Stammtisch

[rowa]

Hallo Katrin,

herzlich willkommen hier am Stammtisch, Du drängelst Dich hier nicht rein, die Tür steht für jederman offen. Hier findest Du immer jemanden, der zwei offene Ohren und Augen hat zum Zuhören und lesen und der Dich versteht, weil alle hier einen geliebten Menschen verloren haben.
Es tut gut, wenn man seine Gedanken zu Papier bringt, das erleichtert. Schreib Dir alles von der Seele.

Mein Mann ist am 01.05. von mir gegangen und ich fühle mich schlechter, als noch vor paar Wochen. Ich durchlaufe wieder ein absolutes Tief. Am vergangenen Montag (17.7., 11 Wochen ohne ihn) war es besonders schlimm, als ich mir alte Urlaubsvideo's angeschaut habe. Ich bin gerade dabei alle selbstgefilmten Videos von Kassette auf eine DVD-Rekorder-Festplatte zu überspielen (Wir haben eigentlich schon im März damit angefangen und gemeinsam die Videos angesehen). Ich hatte vor einigen Tage ausversehen einen Urlaubfilm von 2003 gelöscht und mußte ihn nun erneut überspielen. Da war mein Mann noch gesund und kräftig, so wie in meinen Erinnerungen. Warum tu ich mir sowas an, warum schaue ich es mir an? Ich hätte auch einfach aufstehen können, die Aufnahme wäre auch so gelaufen, aber ich saß wie angenagelt und sah mir den Urlaubsfilm an und heulte so wie lange schon nicht mehr, ganze Packung Tempo brauchte ich. Es tat so weh, ihn zu sehen und zu hören. Dann die Selbstgespräche, die ich führe. Warum... warum er... Was ist der Sinn... Wie soll ich nun allein.... Warum läßt Du mich allein....Ich wäre ihn gern gefolgt, wollte auch nicht mehr leben, wollte bei ihn sein u. bleiben. Was ist das für ein Leben für mich ohne ihn, KEIN LEBEN. Ich glaube fast, ich werde verrückt.
Vergangenen Freitag 14.7. wurde der Stein gesetzt, das war bei mir wahrscheinlich wieder der Auslöser, weil es da nun schwarz auf weis steht , was ich nicht wahrhaben will, dass er für IMMER fort ist!!!!! Es will nicht rein im meinem Kopf !!! Mir schwirren die Sätze und Bemerkungen von meinen Arbeitskollegen, vom Arzt, von Freunden wirr durch den Kopf, alle durcheinander. Ich würde am liebsten schreien, laut schreien, aber es würde mich keiner hören, sitze allein im Haus, mein Sohn ist nur auf Achse mit seinen Kumpels, mit ihm kann ich auch nicht über meine Trauer reden. Ich glaube es reicht erst mal, ich versuche mich zur Ruhe zu zwingen, es ist alles so schwer und mein Herz droht an der Trauer zu zerbrechen. Er fehlt mir so sehr.

Gern möchte ich anderen Betroffenen Kraft geben, sie trösten. Es wird mir nicht gelingen, denn ich liege am Boden, nein, noch tiefer eigentlich und habe keine Kraft aufzustehen !


Liebe Andrea, ich wünsche Dir einen schönen Urlaub in Griechenland, erhole dich gut und komme gesund wieder.

rowa

[katrin79]

Liebe Anemone,
Liebe Rowa,

vielen Dank für eure lieben Antworten!!!
Ich habe zwar nicht meinen Partner verloren, aber auch ich quäle mich immer wieder selbst mit Fotos, emails, Karten...was auch immer ich finde...wobei ich auch dazu sagen muss, dass es bei mir sehr lange gedauert hat, bis ich überhaupt angefangen habe mich damit auseinanderzusetzen...immerhin ist mein Pa "schon" 2Jahre tot...keiner meiner Freunde versteht mich...zu ihrem Glück haben sie noch beide Elternteile und das ist ja auch gut so, aber sie geben mir das Gefühl, dass 2 Jahre lang genug sind um darüber hinweg zu sein, bzw. es einfach zu akzeptieren...das kann ich aber nicht!!!Ich kann generell sehr schlecht mit dem Tot umgehen, als meine Omi gestorben ist, ist meine "heileWelt" zum 2.x zusammengebrochen ( das 1.x bei der Trennung meiner Eltern) und ich vermisse sie immernoch (nach 6Jahren)...aber es hat mir nie so körperlich weh getan, wie es mir im Moment weh tut...ich habe einen Druck auf der Brust und habe das Gefühl schreien zu müssen...er fehlt mir so und so einen Tot hat er nicht verdient...aber wer hat das schon...
OK, nochmals vielen Dank, das reicht für´s 2.x!!!
Schönen Tag noch,
LG Katrin

