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#1
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AW: Mein kleiner Bruder
Hallo Marco,
offenbar haben alle Trauernden, egal welchen Alters und woher sie auch immer kommen, immer wieder die gleichen Erlebnisse. Die Umwelt ist häufig entweder hilflos oder gleichgültig. Wenn ich gerade nicht sauer darüber bin, versuche ich den anderen zugute zu halten, dass es "nur" Hilflosigkeit ist. Leider habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass in so einer schweren Zeit sich manche vermeintliche Freunde richtig abwenden. Aber was soll man machen? Hilft uns der Groll irgendwie weiter? Ich versuche inzwischen, nicht mehr so wütend zu sein und lieber etwas nachsichtig. Es gibt auch Menschen von denen ich "mehr" erwartet hätte und die mich bitter enttäuscht haben und denen ich (noch?) nicht verzeihen kann, dass sie mich allein gelassen haben bzw. auch meinen Vater als er noch lebte. Mein Vater ist am 13.6.04 gestorben. Sogar gegenüber meinem Bruder und meiner Mutter kann ich nicht über meinen Vater reden, weil er in 2. Ehe verheiratet war uind beide dies nie akzeptieren konnten und es schon vor dem Tod meines Vaters zu Streit darum kam, wer zu wem hält und wer welche "Rechte" an ihm hätte.... Na egal, auf jeden Fall gehört es zu meinen bittersten Erfahrungen dass meine Familie sich in der schwersten Zeit so entzweit hat. Anstatt zusammen zu halten. Viele Themen die mich seitdem beschäftigen kann ich nur mit ganz wenigen Menschen überhaupt besprechen, kaum jemand will über Krankheit und Tod und Sterben hören, nicht mal über Grabpflege oder sowas... das ist das absolute Tabu, anscheinend.... wenn ich Freundinnen (?) erzähle was ich für Pflanzen für den Garten aussuche, dann hört jeder zu, aber wenn ich das gleiche übers Grab erzähle und was ich da plane dann ist betretenes Schweigen und keiner sagt mal wenigstens "oh das sieht bestimmt schön aus....". Aber ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich auch aufgrund meiner Erziehung immer grosse Probleme mit Friedhöfen hatte (es gab bei uns keine "Friedhofskultur", habe ich jetzt für mich selbst entdeckt), mit Tod und all dem. Wenn bei uns in der Familie jemand starb dann war der/die immer nur plötzlich weg, in meiner Kindheit wurde das immer ganz fern von uns gehalten. Wenn es dann später in der Nachbarschaft oder im Kollegenkreis einen Todesfall gab, war ich auch immer sehr unbeholfen und habe im Zweifel wohl auch die Flucht ergriffen. Es gibt offenbar nicht viele Menschen, die einen da begleiten wollen und können. Es gibt bestimmt Menschen, die das auch können OHNE so einen Verlust erlitten zu haben. Aber die meisten lernen es vielleicht erst wenn sie selbst betroffen sind, so wie ich. JETZT würde ich nicht mehr ausweichen. Aber das musste ich auch erst lernen. Also denke ich, darf ich mir nicht erlauben die anderen zu verurteilen, im Gegenteil denke ich oft beschämt an Situationen in denen ich so steif und unbeholfen weggekuckt habe. Bei einer ehemaligen Kollegin habe ich mich inzwischen deswegen entschuldigt. Aber damals konnte ich es offenbar nicht besser. Ich weiss nicht, ob Dir das jetzt irgendwie weiter hilft. Du stehst nicht allein da mit diesem Problem.... Natürlich kotzt es einen auch oft genug an (ich denke ich höre mich jetzt auch vesrtändnisvoller an als ich es oft empfinde), aber ich VERSUCHE es zu akzeptieren. In der ersten Zeit hat mir vor allem mein Therapeut enorm geholfen, weil ich bei dem alles immer und immer wieder loswerden konnte.... Wenn Du 1 oder 2 richtig gute Freunde hast, versuch doch noch mal es anzusprechen wie wichtig das für Dich ist... dass dein Bruder nicht vergessen ist, dass es wichtig ist über ihn zu reden und über die Trauer... vielleicht schafft es der eine oder andere ja doch, sich zu öffnen. Dieses Gedicht hat mir eine Freundin geschickt die auch trauert, weiss nicht von wem es ist, hat mir aber sehr gut gefallen. MEINE BEIDEN GESICHTER Geht es Dir gut, werde ich gefragt im Vorübergehen. Doch, gut, sage ich und zeige das passende Gesicht; mein gutgehendes Gesicht Mein anderes Gesicht verberge ich liebevoll unter meiner Kleidung. Zuhause ziehe ich mich aus. Dann darf es seine Trauer tragen ...................... Alles Gute Kerstin |
#2
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AW: Mein kleiner Bruder
Hallo
