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Alt 07.09.2007, 11:22
Christina T. Christina T. ist offline
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Registriert seit: 20.08.2007
Beiträge: 6
Beitrag Meine Mama ist doch erst 62 . . .

Hallo,
heute bin ich endlich dazu gekommen, mich zu registrieren.
Ich heiße Christina und bin 40 Jahre alt.
Anfangs möchte ich sagen, dass meine Mutter von mir rd. 600 km entfernt wohnt; mein Bruder wohnt ca. 750 km entfernt.
Am 08.12.2006 wurde meine Mutter von ihrem Diabetiker-Arzt (sie hat seit ca. 1 Jahr Altersdiabetes) umgehend ins Krankenhaus überwiesen, da sich bei ihr eine plötzliche Gelbsucht aufzeichnete. Nach diversen Untersuchungen stellte sich am 12.12.2006 heraus, dass meine Mutter Bauchspeicheldrüsenkrebs im Kopfbereich der Bauchspeicheldrüse hat.
Endlich, am 22.12.2006, wurde sie 8 Stunden operiert und lag danach 1 Woche auf der Intensivstation. Dort ging es ihr bereits gut. Sie lief die Gänge - zwar mit Hilfe, ist klar - rauf und runter und alle Schwestern und Ärzte waren begeistert, so kurz nach der OP.
Am 30.12.2006 wurde sie zurück auf die Normalstation verlegt. Wir alle waren froh, dass nun das schlimmste vorbei war und sie sich in Ruhe erholen kann! Weit gefehlt!!!
In der Nacht vom 30.12. zum 31.12.2006 fiel meine Mutter aus dem Bett (sie weiß selbst nicht, wier das passiert ist) und erbrach sich. Bis zum 31.12.2006 verschlechterte sich ihr Zustand dermaßen, dass sie Silvester wieder auf die Intensivstation verlegt wurde. Sie hatte Paranoia, erzählte wirres Zeug und niemand wußte, was mit ihr los war. Weiterhin stieg das Fieber von Stunde zu Stunde.
Silvester um 00.30 Uhr erhielten wir von meinem Stiefvater einen Anruf, dass es meiner Mutter nunmehr sehr schlecht geht und sie in ein künstliches Koma versetzt wurde. Am 01.01.2006 um 20.30 Uhr wurde sie notoperiert. Hierbei stellte sich heraus, dass ein Teil des Zwölffingerdarms abgestorben ist, so dass durch das Absterben eine Vergiftung des Körpers entstanden ist. Hierin begründen sich auch die wirren Zustände meiner Mutter, sie war nicht mehr bei sich.
Am Ende der Notoperation wurde der Bauch offen gelassen, da meine Mutter nunmehr jeden 2. Tag in den OP geschoben wurde. In den Bauch wurden Schwämme mit Schläuchen eingeführt; auf der anderen Seite befand sich ein Druckluftbehälter mit einer blauen Flüssigkeit (30 bar), die das Gift aus dem Bauch herauspumpen sollte.
Am 04.01.2007 bin ich - bedingt durch eine eigene Krankheit - nach Berlin gereist. Die Ärzte meinten, es sei jetzt wichtig, ihr vorzulesen, mit ihr zu sprechen, sie zu streicheln - weil niemand weiß, was Patienten im künstlichen Koma mitbekommen. Wir spielten ihr ihre Lieblingsmusik vor, ich las aus einem Buch, das sie immer anfangen wollte, aber nicht geschafft hat. Jeden 2. Tag das Herausfahren aus dem Zimmer, rein in den OP - wir alle waren mit den Nerven am Ende. Trotzdem waren wir jeden Tag von morgens bis abends bei ihr.
Am 16.01.2007 waren die Ärzte der Meinung, man könnte jetzt versuchen, meine Mutter aus dem Koma aufwachen zu lassen. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Ich kam frühmorgens - wie immer - in das Zimmer der Intensivstation ... und da saß meine Mutter aufrecht im Bett. Ich traute meinen Augen nicht. Ich beugte mich behutsam zu ihr herunter, wollte etwas sagen - doch meine Mutter kam mir zuvor: Sie formte mit ihren Lippen "Ich will nicht mehr! Sie hatte durch die Intubation keine Stimme mehr, sie konnte nicht richtig atmen. Daher wurde ihr eine Atemmaske aufgesetzt, die ihr dabei helfen sollte. Ich zog mich erstmal - auf Anraten der Ärzte - zurück, damit meine Mutter wieder langsam zu sich kommen konnte.
Um 14.00 Uhr sind wir zurück in ihr Zimmer gegangen - und waren geschockt: Meine Mutter und auch das komplette Bett waren patschnaß ... meine Mutter schüttelte immer wieder mit dem Kopf - sie wollte nicht mehr. Als die Schwestern sich zur Schicht ablösten, sah die neue Schwester meine Mutter, ging zum diensthabenden Arzt und sorgte dafür, dass meine Mutter wieder in ein künstliches Koma versetzt wurde, da meine Mutter einfach zu schwach war.
Meine Mutter lag insgesamt 8 lange Wochen im künstlichen Koma. 8 Wochen, in denen wir nicht wußten, ob sie es schaffen würde. Während dieser Zeit wurde sie 2 x reanimiert, weil ihr Herz aussetzte.
