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  #1  
Alt 30.03.2013, 23:11
Flower* Flower* ist offline
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Standard AW: So schnell vorbei..

Das hab ich schon oft gelesen, aber noch nie wirklich verstanden - bis jetzt.. ich dachte das wäre es wert hier mal einen Platz zu finden

Das Märchen von der traurigen Traurigkeit von Inge Wuthe
Es war eine kleine Frau, die den staubigen Feldweg entlang kam. Sie war schon recht alt,
doch ihr Gang war leicht, und ihr Lächeln hatte den frischen
Glanz eines unbekümmerten Mädchens. Bei der zusammengekauerten Gestalt
blieb sie stehen und sah hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen,
das da im Staub auf dem Wege saß, schien fast körperlos. Sie erinnerte an
eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen. Die kleine Frau bückte
sich ein wenig und fragte: "Wer bist du?"

Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. "Ich? Ich bin die Traurigkeit", flüsterte die Stimme stockend
und leise, dass sie kaum zu hören war.

"Ach, die Traurigkeit!" rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte grüssen.

"Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit misstrauisch.

"Natürlich kenne ich dich! Immer wieder hast du mich ein Stück des Weges begleitet." "Ja, aber...", argwöhnte die Traurigkeit,
"warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?" "Warum sollte ich vor dir
davonlaufen, meine Liebe? Du weisst doch selbst nur zu gut, dass du jeden
Flüchtling einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so
mutlos aus?"

"Ich... bin traurig", antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme."Die kleine alte Frau setzte sich zu ihr.
"Traurig bist du also", sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. "Erzähl mir doch, was dich so bedrückt.

"Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören wollen? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht.
"Ach, weisst du", begann sie zögernd und äusserst verwundert, "es ist so, dass mich einfach niemand mag.
Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen.
Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest."

Die Traurigkeit schluckte schwer. "Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: Papperlapapp, das Leben ist heiter.
Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen.
Sie sagen: Man muss sich nur zusammenreissen. Und spüren das Reissen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: Nur Schwächlinge weinen.
Und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen."

"Oh ja", bestätigte die alte Frau, "solche Menschen sind mir schon oft begegnet." Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen.
"Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen.
Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut.
Manches Leid bricht wieder auf, wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh.
Aber nur, wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen.
Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Statt dessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben.
Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu."

Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und
schliesslich ganz verzweifelt. Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme.
Wie weich und sanft sie sich anfühlte, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.
"Weine nur, Traurigkeit", flüsterte sie liebevoll, "ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern.
Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr an Macht
gewinnt." Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf
und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin: "Aber ... aber - wer
bist eigentlich du?"

"Ich?" sagte die kleine, alte Frau schmunzelnd, und dann
lächelte sie wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen:
"Ich bin die Hoffnung!"
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  #2  
Alt 31.03.2013, 07:38
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: So schnell vorbei..

Liebe Flower,

DANKE!!! Das ist eine wunderschöne Geschichte!!!

Liebe Grüße
Miri
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

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  #3  
Alt 31.03.2013, 13:53
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Gina79 Gina79 ist offline
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Standard AW: So schnell vorbei..

Liebe Flower!
Einfach toll, ich hab mir diese wunderschöne Geschichte gleich ausgedruckt so gut hat sie mir gefallen!

DANKE und schönen Ostersonntag!

PS: Ich glaube ich hätte sie vorher auch nicht richtig verstanden oder besser gesagt nicht wirklich "genießen" können! Heute wissen wir um was es geht und können den Sinn dieser wunderbaren Geschichte richtig deuten!
__________________
Mein Papa: Kleinzelliges Bronchialkarzinom
Diagnose am 21.12.2011
am 23.2.2013
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  #4  
Alt 01.04.2013, 22:31
Flower* Flower* ist offline
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Standard AW: So schnell vorbei..

Schön, dass euch die Geschichte gefällt.. ich kenn sie ja schon länger und fand sie schon immer sehr schön, jetzt eben besonders.. auch wenn sich "Frau Hoffnung" noch nicht bei mir hat blicken lassen..

Hehe, ich weiß grad nicht ob ich lachen, weinen oder gegen ne Wand schlagen soll Ich bin grad alles auf einmal.. traurig und verdammt wütend.. Wieso? Wegen dummen Menschen mit ihren dummen Miniproblemchen, die einfach keine Ahnung vom wahren Leben haben.. Ich wurde grad tatsächlich gefragt, wieso ich denn noch immer traurig bin, es wär doch schon lang genug her.. Schon krass.. und ich mag die Menschen um mich herum immer weniger.. klar, man soll nicht pauschalisieren und bla, aber ich würd am liebsten alles und jedem aus dem Weg gehen, weil ich sonst glaub ich relativ bald relativ schlimm ausrasten werde.. "lang genug", so viel Dummheit gehört bestraft -.-
Sorry, aber das musste grad raus, sonst würd ich vor Wut platzen..

Miri und Nina: Das Verreisen wär sicher wirklich gut.. aber irgendwie will ich das nicht allein machen.. Naja, jetzt fängt das Semester eh wieder an, dann gehts nicht mehr..

