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Alt 16.06.2006, 12:08
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
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Registriert seit: 09.02.2005
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Ich müsste soviel arbeiten heute, aber irgendwie läuft es mal wieder nicht rund. Meine Gedanken kreisen, der Kloß im Hals hat sich festgesetzt. Wann hab ich das letzte Mal geheult? Lange her, jedenfalls, befreiend, wenn, dann immer nur kurz, geschüttelt und weiter geht’s.

Heute schleicht es. Am Sonntag hat unser Ältester Geburtstag. Der zweite ohne seinen Vater, der dritte bereits im Ausnahmezustand. 22 wird er, wo ist die Zeit geblieben? 22 war ich, als ich ihn erwartet hatte. Da war die Welt noch in Ordnung, Micki hat unser Glück abgerundet, was waren wir stolz…

Ob es jemals aufhört an diesen Tagen? Fühlt sich jemals einer dieser Festtage ohne Claus wieder schön an?

Die verschiedenen Phasen der Trauer, dachte, wenn ich sie einmal alle durch habe, hört es auf. Aber auch das stimmt nicht. Zur Zeit habe ich wieder eine große Wut in mir, leider auch wieder sehr gegen meine Eltern gerichtet, habe es noch immer nicht verarbeitet, noch immer kein „Schwamm drüber“ Ich kann ihnen nicht verzeihen, es will mir nicht gelingen. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, sollte mehr Größe beweisen, weiß ja wirklich nicht, wie lange ich sie noch haben darf, und doch kriecht die Wut in mir hoch. Die Wut darüber, dass sie mich mein Leben lang daran erinnert haben, dass ich sie verlieren könnte, die Angst regelrecht geschürt, damit ich in der Spur laufe.

Saski hat ihr Abi bestanden, die mündliche Prüfung, eigentlich nur noch eine Pflichtübung, kann nichts mehr passieren, egal, ob sie überhaupt den Mund aufmacht an diesem Tag. Gestern waren wir bei meiner Mutter und kamen auf den bevorstehenden Abflug, gerade noch 2 Wochen und da war er schon wieder, dieser Satz meiner Mutter: „Du kommst aber doch hoffentlich noch vorher zu deiner Oma. Du weißt ja nicht, wie lange Du sie noch hast“

Hallo? Könnt ihr wenigstens unsere Kinder verschonen? Und da war sie auch wieder, meine Wut, von der ich dachte, ich hätte sie im Griff. Kennt ihr das, wenn es von unten hochkriecht bis in den Kopf – oje – Ich musste mich mehr als zusammennehmen und doch konnte ich es nicht unkommentiert lassen: Ja, Mama, ich weiß nicht, ob Du es vergessen hast, aber Saski weiß bei Gott, wie schnell es gehen kann, dass man einen geliebten Menschen verliert.“ Und gedacht hab ich noch: und wenn Ihr auch in 100 Jahren nicht verstehst, dass wir Claus lieben. Und du weißt nicht, wie sehr du mit diesen Worten noch zusätzlich meinen wunden Punkt triffst, mein Kind mindestens 4 Monate weg von zu Hause, und auch hier soviel Möglichkeiten, dass etwas passiert.

Ich weiß, dass ich unfair bin. Ich weiß, dass sie es nicht so meinen. Aber ich weiß auch, was sie mit mir angerichtet haben mit dieser Art, die Angst um sie am Leben zu halten. Ich hätte sie sowieso gehabt, aber sie hätte vielleicht mein Leben nicht so dominiert.
Tja, unfair, ja das Leben ist unfair. Und es wird bestimmt nicht fairer, nur, weil man wieder Licht am Ende des Tunnels sieht. Vielleicht sogar im Gegenteil, kommt immer auf den Blickwinkel des Betrachters an.

Unfair, ja das ist es. In jeder Hinsicht. Wann endlich werden z.B. die wirklichen Werte eines Menschen wichtig? Wann bekommt ein junger Mensch, der so viel Herzensbildung und Liebe in sich trägt, wie man sie bei den wenigsten findet, keine Steine mehr in den Weg gelegt, weil irgendwas anlässlich dafür ist, dass die Forderungen nicht so wirklich erfüllt werden. Welche Forderungen überhaupt? Mein Gott, ich könnte mich wieder reinsteigern. Überlegt mal, was in unserer Gesellschaft als wichtig angesehen wird. Noten in irgendwelchen Fächern, die einem liegen oder auch nicht. Und das andere? Zählt nicht! Obwohl doch nur die Menschlichkeit und Wärme anderen die Möglichkeit gibt, überhaupt zu überleben. in diese Richtung. Aufstehen, weitergehen. Du bist so eine Tolle, lass dich nicht fertig machen, ihr habt soviel geschafft, ihr habt soviel Liebe in euch, alles andere ist nicht wirklich wichtig, wenn es auch schwer sein mag. Ich glaub an dich!

Und auch heute wieder merke ich, wie gut es tut, Freunde zu haben. Wirkliche Freunde, die akzeptieren, dass ich etwas durch den Wind bin, die verstehen, dass ich zwar auf einem bestimmten Weg bin, im Zug sitze, der aus dem Trauerloch führt, und dennoch ständig wieder stolpere, immer wieder beginne, mich im Kreis zu drehen.

Komm her, geh weg… nein, bleib bitte da.

So, nun ist mir wieder leichter, Seelenmüll abgeladen bei euch. Danke fürs Zuhören. Jetzt geh ich wirklich noch ein wenig an meine Arbeit. Am Sonntag kommt meine Schwägerei und meine liebe Schwiemu ohne Anführungszeichen zum Kaffee. Ob mein Sohn bis dahin schon wach ist? Keine Ahnung, ist mir auch egal. Schließlich bin ich ja die Hauptperson an diesem Tag, das begreifen die Kidis nur nicht so wirklich.

Ich wünsche euch ein sonniges Wochenende, mit vielen Gründen, herzhaft zu lachen, mit Freunden an eurer Seite, wie ich sie zum Glück hier gefunden habe, @Seelenfreund/innen



LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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