[rowa]

Liebe Katrin,

Ich kann gut nachfühlen, wie es Dir geht. Habe die gleichen Symtome, ich kann Dir nur sagen, dass Du hier nicht allein bist. Als ich das erste Mal geschrieben habe, haben viele geantwortet, diese Beiträge zu lesen haben mir gut getan, diese aufbauenden u. tröstende Worte, wobei es vielen selber nicht gut geht.

Aber gemeinsam packen wir das, sprechen uns gegenseitig Mut zu und auch etwas Kraft, um wenigstens den nächsten Tag zu überstehen. (Ich gehe mal von mir aus, wie es bei mir so ist) In anderen Zeitdimensionen kann ich noch nicht denken. Alles ist bei mir aus der Bahn geraten, ich brauche viel, viel Zeit....

Bei mir hängt in jeden Zimmer ein Foto bzw. auch mehrere Fotos an der Wand, auf den Tischen steht eins, selbst im Bad auf der Spiegelkonsole neben meinem Zahnputzbecker, halt überall blickt er mich an, ist mir nahe. Ich habe ein Foto im Urlaub gemacht, da liegt er schlafend auf der Seite. Das habe ich aus A4 vergößert, eingerahmt und (ich weiß nicht, wie das jetzt klingt) auf sein Kopfkissen gelegt. Wenn ich zu Bett gehe u. rüberschaue, dann denke ich er schläft schon. Sage "Gute Nacht Schatz" u. ein Küsschen aufs Bild und ich kann besser einschlafen. .....Bin ich nun verrückt oder nicht?????....
Trotzdem fühle ich nicht so einsam, fühle den Schmerz.

Vor dem Tod habe ich keine Angst mehr, hatte ich früher mal, die Angst davor wurde mir genommen. Ich war dabei, als mein Mann aufgehört hat zu atmen. Wollte in diesem Moment auch gleich sterben, wollte bei ihm bleiben, wollte ihn nicht verlassen, wollte ihn nicht gehen lassen. Die Bilder von ihm gehen mir nicht aus dem Kopf.

Ich wünsche Dir viel Kraft

Rowa

[SylviaW]

Hallo Andrea,

auch ich wünsche dir einen wunderschönen Urlaub. Geniese die Zeit und laß das Trauertier daheim.

Zur Zeit ist es hier ziemlich ruhig, ob es nur an der Hitze liegt?

An alle ganz liebe Grüße
Sylvia

[AndreaS]

Hallo meine lieben Stammtischler/innen

Ich bedanke mich recht herzlich für eure guten Wünsche.

Die Koffer sind fast fertig gepackt. Noch ein paar letzte Vorbereitungen, insbesondere für Micki, der sich nun (ich glaube er denkt: Zum Glück.... ) zwei Wochen alleine durchschlagen muss/darf.

Am Freitag gehts dann in aller Frühe zum Bahnhof Richtung Stuttgart ( nach dort ) und dann heißt es



Jedesmal, wenn ich nach Griechenland komme, habe ich das Gefühl "zu Hause" zu sein, war schon immer so und wird sich hoffentlich auch niemals ändern. Der zweite Urlaub ohne meinen Mann an meiner Seite, der erste auf dem Weg zurück ins Leben. Ja, ich freue mich wieder auf etwas, sogar fast ohne jedes schlechte Gewissen. Vor einigen Monaten noch hätte ich es nicht für möglich gehalten.

@mein Freund in der Ferne, du hast nicht mehr viel Zeit zum Üben



Haltet hier die Stellung, Ihr Lieben, helft euch gegenseitig, wenn das Trauertier zuschlägt und erzählt hin und wieder auch, wenn ihr was Positives erlebt auf dem Weg durch die Trauer, damit Mut geschöpft werden kann, dass auch wieder bessere Zeiten warten.

