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Alt 20.09.2009, 00:06
Lissi 2 Lissi 2 ist offline
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Registriert seit: 15.02.2008
Beiträge: 1.348
Standard AW: Es bleibt die Liebe

Mein geliebter Peter,

Nichts ist mehr wie es war seit dem Tag, dem 19.09.08 Ein Jahr ohne dich. Seit einem Jahr bin ich nun also alleine. Ich vermisse dich... du fehlst so sehr in diesem meinem Leben. Versuche zu leben, mit mir, mit der Trauer, der Seelenqual. Ein Jahr ohne Dich hier auf Erden... blicke zurück...viel ist passiert und doch wenig was wirklich haften blieb. Der Alltag klappt ganz gut, ich glaube da hattest du und ich auch nicht wirkliche Befürchtungen. Dein Vertrauen in meine Fähigkeiten haben mich bis hier und heute getragen, mir vieles leichter gemacht was ich mir schwerer vorgestellt habe. Nein die alltäglichen Aufgaben sind nicht wirklich mein Problem, hatte ich doch neun Monate Zeit zu üben. Ich weiß noch wie traurig und verzweifelt du warst das ich in dieser Krankheit alle deine Aufgaben mit übernehmen musste. Peter, das war gut so. Es war also kein Sprung ins kalte Wasser obwohl es immer noch ein großer Unterschied ist dich nicht mehr fragen, um Rat bitten zu können. Dieser Alltagskram ist es nicht was mir mein Leben so schwer macht...
Zwölf Monate ohne dich an meiner Seite... du fehlst wenn ich morgens erwache... du fehlst wenn ich aus dem Hause gehe, du fehlst wenn ich zurück kehre... du fehlst wenn ich esse... du fehlst wenn ich schlafen gehe... du fehlst Nachts wenn meine Hand dich sucht... du fehlst, du fehlst, du fehlst so sehr...
Zwölf Monate... wirklich schon so lange??? Die ersten drei Monate davon habe ich wie im Trance verbracht... so gut wie keine Erinnerungen daran... hier sind nicht nur Löcher in die ich immer wieder falle, da sind auch Löcher in meinem Kopf. Den 19.09. der ist fest verankert, er spielt sich immer und immer wieder in ruhelosen Stunden ab... jede Minute dieses Tages kenne ich in und auswendig... danach so viele schwarze Löcher...bis zum 18.01. siebzehn Wochen ohne dich... da kam der Zusammenbruch. Ja ich hatte es geahnt, nur nicht geahnt wie heftig dieser sein würde. Du hattest es auch geahnt, mir geschrieben das ich mir spätestens dann verdammt noch mal Hilfe holen soll, egal wie. Hab ich dann ja auch gemacht. Es folgten vier Monate mit Hilfe, die im Nachhinein betrachtet für mich keine war. Sieben Monate waren rum und ich war kein Stück weiter. Ich war( und bin es oft noch) so wütend auf mich selber, weil es mich so fertig macht, weil ich so oft nicht wusste und weiß, wie mein Versprechen, dass ich dir gegeben hatte, halten. Eines wurde mir nach diesen sieben Monaten klar, ich muss da durch, zur Not alleine, muss mich der Verzweiflung stellen, den Schmerz nicht bekämpfen sondern zulassen. Es schrieb ja schon Goethe an Schiller nach dem Tod seines Kindes: „man weiß in solchen Fällen nicht, ob man besser tut, sich dem Schmerz natürlich überlassen, oder sich durch Beihilfen, die uns die Kultur anbietet, zusammenzunehmen. Entschließt man sich zu dem letzten, wie ich es tue, so ist man dadurch nur für einen Augenblick gebessert, und ich habe bemerkt, dass die Natur durch andere Krisen immer wieder ihr Recht behauptet.“ Bittere Erkenntnis... aber es wird nicht anders gehen. Also fing ich wieder von vorne an... heule Rotz und Wasser wenn der Schmerz mich übermannt, gehört dazu, sag ich mir... nehme Auszeiten wenn die Seele nicht mehr kann und körperliche Signale sendet... gehört auch dazu, sag ich mir. Erkannte plötzlich wie viele Tabus es auf einmal in meinem Leben gab. Viele schöne, liebevolle Erinnerungen, nur nicht daran denken, ein und weg sperren, aus Angst sie zu verlieren und gerade sie werde ich doch später einmal dringend brauchen, jetzt aber ein Tabu! Bilder, Musik und Bücher, alles gemeinsam mit dir entdeckt und genossen, ein Tabu! Kleine und große Tabus! Ganz langsam kann ich an dem einen oder anderen Tabuthema kratzen, z.B. ab und an wieder bewusst Musik hören, unsere Musik. Oft wird mir bewusst wie sehr ich unsere kleinen Rituale brauchte und wie sehr auch sie mir fehlen. Ich würde ihnen gerne irgendwann wieder in meinem Leben einen Platz geben können, ohne in Tränen auszubrechen. Unser gemeinsames Leben begleitet mich überall. Du begleitest mich überall, aber du bist nicht da und fehlst so sehr... Frag mich immer wieder was würdest du mir raten... wie hast du mir in schlimmen Zeiten mit deinen Denkanstößen den Rücken gestärkt... ja und ich rede fast ständig mit dir, menno Göga, ich glaube fast ich bequatsche dich mehr als je. Ganz schlimm sind die einsamen Dialoge in der Nacht. Entsetzliche Sehnsucht nach dir und immer wieder: niemals wieder, niemals wieder... gemeinsam über den Tag reden, gemeinsam unterwegs sein, gemeinsam aufstehen, gemeinsam schlafen gehen. Niemals wieder morgens deine kleinen Botschaften am Badezimmerspiegel lesen, die du heimlich still und leise dort so oft für mich geschrieben, niemals wieder... gemeinsam lachen, gemeinsam weinen, gemeinsam stark sein, gemeinsam dem Leben Inhalt und Würze geben. Nie gemeinsam mit dir alt werden können... Peter dieser Gedanke alleine schon, der tut nicht gut.
