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Alt 18.03.2005, 13:56
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Standard Klatskin

Hallo zusammen!

Für mich und meine Familie ist im August letzten Jahres eine Welt zusammengebrochen, als mein Vater von einem Tag auf den anderen an Klatskin erkrankte. Er kam damals mit Verdacht auf "ganz harmlose Gallensteine" ins Krankenhaus, die Symptome waren ein schmerzloser Ikterus sowie Entfärbung des Stuhls und Urins. Eben die Symptome, die man bei Gallensteinen hat... Als man diese vermeintlichen Gallensteine jedoch zertrümmern wollte und sie nicht fand, machte man weitere Untersuchungen, entnahm eine Gewebeprobe und zum Schluss stand die Diagnose fest: Tumor im Gallengang, bösartig! Über eine ERC wurde meinem Vater noch ein Stent gelegt, um den Galleabfluss wieder herzustellen. Es ging ihm zu diesem Zeitpunkt prächtig: Er hatte Appetit und war fitter denn je!

Mein Vater wurde noch im Krankenhaus für eine Operation an der Uniklinik Heidelberg (Prof. Büchele) vorgeschlagen. Am 9. September 2004 brachen wir nach Heidelberg auf, ohne zu wissen, dass das Schicksal längst seinen Lauf genommen hatte! Gleich am darauffolgenden Tag wurde mein Vater operiert. Eine neunstündige Operation, angeblich auf höchstem chirurgischem Niveau. Bei der Operation wurden meinem Vater 80% der Leber entfernt sowie ein Stück des Magens, des Darms und des Zwölffingerdarms. Angeblich hatte man den Tumor, der sich schon sehr weit ausgebreitet hatte, vollständig entfernen können. Zwölf Tage nach der Operation, als niemand mehr damit rechnete und mein Vater von der Überwachungs- auf die Normalstation verlegt werden sollte, kam es zu Komplikationen. Man sagte uns, es müsse nochmals operiert werden, weil wohl der Darm sich verdreht hätte. Kein Grund zur Panik, hieß es! Die OP brachte jedoch eine Bauchfellentzündung zutage und ab diesem Zeitpunkt kam mein Vater auf die Intensivstation, wo ihm nichts aber auch gar nichts erspart blieb und unser aller Albtraum begann! Mein Vater musste zunächst künstlich beatmet werden, hatte mehrere Drainagen am Körper, durch die man versuchte, die Entzündung rauszuspülen und wurde durch die Magensonde ernährt. Überall waren Schläuche und Apparate. Später kam noch ein Luftröhrenschnitt hinzu, um von der künstlichen Beatmung wegzukommen. Mal schien es besser zu werden und dann wurde es wieder schlechter, ein Auf und Ab. Wenn wir einen Schritt nach vorne machten, dann machten wir garantiert wieder zwei zurück. Es war die pure Verzweiflung und Ohnmacht.

Es ist schwer in der heutigen Zeit und bei den Methoden, über die die Medizin heute verfügt, von Ärzten zu hören: "Wir wissen nicht, was als nächstes passiert. Wir sind hier an unsere Grenzen gelangt!" Ich konnte es nicht verstehen, dass sie uns so etwas sagten und doch habe ich bei meinen damaligen Recherchen um die Krankheit meines Vaters auch gelesen, dass Bauchfellentzündungen nach wie vor die große Herausforderung der Intensivmedizin sind und dass jeder zweite Patient daran stirbt.

Auf jeden Fall waren wir zwei Monate lang tagtäglich auf der Intensivstation, haben gebangt und gebetet und waren so verzweifelt. Ich habe mich noch nie so verzweifelt in meinem Leben gefühlt. Und fast täglich kam ein neuer Hammer dazu. Mal hieß es, mein Vater hätte eine Lungenentzündung oder Wasser in der Lunge, dann hohe Entzündungswerte oder die Nieren hätten versagt und er müsse an die Dialyse, und schließlich war da noch ein Stück im Darm, das nicht richtig durchblutet wurde. Es war von A bis Z alles drin, die ganze Palette. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass mein Vater durch den Luftröhrenschnitt nicht in der Lage war zu sprechen, uns seine Gedanken und Ängste mitzuteilen (wenn er bei Bewusstsein war!).

