Michael

[Julie C.]

Nun waren wir am Wochenende zusammen und reden über alles mögliche. Nur nicht über das, was im Moment wichtig ist. Nämlich diese Zeit gemeinsam durchzustehen und zu bewältigen. Und wenn ich doch mal mit diesem Thema anfange, sagst Du, dass ich Dir die Leichtigkeit nehme damit umzugehen. Du willst wie immer alles mit Dir alleine ausmachen und meinst, dass auch Deine Erkrankung ganz allein Deine Sache ist. Du redest mit niemandem darüber - nicht mit Deinen Eltern, nicht mit Deinen Geschwistern, nicht mit Deiner Tochter, nicht mit meiner Familie und auch nicht mit mir. Du willst nicht verstehen, dass auch wir Betroffene sind und einen Weg finden müssen, damit umzugehen. Ich fühle mich ausgeschlossen, hilflos und machtlos. Und irgendwie bin ich heute auch wütend auf Dich. Aber ich darf es nicht sein, denn Du bist ja krank.

Mir ist schon klar, dass Du im Moment alles mehr verdrängst, als Dich damit auseinanderzusetzen. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Aber ich kann es natürlich auch irgendwie verstehen.

[Julie C.]

Ich habe Dir jetzt einige Tage nicht geschrieben, aber ich hatte ja auch so viel um die Ohren und viel zu erledigen. Uns alle macht diese Warterei, dass Du nun endlich ins Krankenhaus kommst fast wahnsinnig. Wertvolle und vielleicht auch lebenswichtige Zeit geht Tag für Tag verloren. Ist es nicht vom Krankenhaus vielleicht sogar unverantwortlich, dass man Dich fast 2 Wochen auf die OP warten lässt ???
Naja - morgen ist schon Freitag und dann ist endlich auch bald Montag !
Heute war unser Zusammensein total schön und Du warst auch etwas offener. Ach, Michi - ich liebe Dich so sehr !

[Julie C.]

Hallo, mein Schatz !

Wir hatten heute einen fröhlichen Tag miteinander und es tat gut, mit Freunden zusammenzusein. Nun hat die Warterei endlich ein Ende und Du kommst morgen ins Krankenhaus. Ich weiß, wie sehr Dir vor all diesen Untersuchungen graut, insbesondere vor der Magenspiegelung hast Du Angst. Du schaffst das schon, ganz bestimmt ! Und Deine Operation am Dienstag wirst Du auch gut überstehen. Wie es dann so weitergeht, wissen wir beide noch nicht und müssen einfach das Beste hoffen. Ich habe schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gebetet, hatte damit nicht so recht etwas am Hut. Aber mein Denken hat sich geändert und ich glaube, dass ich heute Abend für uns beten werde. Und zwar dafür, dass sich noch nicht so viele Metastasen gebildet haben und dass Du wieder gesund werden kannst. Michi, ich brauche Dich doch. Wie sollte mein Leben denn ohne Dich weitergehen ?

Du hast mir heute gesagt, dass Du am Montag und Dienstag keinen Besuch haben möchtest, weil Du erstmal Deine Ruhe haben willst. Ok - das muss ich wohl so akzeptieren, aber ich wäre gerne an Deiner Seite. Ich werde auf der Station anrufen, um mich zu erkundigen wie es Dir geht und am Mittwoch komme ich Dich dann besuchen.

Kopf hoch, Michi - alles wird gut ! Wir müssen nur ganz fest daran glauben.

[Julie C.]

Mein lieber Michi !

Wie sehr habe ich mich gefreut, als Du mich vorhin angerufen hast. Aber ich habe Dir auch Deine Erschöpfung angemerkt. Diese Voruntersuchungen müssen wirklich schlimm und anstrengend gewesen sein. Du konntest mir aber am Telefon die gute Nachricht überbringen, dass keine weiteren Metastasen gefunden wurden. Sag mal, hast Du eigentlich den Stein gehört, der mir in dem Moment vom Herzen gefallen ist ?
Du glaubst ja gar nicht, wie groß meine Angst gewesen ist und ich konnte den ganzen Tag lang keinen klaren Gedanken fassen.

Nun bin ich ein kleines bißchen beruhigt und hoffe so sehr, dass Du wieder ganz gesund werden kannst !

Ich liebe Dich !

[Julie C.]

Hallo, mein Schatz !

Heute war nun Deine OP und sie hat sage und schreibe 5 Stunden gedauert. Nun bist Du für 2 Tage auf der Intensivstation und wirst diese Nacht auch noch unterstützend künstlich beatmet. Die Ärzte haben Dich auch noch in so eine Art "künstliches Koma" versetzt, damit Du auf jeden Fall mindestens 12 Stunden ununterbrochen schläfst. Aber die OP verlief normal und Deine allgemeinen Werte sind es auch. Momentan ist also alles im grünen Bereich und viel mehr wollte man mir am Telefon auch nicht sagen. Morgen komme ich Dich besuchen und ich freue mich schon so sehr auf Dich. Ich hoffe, dass ich dort auch einen Arzt antreffe um noch Details zu erfragen.

Jetzt werde ich schlafen gehen, dann ich bin hundemüde. Ich habe so große Sorge um Dich, dass ich kaum noch zur Ruhe komme.

[Norma]

Liebe Julie,

ich schicke Michi und dir ein bisschen Kraft!

Alles nur erdenklich Gute für euch beiden!

Norma
Diagnose Brustkrebs Nov. 2001

[Julie C.]

Hallo, liebe Norma !

Ich danke Dir für Deine lieben Worte und Dir selbst wünsche ich natürlich auch viel Kraft und Optimismus

Es tat so weh, meinen Michi da heute so liegen zu sehen. Mit dem dicken Verband um den Hals und all den Schläuchen aus der Nase (Beatmung u. Ernährung), links und rechts aus dem Hals (zum Absaugen des Sekrets, das sich im Hals bildet) usw.
Aber er war schon wieder ganz guter Stimmung und hat wieder kleine Witzchen gemacht. Die Aussicht, dass er morgen Nachmittag wieder auf die normale Station kommt, ist gut.
Aber seine Stimme ist im Moment nicht wieder zu erkennen und er kann auch nur wenig reden, weil der Rachen völlig verschleimt ist. Die Gelegenheit heute auf der Intensivstation mal mit einem Arzt zu reden, ergab sich leider nicht. Aber morgen besuche ich Michael auf der normalen Station (wenn er denn wirklich schon verlegt wird) und da werde ich schon einen Arzt finden und ihm/ihr Löcher in den Bauch fragen. Noch immer weiß ich nicht, ob es sich um ein Naso-, Oro- oder Hypopharynxkarzinom handelt und in welchem Stadium der Krebs ist/war. Ich muss und möchte einfach nähere Informationen haben, denn Michi will das selbst alles gar nicht so genau wissen und verdrängt die Tatsachen nach wie vor.