@Bruni wie schön, dass du mir einen Grund lieferst, mich sogar auf den Rückflug zu freuen

@Petra, ich danke dir für deinen Anruf, es hat mir gerade heute sehr viel bedeutet. Ich denke an dich und achte auf die Zeichen

@Briele auch dir noch eine besonders feste und vergiss die Grüße nicht

Und du mein bester Freund im Himmel, ich werde nach dir suchen mein Stern, und weiß, dass ich dich finden werde, nachts über dem Meer, denn du bist immer bei mir und deinen Kindern.

LG
Andrea

[rowa]

Hallo Heide,

ich bin also nicht verrückt, gut zu wissen, hatte es schon geglaubt. Danke Dir für die tröstenden Worte. Über solche Sachen reden kann ich mit niemanden, außer hier im Forum.
Ich gebe zu, ich kann auch nicht genug von meinem Mann sehen, hören, anfassen und riechen. Überall die Bilder an den Wänden, auf'm Nachttisch, auf dem Kissen, im Bad, in der Küche, im Wohnzimmer, einfach überall. Habe sogar sein Schlafanzugoberteil nicht gewaschen, liegt auch auf seinem Kopfkissen. Seine Schuhe, seine Jacken an der Garderobe, seine Geldbörse, seine Lesebrille, alles liegt noch an seinem Platz.... von NICHTS kann und möchte ich mich trennen. Es schmerzt einfach zu sehr. Ich weiß auch, dass ich mich damit selber quäle, aber vielleicht möchte ich diese Art von Quälerei, möchte mich quälen, möchte weinen, möchte mir das antun. Da spielen wieder Kopf und Herz total verrückt, sind sich nicht einig. Kopf sagt: lass es sein, das Herz dagegen: mach es. Ich dachte immer, wenn ich mir keine proffesionelle Hilfe hole werde ich noch wahnsinnig, ich hoffe, das es nicht eintritt.
Ich habe ein super großes Album (hellgrün mit einer roten Rose drauf, 33cmx33cm) für ihn bzw. von ihm gemacht und ist fast fertig, nur noch einige Beschriftungen fehlen. Und alle die es sich schon angeschaut haben, sind begeistert.
Ja einen Film möchte ich auch zusammenstellen mit Musik hinterlegen, dazu muß ich mir alle Filme anschauen, die Stellen aufschreiben, ein Videobearbeitungsprogramm besorgen und mich dann rantrauen, ist noch Neuland für mich, aber für meinen Schatz werde ich Berge versetzen. Ich muß mich beschäftigen, denn komme ich zum Stillstand, sitze ich allein im Haus in einer Ecke und heule mir die Augen aus dem Kopf, dann sage ich mir lieber, tu was, egal was, aber mache was.... Habe schon Rollo angebaut, Album fertig gemacht, Blumen auf seinem Grab gepflanzt, Holz lakiert, Rasen gemäht, Hecke geschnitten, mit den Wurzelausläufern der Hecke rumgeärgert(herausgezogen) und für andere ein freundliches Gesicht aufgesetzt, obwohl mir nicht danach war. Nein stimmt nicht, vergangenen Freitag habe ich gelächelt, als ich zwei Piepmätze auf dem Grabstein setzen lassen habe. Da habe ich mich ertappt, dass mein Herz sich für einen Moment anders angefühlt hat. Ich glaube, es war so etwas wie ein klein bisschen Freude gewesen.

Sieh'ste Heide, mir geht es genauso wie Dir. Das Deine Mutter anderer Meinung ist, wie Du, kann ich verstehen. Vielleicht würden bewegte Bilder sie zu sehr schmerzen. Gab es damals schon Videos? Ich glaube 8mm gab es, oder? Schaut sie sich Fotos an?
Das mit Deiner Schwester tut mir sehr leid, dass Du schon als Kind mit einem so schlimmen Ereignis konfrontiert worden bist. Das sitzt tief bei Dir und Deiner Mutter, nur geht jeder anders damit um. Ich kann da eigentlich keine Ratschläge geben, denn außer meine Großeltern habe ich früher keinen Angehörigen verloren. Ach nee, mein Schwiegervater ist vor 10 Jahren auch an Krebs gestorben, das ist aber was anderes gewesen, kann man nicht vergleichen. Aber jetzt mein Mann, dass war echt der Oberhammer, der hat mich niedergehauen, völlig in den Boden gerammt.

Du Heide, das mit den dicken Winterbetten ist eine gute Idee, das mache ich auch, so hätte ich das Gefühl, er liege neben mir. Danke für die Idee.


