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  #1  
Alt 23.02.2007, 00:06
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carola1972 carola1972 ist offline
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Standard AW: dinge, die mir angesichts des sterbeprozesses nicht aus dem kopf gehen

Auch ich weiß, wie hart die Zeit des Sterbeprozesses ist. Ich habe meinen Vater intensiv seit dem Spätsommer 2006 täglich betreut und gepflegt. Mein Vater hat täglich um eine Genesung gebetet. Aber ich bin sicher, er wußte ganz genau, dass der Tag X nicht mehr weit entfernt ist.

Im November ist er zum letzten Mal ins Krankenhaus gekommen. Mein Vater hatte 40 Fieber und eine starke Lungenentzündung bekommen. Der behandelnde Arzt meinte, dass es sich nur noch um Tage oder Stunden drehen würde. Mein Vater hat aber mit den letzten Reserven die er hatte hart gekämpft.

Wir wurden gefragt, ob Papa im Krankenhaus oder zuhause sterben sollte. Wir alle hatten uns einheitlich für zuhause entschieden. Gott sei Dank, hatten wir alle erdenkliche Hilfe geboten bekommen. Von seiten des Hausarztes, Krankenkasse aber auch vom Pflegedienst, die vier bis fünf mal am Tag gekommen waren. Mein Papa war so unendlich Dankbar. Okay es schämte sich sehr, von seiner Tochter die Windel gewechselt zu bekommen. Für mich war es sicher auch am Anfang unangenehm. Aber ich wußte zu diesem Moment das es richtig war, dies zu tun. Wir alle haben versucht ihm dies letzten Tage bzw. Wochen so schön wie nur möglich zu gestalten. Wir haben ihm alles gebracht was er wollte. Das Weihnachtsfest, was uns klar war, dass es sein letzter sein wird, wurde mit viel Liebe organisiert. Papa hatte immer seinen künstlichen Tannenbaum mit viel Liebe aufgebaut. Ihm war dieser Glanz immer superwichtig. Also haben wir Kinder ihm in diesem Jahr eine echte Nordmanntanne aufgestellt. Dann ging es ans aufbauen. Klar jedes Kind weiß, wie ein Tannenbaum geschmückt wird. Aber nein, ich habe meinen Papa in diese Arbeit mit einbezogen, sodaß er sagte konnte, dass es geholfen hatte. Paps war so stolz...Ohja das war er.

Ab Silvester wurde es kontinuierlich immer schlechter. Papa hatte sich sehr vom Wesen her verändert. Was aufjedenfall auf seinen Hirntumor zurückzuführen ist. Es wurde sehr aggressiv und vorallem fühlte er sich von allen und jedem betrogen. Es war leider zum Schluss so schlimm, sodaß wir ihn Medikamentös ruhig stellen mussten. Es ging leider nicht anders.

Die letzten Tage hat er nur geschlafen. Kurzzeitig war er zwar wach, von den Augen her, aber trotzdem schlief er. Zumindestens hatte ich diesen Eindruck. Mein Paps verweigerte eine Woche vor seinem Sterben sämtlich Medikamente. Ich sagte ihm zwar, dass er dann schneller sterben wird, aber ich glaube ihn interessierte dies nicht mehr. Oder er hat mich nicht ernst genommen. In meiner Verzweifelung fragte ich den Arzt was ich tun sollte. Schließlich war ich täglich für seine Medi`s verantwortlich. Also lag dies in meiner Hand. Der Arzt meinte, dass wir den Papa endlich gehen lassen sollten. Das alles andere ihn nur quälen würde. Glaubt mir, mir ist es so schwer gefallen, zu wissen, dass ich seinen Tod beschleunige, indem ich seinen Wunsch respektiere. Also eine superschwere Last lag auf meinen Schultern. Das einzige was ich für ihn tun konnte, war es seine Schmerzen zu nehmen. So bekam er von mir sein Fentanyl-Plaster und bei Bedarf seine Morphin-Spritze. Ich glaube, dass das Morphin letztendlich ihn so fertig gemacht hat.