....ich vermisse ihn wahnsinnig . Zwar nicht im Alltag weil wir 800km auseinander gewohnt haben , er in München und ich im Norden .Wir telofonierten oft und haben uns auch gegenseitig besucht.Aber die letzte Woche habe ich im Krankenhaus verbracht . Kaum Schlaf , Angst und durch den Schlafentzug bekam ich auch schon Halluzinationen. Ihn so leiden zu sehen war das schlimmste was ich je erlebt habe.Einmal bin ich sogar durchgedreht im Krankenhaus habe tierisch geschrien und geweint .Mir kam das auf dieser Station alles so unwirklich vor wie auf einem anderen Planeten . Die Ärzte kamen mir da so weiß ich nicht, hilflos und machtlos vor . Die Gespräche die mein Bruderherz und ich da geführt haben werde ich den Rest meines Lebens nicht vergessen. Wir haben uns alles gesagt was man sich sagen kann.Er hat sogar gesagt das er mich liebt und ich ihn . Und das ist ja bei Brüdern eher selten .Nur über das Sterben haben wir nicht geredet . Ihm wurde es nicht gesagt das er sterben würde. Aber ich denke mal das er es mitbekommen hat weil eines Abends sagte er das er Angst habe einzuschlafen und nicht wieder aufzuwachen. Ich könnte schon wieder heulen . Ich schreibe ein anderes Mal weiter . bis denne Marco .....
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Irgendwann sehen wir uns wieder . Ich freue mich auf diesen Tag . Mein geliebter Bruder Tommy |
#3
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AW: Mein kleiner Bruder
@ Kerstin
....das Gedicht passt 100%
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Irgendwann sehen wir uns wieder . Ich freue mich auf diesen Tag . Mein geliebter Bruder Tommy |
#4
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AW: Mein kleiner Bruder
Ich kenne das auch und ärger mich da sehr drüber!
Mein Papa lebt zwar "erst" knapp 3 Monate nicht mehr, aber eigentlich war es da auch so - nach der Beerdigung war das Thema für alle erledigt.. Auch wenn ich nun ma sage na ja in letzter Zeit gehts mir nich so gut wegen Papa dann kommt immer nur was wodrüber ich mich noch mehr ärgern könnte.. Eigentlich sag ich es auch keinem, ich glaub keiner weiß wie es mir wirklich geht, aber das will wohl auch keiner wissen, sonst würde man ja mal gefragt werden oder? Es fragt nicht mal mehr jemand "wie gehts dir?" nicht mal um ein "gut" zu hören, es wird einfach nich gefragt. Eigentlich weiß jeder das ich da nich drüber red, weil ich ja so langsam weiß wie da alle mit umgehen.. Aber ich finde es schrecklich, klar ich weiß auch nich wie ich sein würde, wenn ich nicht "betroffende" wär.. Aber für mich ist da durch klar geworden, das ich nicht so sein möchte, wobei ich ehrlich gesagt auch nicht weiß ob ich so sein würde. Ich rechne es meiner einen Freundin aber sehr hoch an, das sie mir angeboten hat das nächstema mit auf den Friedhof zu kommen, als ich gesagt hab das es voll komisch für mich war und die hat auch gemerkt das es uns anders geht, als wir zeigen das es uns geht. Und irgendwie finde ich das Freunde für einen da sein sollten und auch wenn es ihnen schwer fällt darüber zu reden, man kann es doch nicht verdrängen, wollten wir mit dem Thema konfrontiert werden? Hat uns jemand gefragt? Warum können die dann nicht auch mal über ihren Schatten springen? |
#5
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AW: Mein kleiner Bruder
Lieber Marco,
da kann mich den anderen nur anschließen. Es gibt wirklich Menschen die einfach eine Hemmschwelle haben und diese auch nicht durchdringen können. Wobei es wohl nich´t so schwierig sein kann mal nach dem Befinden des Hinterbliebenden zu fragen. Mein Onkel ist auch so jemand, er kann es einfach nicht. Obwohl es hierbei um seine Schwester (meine Mama) geht die wir im Juli diesen Jahres verloren haben. Andere wiederum fragen vielleicht kurz, aber hoffen darauf keine ausführliche Antwort zu bekommen. Mein Vater, meine Schwester und ich erzählen so gerne von meiner Mama und wenn eben nur wir uns über "alte" Zeiten unterhalten. Du hast recht, solche Aussagen wie "Das wird schon wieder" oder "Kopf hoch" oder "Zeit halt alle Wunden" oder am besten noch " Ist doch schon etwas her, müsste doch nun langsam wieder gehen" -----So was geht gar nicht----------- Mein Vater ist entäuscht das sich niemand bei ihm meldet. Das Telefon steht (Privat gesehen) seit über 4 Monaten fast still. (1-2 Ausnahmen) Weißt Du, Marco, desshalb bin ich auch so dankbar für diesen Forum hier. Es hift (mir jedenfalls) ungemein. Ich wünsche Dir alles liebe, gruß Imke !!! |
#6
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AW: Mein kleiner Bruder
Hallo Marco!
