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Forum für Angehörige UND Betroffene
Hallo allerseits!
Je länger ich hier mitlese, umso mehr wird mir bewusst, dass ich eigentlich alles gleichzeitig bin : Angehörige, Hinterbliebene und ein bisschen auch Betroffene. Mein Sohn war nämlich noch so klein, dass er weder den Sinn und Zweck von irgendwelchen medizinischen Dioagnosen und Massnahmen erfassen konnte, geschweige denn eine Entscheidung treffen - nur zu leben hat er sich immer wieder entschieden, wenn ihn die Chemo oder eine Shunt-Dysfunktion mal wieder an den Abgrund gebracht hat. Ergo lag es an uns Eltern, speziell an mir als Mutter, mich mit dem Fachthema auseinanderzusetzen, mühsamst Infos zu suchen ( ich hatte da noch kein Internet und die Suche nach Pineoblastom ist auch nicht sehr ergiebig :-/ Ich war immer mit ihm im Spital, ich habe alle Pflegemassnahmen daheim gemacht ( Sondenpflege, Spritzen und der ganze Wust an Medikamenten - das kennt ihr wohl auch....) Das ging irgendwo über das "Angehörigenstadium" hinaus, denn mich hat seine Erkrankung sicher mehr beschäftigt als ihn - er hat das einfach ganz gelassen und würdevoll ertragen ...) Gleichzeitig war ich aber Angehörige - machte mir Sorgen, kämpfte mit meiner gefühlten Hilflosigkeit, mit meinen eigenen Ängsten und Wünschen - und mir war öfter danach, einfach wegzulaufen vor Erschöpfung. Dann habe ich David angesehen und ich habe mich nicht mehr getraut.....ich war dann so beschämt ob dieser Kämpfernatur. Und trotz dem, dass ich hundertfünfzigprozentig für David da war - ich hatte ja noch zwei andere Kinder, einen Haushalt, eine Ehe - und die Entlastung war eher marginal, die wir bekamen. Und dann war ich irgendwann "Hinterbliebene" - ich mag dieses Wort irgendwie nicht. Es hört sich so kalt und technisch an - und vor allem hört es sich an, als sei David nicht mehr bei mir..... Doch in meiner Seele, in meinem Herzen, in meiner Persönlichkeit, da ist er und wird immer bleiben. Ich habe auch hier wieder den Satz gelesen "Es muss das Schlimmste sein, ein Kind zu verlieren". Für mich, für uns stimmt das so nicht. Es war für mich immer viel schlimmer, David zu sehen, wenn er von der Hammer-Chemo gequält und vom Hirndruck geplagt, apathisch dalag und keine Berührung mehr ertragen hat, nicht mal mehr ein tröstendes Streicheln - und ich ihm einfach nicht helfen konnte. Wenn mich meine Hilflosigkeit fast erdrückt hat. Wenn mein Kind gellitten hat und ich nichts tun kann. Das hat mich fast zerrissen. Seinen Tod konnte ich ertragen, dabei musste er nicht leiden und er muss es jetzt nicht mehr. Wer bin ich denn, dass ich mich darüber beklagen wollte... Nicht ich hatte diesen Tumor im Kopf, der ins Stammhirn wuchs.... Und ich glaube hierin liegt ein Kernpunkt in der Begleitung von Menschen, die sich mit dem Feind Krebs und damit auch dem Gedanken an eine Unheilbarkeit auseinandersetzen müssen : Ich muss differenzieren zwischen meinen eigenen Ängsten und Bedürfnissen und denjenigen des Betroffenen.... ...und das ist schwierig, weil man sich ganz schön hart ran nehmen muss, um auf diese Suche zu gehen. Es klingt so einfach, wenn ich heute sagen kann, dass wir uns für Lebensqualität bei David entschieden haben und keine Experimente mehr machten - aber es war ein harter Weg dorthin. Denn eigentlich wünschte man sich doch verzweifelt, jede noch so kleine Chance zu nutzen, den anderen nicht zu verlieren. Dieses Annehmen der Situation und den Willen und das Schicksal des Betroffenen über die eigenen Bedürfnisse zu stellen ist nicht leicht - aber man wächst daran und auch hinein. Dieses Posting sehe ich als ganz grosse Chance, diese zarte Grenze auszuloten. Liebe Grüsse Euch allen, Jacqueline Geändert von gitti2002 (22.11.2017 um 00:47 Uhr) |
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