trauermarathon, der mir selbst auch gerade viel Angst macht und mich viel Kraft kostet. Aber ab dem 21.12. wird jede Nacht wieder kürzer, und im Januar werden wir das dann auch sehen und empfinden können, das Licht kehrt zurück. Ich wünsche dir alles Gute Elisa |
#13
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo A_nna,
die Zahlen, die diese Frau genannt hat, sind erschreckend. Danach geht mehr als die Hälfte aller Beziehungen kaputt, ein eine oder einer Krebs bekommt. Aus eigenem Erleben weiß ich, dass diese Zeit für den Partner sehr hart ist. Häufig stößt man an seine Grenzen. Negative Gefühle, die die Kranke hat, wirken sich manchmal auch auf die Ehe aus. Ähnliche Erfahrungen haben ja auch einige gemacht, die hier im Forum schreiben. Trotzdem wäre für mich Trennung in diesen 14 Monaten niemals in Frage gekommen.Aber ich muss auch sagen,dass unsere Beziehung auch in dieser Zeit meistens liebevoll war. Männer trauern anders, wenn sie trauern. Es gibt auch Männer, die sich gut ablenken können. Nach dem Männerbild meiner Frau musste der Mann stark sein, weinen passte nicht in dieses Bild. Aber nicht nur meine Frau hat so gedacht. Als mein Vater starb und ich manchmal weinte, konnten viele Frauen (etwa aus der Nachbarschaft) nicht ab. Während dieser 14 Monate mir meiner kranken Frau durfte ich weinen. Kurz nach ihrem Tod funktioniert die Gefühls-Kontrolle wieder besser. Weinen und traurig sein kann man auch alleine. mit besten Grüße Hermann |
#14
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo Simi,
auch wenn ich zur Zeit eher müde bin, werde ich wohl nicht Morgen sterben, so dass ich für die beiden Enkelinnen noch da sein kann. Die ältere ist 16, die jüngere 15 Jahre. mit besten Grüßen Hermann Liebe Elisa, der Sinn ergibt sich zum einen aus Lebenszielen und die sind zeitlich begrenzt. Ein Ziel war, für die Altersvorsorge meiner Frau zu sparen. Meist überlebt ja die Frau den Mann. Sie sagte, es wäre besser gewesen, das Geld zu verbrauchen. Man lebt in diesem Sicherheitsdenken, so als ob man mit 80 noch viel Geld ausgeben will. Das ist Unsinn. Es gab private Ziele, zum Beispiel mit meiner Frau zeitweise im Ausland leben, zeitweise in Deutschland. Es gibt noch berufliche Ziele, aber die sind zeitlich begrenzt und ich weiß nicht, ob sie realisierbar sind. Zum anderen ergibt sich der Sinn aus dem Gefühl, ein gutes Leben geführt zu haben. Das heißt nicht: "Gib Gas ich will Spaß". Aber was es konkret für mich heißt, weiß ich noch nicht. Am Ende blickt man zurück auf sein Leben, meine Frau hat das auch getan. Liebe Grüße Hermann |
#15
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Zitat:
... die Wahl zwischen Verhungern oder Verloddern. Und die Fenster sind auch nicht geputzt ! Um zwischendurch vielleicht ein kleines Lächeln hervorzuzaubern. Dieser Satz ist meines Erachtens bedenkenswert: Zitat:
Vor dem Tod meiner Frau haben wir einen Deal geschlossen: Für den schlimmsten Fall sei es meine Aufgabe, mich um die Kinder, insbesondere die Jüngsten, zu kümmern. Keinen "Quatsch" zu machen. Sie erwarteten, dass wenigstens ich noch da sei und "uns" fortsetzen werde, wie auch, ihnen bei Fragen zu helfen, sie durch die Schule an den eigenständigen Start zu treiben. Trotz fortgeschrittenem Alter und anderen Interessen Deiner Enkelinnen erleben sie Dich und die Entwicklung nach dem Tod ihrer Großmutter aktiv. Aus eigenem Erleben weiss ich, mit welchen Fragen ich mich nach dem Tod meiner Großmütter und meines Vaters herumgeschlagen habe. Damals war ich 12 und 13 bzw. 27 und hatte keinen Großvater und auch sonst Niemanden, der mir erklären konnte, wie es denn nun weiter geht und was ich dafür tun kann. Ich habe dem Tod nie verziehen, was er mit meinen Leuten gemacht hat. Schon weil ich keine Erklärung dafür hatte. Nach dem Tod meiner Frau Ende letzten Jahres wollte / konnte das jüngste Kind (12) nicht realisieren, dass sie keine Englisch- und Französischvokabeln mehr gemeinsam lernen konnten. Das war für beide wichtig und die erste zaghafte Frage, ob und wie es weitergehe. Da zu sein und zu bleiben ... zu zeigen, dass es garantiert weitergeht, dass man auch die härteste Krise bewältigen kann, sich nicht selbst beschädigt und nicht einknickt ... ist eine wichtige Aufgabe und ein Sinn gegenüber den Menschen, die Euch nahe stehen und Euch mögen. Gerade Teens und Twens lernen den Umgang mit Leben, wozu auch Verlust und Tod gehören. Wie sollen die mit ihren Verlusten im Verlauf eines Lebens umgehen und leben können, wenn es nicht Jemanden gibt, der ihnen vorleben und sie auch etwas "leiten" kann ? Das ist eine fürsorgliche Aufgabe eines Erwachsenen. Bestimmt auch der Eltern. Aber die können nicht Deinen Teil übernehmen. |
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