Habe meinem Schatz eine Kerze angezündet:
http://www.weissabgleich.de/kerze/in...e=8117&lang=de

Würde mich freuen, wieder von Dir zu hören. Hier mal meine Mailadr. wachlinroswitha@aol.com, wenn Du mailen möchtest.

Liebe Grüße auch an alle anderen

Rowa

[shalom]

Hallo Rowa,

ja Du hast recht, dass man sich als "verrückt" ansieht, wenn man als Trauernder dies oder jenes tut und wie zum Teil versteinert handelt oder sich ritualisiert und manchmal zwanghaft verhält. Man ist ja auch ohne eigenes Zutun durch den Tod des geliebten Menschen in einer "Außenseiterrolle", die kaum den "Normalen" verständlich zu machen ist.

Vor mehr als sechs Jahren habe ich meine Frau durch Krebs verloren. Für uns kam das Abschiednehmenmüssen (Loslassenmüssen) vielleicht nicht mehr so überraschend. Es waren viele kleine Abschiede von den Dingen, die meiner Frau lieb und wert waren, von denen sie entschied, dass sie nun für sie keine Bedeutung mehr hatten. Wir konnten den schweren Weg gemeinsam gehen, sie ging durch die letzte TÜR, ich mußte(durfte) die Schwelle dieser Tür nicht überschreiten.

Jeder von uns Trauernden wird seinen eigenen Weg in und aus der Trauer finden müssen und genau der wird dann auch der richtige Weg für ihn sein.. Für mich gab es nicht anderes als die schmerzlichen beschwerlichen Spazierwege und Aufenthaltsorte (Klinik, Reha-Klinik, Hospiz) alle nochmals zu durchlaufen, um aktiv Trauern zu können. Dabei war ich ihr sehr nahe und es tat mir nach anfänglicher Überwindung sehr gut. Obwohl in der Wohnung sehr viel an sie erinnerte, mußte ich wenige Tage nach ihrem Tod Kleider und Schuhe weggeben wie auch Akten zum Krankheitsverlauf vernichten. Das war mir zu nah, zu unerbittlich, zu unwirklich "WIRKLICH", denn ihr Duft war überall noch drin.

Rituale helfen zu trauern, Trauern ist Arbeit und braucht viel Zeit und Geduld mit sich selbst. Der Trauer kann und muß ich mich stellen, sonst stellt sie mich.

Wenn Du magst, kann Du meinen eigenen Weg der Trauer in meinem Thread nachvollziehen, den ich Mitte 2003 begonnen und dann 2005/2006 fortgesetzt habe.

Siehe: http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...ead.php?t=3807

Vielleicht ist es hilfreich für Dich, dass Du mit Deinen Gedanken, Deinen Gefühlen, Deiner Trauer nicht alleine bist und Deine Vorgehensweise aus Sicht der Trauernden ganz o.k. ist.

Ich wünsche Dir viel Kraft, Unabänderliches anzuerkennen, Trauer anzunehmen und das Leben neu zu gestalten.

Liebe Grüße
Shalom

[Anemone]

Hallo LaLe, Petra und alle anderen,
LaLe, Du musst Dir nicht viele Gedanken machen, was Du hier schreibst. Lies doch einfach mal ein bißchen herum, dann siehst Du, dass jeder das aufschreibt, was ihn (sie) gerade besonders bewegt.
Petra, vielen Dank für die Gute-Besserung-Wünsche. Meinem Fuß gehts heute schon viel besser als gestern.
Ja, man weiß nicht genau, was der Auslöser für die Trauertier-Attacken ist. Aber das "zu lange Tapfersein" ist bestimmt ein Grund. Irgendwann brichts dann halt heraus.
Mir wurde gestern sehr deutlich bewusst, wie hilflos ich alleine im Haus bin, wenn mal irgendwas wie Krankheit oder Unfall passiert. Ich will gar nicht dran denken, wie das gehen soll, wenns nicht in ein paar Tagen wieder gut ist. Nein, bitte nicht diese Phantasien! Nicht jetzt und nicht heute, bin gerade dabei, den Kopf wieder aus dem tiefen Loch zu strecken. Später, wenn es nicht mehr ganz so heiß ist, will ich meine Terrassen-Blumenkübel neu bepflanzen (Ersatz für die Sommerblumen, die der Hagel am Samstag total zerfetzt hat).
Die Beschäftigung mit Blumen und Garten hilft mir oft, wenns mir so ganz schlecht geht.
Viele liebe Grüße,
Anemone