Zwei Tage vor meinem Papa seinem Tod kam Mutti ins Krankenhaus mit Verdacht auf einen Herzinfakt. Nun galt es schnell eine Lösung zu finden. Da ich alleinerziehende Mama bin, war es mir leider nicht möglich Tag und Nacht zu bleiben. Also hatten wir mit dem Pflegedienst vereinbart, dass sie ihn aufgrund der Situation 24 h pflegen. Und ich halt immer dazu komme. Am Mittwochabend, also der abend vor seinem Tod war ich nochmal bei meinem Paps, dies war das letzte Mal, dass ich ihn Lebend gesehen habe. Paps war in einem dellirium Zustand. Er hat mich nicht wahrgenommen. Und trotzdem nahm ich seinen Rosenkranz und betete für ihn, mit ihm. Auch wenn er im schlafzustand war. Ich glaube, er hat meine Worte sehr wohl gehört. Ich sagte in meinem Gebet: Lieber Gott, hilf meinem Papa loslassen zu können. Er hat es verdient.

Mir sind diese Worte so unendlich schwer gefallen. Hey ich bat darum, dass mein Papa stirbt. Ich seine Tochter. Klar im Herzen wollte ich ihn behalten. Mein Verstand sagte mir aber etwas anderes. Der Tag X war nun da. Und ich nicht bei ihm. Den Vormittag hatte ich genutzt, um Reserve für seine Pflegemittel zu besorgen. Also war ich erst beim Hausarzt und dann in der Apotheke. Und irgendwie wußte ich mein Papa stirbt gerade heute. Ich wußte es ganz genau. Ich sagte sogar dem Apotheker, dass ich nicht wüßte, ob wir all dies überhaut noch bräuchten. Kaum gesagt klingelte mein Handy. Meine Schwester war dran. Sie weinte, und sagte, Caro Paps ist gestorben. Ich war geschockt, obwohl ich doch wußte dass es passieren wird. Also rannte ich so schnell ich konnte zu ihm. Paps, war noch warm. Er sah sehr friedlich aus. Als ob er nur schlafen würde. Aber er atmete nicht mehr. Er war weg, obwohl seine Hülle, sein Körper noch in seinem Pflegebett lag. Ich war so böse mit ihm. Ich hatte ihm immer gesagt, dass ich bei ihm sein werde. Aber er hat nicht gewartet. Offensichtlich hatte er gewartet bis keiner, absolut keiner im Raum war, um endlich gehen zu können.

Noch immer, und mittlerweile ist Paps seit fast 6 Wochen Tod, quält es mich, dass ich ihn vielleicht noch einpaar Tage länger hätte Leben lassen können, wenn ich darauf bestanden hätte, dass er seine Medi`s nimmt. War es falsch von mir??? Irgendwie habe ich zugesehen, ohne was zu verhindert, dass Papa stirbt. Meine Geschwister waren in der Beziehung zu feige, diese Verantwortung zu übernehmen. Also musste ich es übernehmen. Warum fühlt es sich so beschissen für mich an. Ich weiß der Krebs hat ihn getötet, aber warum fühle ich mich für seinen Tod so verantwortlich.

Paps, es tut mir leid. Ich liebe Dich. Du fehlst mir so sehr. Jeder Tag ohne Dich ist unerträglich. Bitte verzeihe mir, für dass war ich falsch gemacht habe. Ich hatte wirklich nur, zu Deinem Wohl entscheiden wollen. Ich hoffe dass Du es weißt.

In liebe Deine Caro
__________________
Und die Welt dreht sich weiter, und das sie sich weiterdreht, ist für mich nicht zu begreifen merkt sie nicht dass einer fehlt. * HALTET DIE WELT *

Ja mein Papa fehlt. *12.10.1935 gest. 11.1.07
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  #2  
Alt 23.02.2007, 07:23
antje s. antje s. ist offline
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Standard AW: dinge, die mir angesichts des sterbeprozesses nicht aus dem kopf gehen

Hallo Caro,

ich weiß, wie Du Dich fühlst. Am Tag bevor mein Mann gestorben ist, habe ich ihn gebeten, den letzten Weg anzutreten. Ich habe ihm erklärt, daß es keine Hoffnung gibt und daß es keine Heilung für ihn gäbe, selbst wenn er diese akute Situation überleben würde. In der Nacht noch habe ich ihm gesagt, er solle nun ein Flugzeug nehmen (vor seinem Krankenhausfenster war die Lande- bzw. in dieser Nacht die Startschleuse des Flughafens), in den Himmel fliegen und mein Engel sein. Ich war überzeugt, daß ich ihm das Richtige sage. Denn er hatte immer gesagt, wenn es für ihn keine Hoffnung mehr gäbe, würde er in ein Land gehen, in dem aktive Sterbehilfe nicht verboten ist.
Doch in seiner letzten Stunde, in der sein Herz so schwer schlug, hat er nur mit dem Kopf gezuckt, als wollte er sagen: "Nein, ich will nicht gehen!".
Ich weiß, es gibt kein Grund dafür, aber ich habe trotzdem ein schlechtes Gewissen, ein fürchterliches Gefühl, wenn ich daran denke, daß ich ihn "geschickt" habe.