Niemals wieder... gemeinsam... ach so eine endlose lange Liste könnte ich aufschreiben, ich lass es lieber. Du weißt es ja auch so...
Ein Jahr... vier Jahreszeiten ohne dich. Gut den Herbst und Winter hab ich nicht wirklich bewusst erlebt, so nahe nach deinem Gehen. Der Frühling, in dem ich soviel Hoffnung auf Besserung setzte, war grausam. Der Sommer nicht minder, besonders die lauen Abende, ich hab nicht einmal auf der Terrasse gesessen, sie ja noch nicht einmal ein und hergerichtet. Von ringsherum hörte man aus den Gärten leise Stimmen und Lachen. Nein es ging wirklich nicht, zumal dann noch unser Dicker die Reise ins Regenbogenland antrat. Meine Güte, auch dieser Schmerz ist so grausam, nur der Gedanke das ihr zwei nun zusammen seit macht ihn mir erträglicher. Nun wird es wieder Herbst und ich weiß nicht wirklich an welchem Punkt der Trauer ich stehe... weiß nur das du mir so sehr fehlst und weiß das es irgendwie weiter gehen muss. Dankbar bin ich dir für alles was du mir gegeben und was du für mich warst und immer bleiben wirst. Und in diesen Tagen ganz besonders dafür das du im Juli letzten Jahres deinen Dickschädel durchgesetzt hast und auf Ben bestanden hast. Meine Güte, wenn ich noch an diese Diskussionen denke die wir deswegen geführt haben. Ich konnte dich erst nicht verstehen, waren wir uns doch immer einig das wenn der Dicke mal nicht mehr sein würde, wir uns wieder ein Hund, aber kein Welpen, aus dem Tierheim holen würden, wenn überhaupt und nun in dieser so schweren Zeit wolltest du partout einen Welpen, diesen Welpen. Ich habe spät verstanden, nicht zu spät, aber erst später, als ich dich sah wie du mit ihm gekuschelt, mit ihm ganz viel geredet( ins Ohr geflüstert) hast. Du sahst dann so gelöst, zufrieden aus und wenn ich dich fragte was erzählst du ihm bloß ständig, dann hast du nur gelächelt und gesagt das sind Jungenssachen, nix für Mädels. Ja mein geliebter Peter, Ben deine neue Lebensaufgabe für mich, ich hab es verstanden. Und ich hoffe, nee ich weiß du bist stolz auf ihn, er macht seine Aufgabe gut, sehr gut, hält mich immer in Trapp und mich am Leben. Er ist sozusagen meine Lebensversicherung und diesen Vertrag hast du für mich abgeschlossen. Ja ich bin dir auch dafür dankbar, nicht jeden Tag, nicht jede Stunde, aber ich bemühe mich deinen Wunsch nicht aus den Augen zu verlieren.
Ja es wird nun wieder Herbst, der zweite ohne dich... wie ich ihn diesmal erleben werde weiß ich nicht... aber eines weiß ich, in all unseren gemeinsamen Jahren hast du jedes mir gegebene Versprechen gehalten... ich denke in diesen Tagen so oft an das letzte Versprechen von dir... gegeben am 18.09. während unsere letzten gemeinsame Autofahrt, auf dem Weg zur Palliativstadion. Du hast plötzlich angefangen bitterlich zu weinen, ich bin rechts ran weil ich dachte es geht dir schlimmer, hab dich gefragt... du hast meine Hände genommen und gefragt: wer wird auf dich nun aufpassen wenn ich ... ach menno Liebling hab ich dir geantwortet, darüber mach ich mir absolut keinen Kopf, deswegen musst du nicht weinen, weil ich weiß das du das auch weiter tun wirst, egal wo du bist und was passieren wird. Deinen Blick, glaube mir, ich werde ihn nie, niemals vergessen und dein Versprechen das du mir dann dort in diesem Augenblick gegeben, auch nicht, nie, niemals. Damals konnte ich fast mühelos stark sein für uns zwei, hab meine Angst und meine Tränen runter gewürgt, nein die solltest du nicht sehen, nichts davon sollte dir deinen Weg noch schwerer machen.

Heute der 19.09.09 ein Tag wie voriges Jahr, strahlend blauer Himmel, nein nicht ganz so wie voriges Jahr, heute kam keine schmale weiße, keine sanfte, leise Wolke...

Peter, ich liebe Dich in Zeit und Ewigkeit

Dein Engel Lissi
__________________
Wege entstehen dadurch,dass man sie geht.
Franz Kafka

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