Ich kann deinen Schmerz sehr gut nachvollziehen. Ich habe am 06.10.2005 meinen Vater verloren. Zwar ist es noch nicht so lange her, aber der Schmerz tut noch so unendlich weh als wäre es erst gestern gewesen. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass einige Freunde und Bekannte der Ansicht sind, dass nun genug Zeit ins Land gezogen ist und die Trauer nun langsam abflachen müsste. Aber dem ist leider nicht so. Wenn ein geliebter Mensch geht, kann man die Gefühle nicht einfach mal so verdrängen und abschalten. Ich vermute auch, dass die anderen einfach nicht damit umzugehen wissen. Sie wissen es vielleicht einfach nicht besser! Vielleicht haben sie selber noch nicht so eine Erfahrung selber gemacht? Daher versuchen auch einige mit irgendwelchen Geschichten vom Thema abzulenken!? Wer weiß?! Daher nimm dir einfach die Zeit, die du brauchst. Mein Vater und ich haben auch immer über alles geredet, außer über das Sterben. Mein Vater sagte nur zu mir, dass er noch nicht sterben wolle, da er doch noch bei uns bleiben und noch viel Zeit gemeinsam mit uns verbringen möchte. Damit war für ihn die Sache erledigt. Wir alle wussten zwar, dass ihm nicht mehr so viel Zeit bleiben würde, aber keiner sprach darüber. Mein Vater spürte auch von Anfang an, dass die Krankengeschichte nicht so positiv verlaufen würde. Denn plötzlich konnte und wollte er nachts nicht mehr schlafen. Er hatte auch Angst davor, dass ihn nachts „der Tod holen“ würde und er den Morgen nicht erleben würde. Und weißt du was, lieber Marco, so war es dann auch letztendlich gekommen. Mein Vater ist eines nachts einfach für immer ganz friedlich eingeschlafen. Und seit dem habe ich Schlafstörungen. Werde ständig nachts wach oder kann erst gar nicht abends einschlafen. Automatisch denke ich dann immer an meinen Vater. Was er wohl gerade macht oder wie es ihm geht oder ob er mir wohl gerade beim Schlafen zugeschaut hat! Das sind alles Dinge, die mich beschäftigen, über die ich aber nicht mit Freunden und Bekannten reden kann. Denn so was können sie einfach nicht nachvollziehen. Von denen kommt dann höchstens der Rat, dass ich es mal mit Schlaftabletten versuchen sollte. Aber was sollten sie mir auch sonst raten?! Letzte Woche hatte ich Geburtstag. Es war einfach nur grausam. Der erste Geburtstag ohne meinen Vater. (Wobei ich glaube, dass der zweite Geburtstag ohne meinen Vater nicht besser bzw. einfacher wird!) Und nun kommt auch noch Weihnachten. Ich mag gar nicht dran denken. Aber gut, dass es dieses Forum gibt! Hier ist man nie alleine und viele stehen einem gerne mit Rat und Tat zur Hilfe, das ist wirklich sehr viel wert. Liebe Grüße Sandra |
#7
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AW: Mein kleiner Bruder
.... ja ich bin auch sehr froh das es das Forum hier gibt . Auch wenn e Sch...
ist das ich vom HK in das Hinterbliebenen Forum wechseln musste . bis denne Marco ...
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Irgendwann sehen wir uns wieder . Ich freue mich auf diesen Tag . Mein geliebter Bruder Tommy |
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