Aber auch mein Mann hatte, nachdem das Herz nicht mehr schlug, einen ganz anderen Gesichtsausdruck. Er lag friedlich da und hatte eine ganz entspannte Mimik. Daher denke ich, daß er und alle anderen auch, nun in einer friedlicheren, schmerz- und angstfreien Umgebung sind. Auch Dein Papa!

Du hast alles getan, um ihm die letzten Wochen und Tage so angenehm wie möglich zu machen. Dein Vater war sicher sehr stolz und dankbar.

Liebe Grüße

Antje
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  #3  
Alt 23.02.2007, 11:06
Arielle Arielle ist offline
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Standard AW: dinge, die mir angesichts des sterbeprozesses nicht aus dem kopf gehen

Oh je, das wühlt alles so auf...

Auch ich war das pflegende "Kind" in unserer Familie. Ich denke, daß meine Brüder auch ganz dankbar dafür waren, mir die Verantwortung dafür zu überlassen!

Aber auch mir geht es so... was hätte ich besser machen können, wie hätte ich ihm das Ganze erleichtern können, hätte ich mit meinem Papa übers Sterben reden sollen...? Fragen über Fragen!
Auch ich dachte, daß ich ihm helfen könnte, ihn auf seinem letzten Weg so weit es möglich ist zu begleiten aber er "suchte" sich auch einen stillen und einsamen Moment um zu gehen.(Ich war wirklich nur 3 Minuten im Flur!)

Erst machte ich mir grosse Vorwürfe, nicht bei ihm gewesen zu sein. Mittlerweile denke ich auch, daß er es für ihn und für mich leichter machen wollte...

Als unser Tag X anbrach, wußte ich sofort bescheid, obwohl ich vorher noch nie einen Sterbenden gesehen hatte! Am Vorabend hat er noch ganz klar und deutlich mit uns gesprochen und war munter. Als er frühmorgens nach mir "rief" (Ich schlief immer neben seinem Pflegebett auf der Couch!) kam nur mehr ein Flüstern unter grosser Anstrengung raus! Als ich ihn sah, war ich total erschrocken! Er war am ganzen Körper geschwollen, war kalt, sehr unruhig und seine Haut war gelb-grau!
Meiner Mutter sagte ich direkt: Der Papa stirbt heute!
Ich fuhr direkt zu unserem Hausarzt um etwas zur Beruhigung zu holen. Leider half es nicht viel! Allerdings brach er auch das meiste seiner Medikamente wieder aus!

Wir riefen den Rest der Familie zusammen, der sich dann auch einfand! Darüber hat er sich noch gefreut... er hatte seit er krank war gerne viel Besuch!
"Leider" war mein Papa sehr klar in seinen letzten Tagen und gerade auch am letzten Tag hat er sehr wenig geschlafen. Die innere Unruhe war zu groß!!!

Frühmorgens des nächsten Tages hat er uns dann verlassen! Kurz vorher hat er noch mit mir gesprochen und sich seine Nasenbrille anlegen lassen!


Übrigens, da fällt mir noch ein, daß mein Vater auch schon sehr früh nach Weihnachtsbeleuchtung gefragt hat! Also schmückten wir Mitte November das ganze Wohnzimmer und das Gartenhäuschen, das er von seinem Bett aus sehen konnte... Ich denke er hätte gerne noch Weihnachten erlebt, doch so lange konnte er einfach nicht mehr...

Ich bin mir sicher, daß es unseren Lieben jetzt gut geht...und ich bin froh darüber!!! ...auch wenn´s weh tut!!!