Eines Tages warteten die Götter in weiß schon auf uns, um uns mitzuteilen, sie müssten wieder operieren. Zum dritten Mal! Weil die Entzündungswerte wieder hochgegangen seien und der Darm Schwierigkeiten mache. Wir fragten uns: Wieviele Operationen dieser Art kann ein Mensch überleben? Wir wollten zu dieser OP nicht einwilligen, aber was macht man als hilfloser Laie, wenn einem von den Chirurgen die Pistole auf die Brust gesetzt wird und es heißt: "Sie wissen ja, es geht hier um die Wurst!" Wir haben schließlich eingewilligt und mit dem Schlimmsten gerechnet, aber auch gehofft ohne Ende, wie wir es während all der Monate getan haben!
Was diese OP bewirkt haben soll, kann ich nicht sagen. Ich glaube, sie hat alles noch viel schlimmer gemacht und meinen Vater nur noch mehr geschwächt. Ein Wunder, dass er sie überhaupt überlebt hat. Meiner Meinung nach hatten es hier die Ärzte auch mit der Angst zu tun bekommen gehabt, weil wie sie uns sagten aus einer Drainage Flüssigkeit herauskam, die sehr verdächtig nach Stuhlgang aussah und sie eine weitere Infektion befürchten mussten.

Ich weiß, die Ärzte in Heidelberg haben auch ihr Bestes getan und dennoch behaupte ich, dass sie vieles hätten anders machen oder entscheiden können. Aber wer weiß das schon alles im Voraus? Es kamen halt viel zu viele Faktoren zusammen, die zu händeln sehr schwierig waren.

Jedenfalls ist mein Vater am 26. Oktober 2004 an Multiorganversagen gestorben! Wie makaber, er ist nicht einmal an seiner Grundkrankheit - dem Krebs - gestorben, sondern an den Folgen der OP!

Wenn ich manchmal an diese ganze Krankheitsgeschichte zurückdenke, dann denke ich: Da muss doch in dieser verdammten Uniklinik in Heidelberg irgendetwas schief gelaufen sein. Das kann doch alles gar nicht sein. Doch selbst wenn es so war, wir werden es nie herausfinden und das ist o.k. so. Ist auch so schon alles schwer genug!
Ich habe irgendwie den Glauben an die Ärzte und die Medizin verloren, denn nichts von alledem, was sie uns sagten, ist eingetroffen. Und ich habe in den Augen meines Vaters gesehen, wie auch er den Glauben an die Ärzte verloren hatte. Er, der immer an sie geglaubt und ihnen vertraut hat!

Ich weiß nicht, ob ich denken soll, dass es vielleicht besser war, dass alles so gekommen ist. Denn wie wir wissen, sind selbst nach gelungener OP die Prognosen für diese Art von Krebs insgesamt sehr schlecht. Was ich bisher alles gelesen habe, kommt es garantiert wieder und dann (das hatte mir der Chirurg auch schon gesagt) hätte man ohnehin nichts mehr machen können. Die Heilungschancen nach einer gelungenen OP liegen bei nicht einmal 10% und das ist sehr wenig! Doch jeder, der von dieser schrecklichen Krankheit befallen wird, muss kämpfen und hoffen, zu diesen 10% zu gehören. Wir haben das auch gemacht, doch leider haben wir den Kampf verloren.
Vielleicht sollten wir es so sehen, dass meinem Vater einiges erspart worden ist, ich weiß es nicht.

Es war eine sehr harte Zeit. Mitansehen zu müssen, wie sehr unser lieber Vater litt und nicht helfen zu können! Ich habe lange im Büro gefehlt, war bis auf Weiteres beurlaubt. Mein Chef war sehr verständnisvoll. Und ich bin sehr froh, meinem Vater bis zu seiner letzten Stunde zur Seite gestanden zu haben.

Ich lese immer wieder in diesem Forum, hatte aber bisher nicht den Mut und die Kraft unsere Geschichte niederzuschreiben. Jetzt tue ich es, auch wenn ich mir dessen bewusst bin, wie schwer es für Klatskin-Betroffene sein muss, in diesem Forum die nackten Tatsachen zu lesen. Es ist hier aber auch schon zu Recht mehrmals darauf hingewiesen worden, dass es in den meisten Fällen keine Hoffnung auf Heilung gibt. Leider! Was auch klar wird, wenn man in diesem Forum liest, ist dass Klatskin unberechenbar ist und die Krankheit bei jedem anders verläuft. Wichtig ist zu kämpfen, egal wie aussichtslos der Kampf auch aussehen mag!

Ich wünsche allen Betroffenen und Angehörigen von Betroffenen den Mut und die Kraft, den Kampf aufzunehmen und bis zum Ende durchzustehen. Und vor allem wünsche ich Euch, dass Ihr Verwandte, Freunde und Bekannte habt, die Euch zur Seite stehen. Es ist schon komisch, dass da nur sehr wenige übrig bleiben, die mit dir die Sache durchstehen und sich auch mit ihr auseinandersetzen!

Liebe Grüße!
Lucia
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