Naja, aufraffen geht weiter nicht und das frustriert mich zunehmend.. kA, mal schaun wie das noch weitergeht, wenn nicht muss ich vllt. mal zu nem Arzt oder so, weiß auch nicht.. Ich hab Angst, dass ich stark auf ne Depression zusteuer irgendwie, vor allem wegen dem Schlafmangel, der mir immer noch ganz arg zu schaffen macht..

Danke fürs Lesen!
Ich wünsch allen nen guten Start in die neue Woche!
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  #5  
Alt 01.04.2013, 23:20
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: So schnell vorbei..

Liebe Flower,

ja, solche blöden Bemerkungen und Fragen kenne ich auch... Wenn dich das nächste Mal jemand fragt, warum du denn noch immer traurig bist, dann antworte einfach: "Meine Mama ist ja auch immer noch tot!!!!!!" Das wirkt, ich habe es bereits selbst ausprobiert. Dann ist demjenigen plötzlich bewusst, dass sein Kommentar irgendwie so gar nicht geht.

Lass Frau Hoffnung Zeit, sie wird sich zu dir gesellen, wenn du Frau Traurigkeit aushalten kannst... Ganz bestimmt!

Dir auch eine schöne Woche
Miri
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  #6  
Alt 02.04.2013, 07:32
Benutzerbild von fraunachbarin
fraunachbarin fraunachbarin ist offline
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Standard AW: So schnell vorbei..

hallo liebe flower..
hab grad gelesen, daß es dir nicht gut geht.. glaub mir, daß in deiner jetzigen trauerphase alles normal. hab bei einem bestatter-forum was gefunden, daß dir vielleicht weiterhilft:
1. Phase: Verleumdung und Schock
Man steht unter Schock in dem Moment, wenn man die Todesnachricht bekommt, man kann und will es nicht wahrhaben. Der Hinterbliebene hat den Verlust noch nicht realisiert und mobilisiert in den meisten Fällen nochmals alle Kräfte um die Beerdigung und den Nachlaß zu organisieren.
Der Trauernde kann den Tod noch nicht begreifen, der Verlust ist noch nicht real. Es kann wohl zu Gefühlsausbrüchen kommen, aber der Verlust ist noch nicht ganz nachvollziehbar.

2. Phase: Gefühlsausbrüche
In dieser Phase trifft man auf ein Wechselbad der Gefühle. Emotionen der Verzweiflung, Hilflosigkeit, Angst, Einsamkeit und auch Wut auf den verlorenen Menschen wechseln sich ab.
In dieser Phase treten auch körperliche Symptone auf, die sich in Durchfällen, Kopfschmerzen, Essensstörungen wie Freßanfällen, Erbrechen, erhöhter Alkoholkonsum oder Appetitslosigkeit zeigen können. Auch Unruhezustände und Schlafstörungen treten auf.

3. Phase: Neuorientierung
Nach und nach realisiert der Hinterbliebene seinen Verlust, nimmt aber alte Gewohnheiten und Aktivitäten wieder auf. Man denkt viel über die positiven, aber auch negativen Erfahrungen oder Eigenschaften des Verstorbenen nach. Der Verlustschmerz läßt langsam nach. An besonderen Tagen wie Geburtstag, Hochzeittag oder Weihnachten werden die Gefühle jedoch wieder hochkommen und ein Rückfall in die Phase 2 kann erfolgen.

4. Phase: Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt
Man ist in dieser Phase noch ein wenig melancholisch, wenn man an die gemeinsame Zeit zurück denkt, aber auch sehr dankbar, dass man die gemeinsame Zeit erleben durfte. Ein neuer Lebensabschnitt ohne den Verstorbenen beginnt. Man hat einen neuen Sinn oder Aufgabe gefunden.
Man kehrt ins Leben zurück!

wie du siehst, ist deine momentane verfassung völlig normal. vielleicht magst du zum doc gehen und dir was zum schlafen holen. denn ohne schlaf bist du nur ein halber mensch und hast keine energie zum verarbeiten. und glaub mir, diese braucht unwahrscheinlich viel energie.
wünsch dir alles erdenklich gute..
lg tine
__________________
MISS YOU MAMA
24.02.1944-15.10.2012
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  #7  
Alt 02.04.2013, 13:01
Flower* Flower* ist offline
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Standard AW: So schnell vorbei..

Liebe Miri,
Ich werd den Spruch mal ausprobieren.. da die meisten Menschen von mir noch nicht mal ein "nein" erwarten werden sie da wohl ziemlich geschockt sein.. also sehr gute Idee, danke

Liebe Tine,
Danke für die Phasen, es ist irgendwie beruhigend zu lesen, dass man noch einigermaßen normal ist.. Und du hast sicher recht, das Verarbeiten verbraucht sicher sehr viel Energie, die man ja auch irgendwo herbekommen muss..

Scheint bei euch heut die Sonne auch so schön? Es ist zwar kalt, aber wenn man zum Himmel schaut könnte man meinen es wäre schon "echter" Frühling..

Liebe Grüße,
Franzi
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