Ende Februar 2007 wurde sie - Stück für Stück - wieder aufgeweckt. Es ging zwar langsam mit der Genesung, aber jeden Tag ein bißchen besser. Sie konnte am Anfang nur ein kleines Stück vom Toastbrot mit Käse essen, dann war sie satt. Schokolade - die früher für sie alles war - wollte sie nicht mehr. Meine Tante brachte selbstgemachte Kartoffelpuffer mit - auch die mochte sie nicht.
Als das schlimmste überstanden und meine Mutter auch wieder ansprechbar war, stellte sich heraus, dass sie einen Krankenhaus-Keim in sich hatte, der einfach nicht verschwinden wollte. Wenn wir sie besuchten, dann nur dick eingepackt und auch nur mit Mundschutz. Der Keim hielt sich leider noch härtnäckige 4 Wochen, so dass die ca. Mitte März 2007 aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte.
Ca. 2 Wochen später zeigte sich bei meiner Mutter wieder ein Keim, diesmal in der Blase, so dass sie für 10 Tage wieder ins Krankenhaus mußte.
Im Anschluss kam die Reha. 3 Wochen. Meine Mutter wollte auch nicht länger, da sie endlich wieder nach Hause in ihre gewohnte Umgebung wollte. In der Reha ging es ihr gut. Sie machte Fortschritte beim Essen (Torte!!!) und mit dem Laufen klappte es auch ganz gut. Zwar mit Stock, aber immerhin. Meine Mutter war mit dieser Situation zufrieden.
Als sie Ende April 2007 wieder zu Hause war, wurden durch ihren Onkologen nochmals Untersuchungen durchgeführt, damit die Chemo durchgeführt werden konnte. Meine Mutter hatte Angst vor der Chemo - aber mein Stiefvater war während der ganzen Prozedur dabei. Meine Mutter hat insgesamt 4 Chemos bekommen bei ihrem Onkologen und nach den 4 Chemos sagte der Arzt: "So, jetzt keine Chemos mehr - die bringen bei ihnen nichts mehr!" Keine Begründung hierfür - gar nichts. Wir waren natürlich geschockt. Man muss allerdings auch sagen, dass es meiner Mutter während der Zeit der Chemos immer schlechter ging. Im Nachhinein erfuhren wir von der anderen Onkologen, dass der erste Onkologe Probleme hat, Patienten die Wahrheit mitzuteilen - was für ein Hohn! Sie kannte diesen Arzt.
Also wollte sich mein Stiefvater von einer anderen Onkologín eine weitere Meinung einholen. Auch diese verweigerte eine weitere Chemo, da die Blutwerte besonders schlecht seien und meine Mutter an einer Blutarmut leide. Da wäre nichts mehr zu machen. Sie teilte meinem Stiefvater mit, dass sie nunmehr einen HomeCare-Arzt (Arzt zur Sterbegleitung im Endstadium Krebs) zu ihnen nach Hause schicken würde. Dieser Arzt kam allerdings erst nach 5 Anrufen seitens meines Stiefvaters. Meine Mutter bekommt nun täglich 9 Morphium-Tabletten. Als der HomeCare-Arzt da war, besprach er die Situation mit meinem Stiefvater und meiner Mutter. Der Arzt spricht gebrochen deutsch und mahnt meine Mutter dauernd an, sie solle lauter sprechen, er könne sie ja gar nicht verstehen. EINE FRECHHEIT!
Als mein Stiefvater diesem HomeCare-Arzt nebenbei mitteilte, dass er sich mit dem jetzigen Ergebnis nicht zufriedenstellen möchte und daher in Heidelberg eine weitere Meinung einholen möchte (ich sagte ihm aber von Anfang an, dass Heidelberg das Krankenhaus meiner Wahl gewesen wäre), sagte der HomeCare-Arzt, dass er unter diesen Umständen seine Tätigkeit bei meiner Mutter nicht fortführen könne, da die Krankenkasse sein Kommen nicht bezahlen würde, wenn man sich trotz HomeCare-Arzt noch eine andere Meinung einholt und sagte wörtlich: "Ich muss von Ihnen beiden hören, dass sie sich damit abgefunden haben, dass ihre Frau sterben wird." Dass mein Stiefvater ihn nicht am Schlawittchen gepackt und rausgeschmissen hat, war alles. ICH hätte es getan.
Die Ärzte in Heidelberg sind mittlerweise auch der Auffassung, dass meiner Mutter nichts mehr helfen kann, so dass wir uns nunmehr wohl mit dieser Diagnose abfinden müssen.
Seit 2 Wochen war der HomeCare-Arzt nun nicht mehr bei meiner Mutter. Sie kann nur mit Hilfe meines Stiefvaters langsam und behutsam laufen, am Tisch sitzen möchte sie aufgrund der dann kommenden Schmerzen nicht mehr. Sie liegt fast nur noch.
Niemand weiß, wie lange sie noch hat.
Ich bin 40 - und muss mit 62 meine Mama verlieren - damit komme ich nicht klar. Die Medizin hat doch heutzutage schon so viele Möglichkeiten - aber bei diesem Krebs gibt es einfach noch nichts . . .
Ich weiß - diese Zeilen machen anderen Patienten/Angehörigen keinen Mut - aber ich mußte mir das jetzt von der Seele schreiben.
Meine Mutter hat in all der Zeit gelitten - und das anzusehen - tut weh!
Liebe Grüße an alle . . .
Christina
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