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#1
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Lieber Paps,
heute vor 20 Jahren haben wir das letzte Mal miteinander gesprochen. Es war der Vortag deiner Operation und du warst so voller Hoffnung, dass es dir danach besser gehen würde. Du hattest ja schon monatelang Schluckbeschwerden gehabt, nur wir wußten das lange nicht. Erst als du fast nichts mehr essen konntest warst du beim Arzt. Und der meinte es ist Schleim, auf die Idee zu röntgen ist er nicht gekommen. Viel zu spät kamst du ins Krankenhaus, und viel zu spät war die Operation. Für mich war das damals auch ein komischer Tag. Ich war beim Frauenarzt gewesen, und der meinte ich wäre wahrscheinlich schwanger..Erst eine Woche später sollte ich erfahren, ob das stimmt. So wollte ich dir das nicht mitteilen, dachte auch, hinterher ist es um so schöner, wenn es stimmt, denn wir warteten schon länger darauf. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Deine Muck |
#2
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Lieber Paps,
7.11.1986 Der Tag deiner Operation. Ich war bei der Arbeit im Büro. Gegen Mittag rief Mama an, weinend. Sie sagte du würdest nie wieder aufwachen, das hätten die Ärzte ihr gesagt. Heulend bin ich zur Toilette gelaufen, konnte und wollte das nicht glauben. Du lebtest doch noch. Wir haben gehofft, die Ärzte irren sich. Deine Muck |
#3
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1986
Lieber Paps, natürlich haben wir dich täglich im Krankenhaus besucht. Du warst an diverse Maschinen angeschlossen. Ich war nicht fähig auch nur ein Wort zu sprechen, habe nur deine Hand gehalten und geweint. Am 10.11. wurde mir von meiner damaligen Firma gekündigt. Da konnte ich nur sagen, dass ich wahrscheinlich schwanger bin. Von dir habe ich nichts erwähnt. Deine Muck |
#4
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1986
Lieber Paps, am 11.11. habe ich erfahren, dass ich tatsächlich schwanger war. Damit war wenigstens erstmal mein Arbeitsplatz gesichert. Aber natürlich hat mich vielmehr dein Schicksal bewegt. Du lagst unverändert angeschlossen an Maschinen. Ich habe weiterhin kein Wort sagen können, konnte dir nicht mitteilen, dass du Opa wirst. Deine Muck |
#5
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Lieber Paps,
heute hat mein Mann Geburtstag. 1986 wollten wir schön Essen gehen, hatten einen Tisch reserviert. Dann kam der Anruf, dass es mit dir zu Ende ginge. Da habe ich nur gedacht, wenn es schon geschehen muss, dann bitte nicht heute, wir können dann doch nie mehr Geburtstag feiern. Dieser Wunsch wurde mir immerhin erfüllt. Deine Muck |
#6
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14.11.1986
Lieber Paps, als wir dich besuchten, hast du dich heftig bewegt, mit dem Kopf gewackelt... Wir schöpften Hoffnung, doch die Ärzte sagten, die gibt es nicht. Vielleicht wolltest du dich von uns verabschieden. Deine Muck 14.11.05 Liebe Mama, dir wurde eine Magensonde gelegt. Wochenlang habe ich versucht das zu verhindern, aber man sagte mir, du würdest sonst verhungern. Wenn ich dich füttern wollte, hast du immer die Lippen fest zusammengepresst. So waren wir im Krankenhaus. Deine Moni |
#7
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15.11.1986
Lieber Paps, morgens gegen acht kam der Anruf, du wärst verstorben. Wir haben nur geweint, konnten es nicht glauben, hatten wir doch bis zuletzt gehofft. Dein Tod hat mich wirklich bis ins Mark erschüttert. Alles was danach kam, hat mich nicht so sehr berührt. Auch noch heute denke ich fast jeden Tag an dich. Dass die Zeit alle Wunden heilt, kann ich nicht bestätigen. Du hattest ein schweres Leben. Geboren als siebtes von dreizehn Kindern. Mit einem Vater, der nie gearbeitet hat, der seine vielen Kinder zum arbeiten geschickt hat. Du hast wenig davon erzählt, aber schon als Vierjähriger musstest du mit deinen Brüdern Zeitungen austragen. Ihr ward bitterarm, habt zu dritt im Bett geschlafen und hattet zu zweit nur ein paar Schuhe. Trotzdem hast du deinen Schulabschluss geschafft, im Krieg. Ihr ward ausgebombt und nach Pommern gebracht worden. Ich glaube die anderthalb Jahre dort waren für dich sehr schön. Du hast sogar eine Ausbildung dort begonnen, musstest die aber abbrechen, weil der Krieg zuende war und ihr wieder nach Hamburg solltet. Die Nachkriegsjahre waren sicher hart. Mit 19 hast du als Hilfsarbeiter angefangen, in der Großdruckerei im Schichtdienst. Dort warst du bis zum Ende. Der Job war körperlich und auch sonst sehr hart für dich, aber du hast bald Mama kennengelernt und nach ein paar Jahren hattet ihr eure Wohnung und mich, euer Wunschkind. Dass du ganz bewusst nur ein Kind wolltest, kann ich verstehen. Du wolltest all die Jahre den Job nicht wechseln, obwohl du deine Arbeit gehasst hast. Hattest immer Angst, uns nicht mehr ernähren zu können. So viele Pläne hattest du, für die Zeit als Rentner, bist es leider nicht mehr geworden. Auch deine Enkelkinder hast du leider nicht mehr erlebt. Oft denke ich, wie stolz du auf die gewesen wärst, so wie auf mich. Meinem älteren Sohn habe ich deinen Vornamen als Zweitnamen mitgegeben, und in vielem ähnelt er dir sehr. Ich werde dich nie vergessen. Deine Muck |
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