Viele liebe Grüsse
Jenny
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  #4  
Alt 24.02.2007, 10:23
Chanie Chanie ist offline
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Standard AW: dinge, die mir angesichts des sterbeprozesses nicht aus dem kopf gehen

Hallo
Ich habe lange überlegt, ob ich das hier schreiben soll, aber irgendwie drängt es mich doch, zu erzählen, wie es bei uns war. Diese letzten Erinnerungen an meinen geliebten Schatz...sie drängen immer wieder nach oben. Es fällt mir schwer, darüber zu schreiben, aber irgendwie möchte ich das ein Stück weit teilen.
Das Sterben und der Sterbeprozess...ja... Also:
Mein Mann hatte Lungenkrebs mit Hirnmetastasen.
Er hat fast 2 Jahre damit gelebt (Bestrahlung war erst 5 Monate nach Bekanntwerden, da Ärzte geschlampt hatten), sogar gut gelebt. Im letzten Jahr hatte er dann am 18. Dezember den ersten und einzigen Ausfall. Er hat nach einem stressigen Tag (seine Mutter lag mit Wirbelsäulenmetastasen im KKH) plötzlich alle Namen in seinem Gehirn gelöscht. Er kannte alle Leute, nur keine Namen... als er mich auf der Rückfahrt fragte "sag mir doch mal bitte, wie du heißt" war es, als zöge man mir den Boden unter den Füßen weg. Wir sind direkt zum Arzt, dann gab’s Kortison (Fortecortin) kurzfristig hoch dosiert und am nächsten Tag war alles soweit wieder im Lot.
Da haben wir uns langsam und traurig das erste Mal mit dem Hospizdienst in Verbindung gesetzt. Gebraucht haben wir den aber erst wieder im August, kurz vor seinem Tod. Bis zum 6.Juni hatten wir völlige Ruhe von den Metas, konnten noch heiraten, glücklich sein, leben...dann starb seine Mutter und nach der Beerdigung hatte er einen epileptischen Anfall. Mit Blaulicht ins Krankenhaus. Kortison, Weihrauch, Ergenyl und es ging wieder etwas aufwärts. Eigentlich begann sein Sterben da...denn er bekam in dieser Zeit einen solchen Lebenshunger...ich glaube, er wollte noch so viel wie möglich erleben, sehen und vor allem schmecken...sein Geschmacksinn, der lange nicht mehr gut gewesen war und ihm jeglichen Genuß verdorben hatte, war wieder da. Er konnte Essen und sich daran erfreuen und es blieb drin, was wir auch seit Wochen nicht mehr kannten. Wir sind also Essen gegangen, fast schon zwanghaft...überall, manchmal 2x am Tag und er hatte einen Riesen Spaß daran. Zwischendurch hatte er Abscencen, konnte nicht mehr selbst trinken, aber immer mal wieder ging das alles...wir waren noch bei meinen Eltern eine Woche im Urlaub, wofür er alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, da ich eigentlich gar keinen Urlaub hatte...es mußte „jetzt“ sein und heute weiß ich, daß sie ihn sonst nie mehr gesehen hätten. So fuhren wir also hin, waren da im Kino, hatten gute und nicht so gute Tage (Abscencen), aber er konnte noch einigermaßen laufen, wenn auch sehr wackelig und war guter Dinge. Er genoß die Zeit und fühlte sich sau wohl. Es war eine schöne Zeit, auch wenn ich manchmal sehr traurig war, weil er nicht bemerkte, wie schlimm seine Abscencen zum Teil waren.
Lange Unterhaltungen hatten wir auch noch und ich erinnere mich soooo gern an all das, denn als wir heimfuhren (auf einer Raststätte) versagten plötzlich seine Beine, als führten sie ein Eigenleben. In der folgenden Woche ging Laufen dann immer schlechter, ich konnte ihn nicht mehr allein lassen, denn er vergaß, von der Toilette zurück zu kommen und stand dort, bis ich ihn abholte, oder er fiel einfach um...Absencen wurden länger und schlimmer. Der Hospizdienst half uns über die letzten 2 Tage...Mein Mann konnte nur einen Tag nicht mehr aufstehen, ansonsten hat er sich so so so tapfer aufrecht gehalten. Er wollte doch auch nicht gehen, aber es ging nicht mehr. Zwischendurch war er einen Tag wieder so fit, dass er ganz fröhlich meine Mama angerufen hat und wir waren so froh...drei Tage später starb er in meinen Armen zuhause ohne Schmerzen, ohne größere Medikamentengaben. Nur ein bisschen was zur Beruhigung und eine kleine Dosis Morphium in der Menge, wie er sie sonst als Tablette schon einige Wochen genommen hat, weil er Schmerzen im Gallenbereich hatte, aber niemand herausfinden konnte, woran die lagen.
Sterben war nicht so einfach, denn er wollte ja nicht gehen, hat gemotzt und sich geweigert, als er gehen sollte, doch ich hab ihn sanft weggeschickt, ihm erlaubt und ihn ermutigt, mich alleine zu lassen, wobei mir das fast das Herz rausgerissen hat, denn ich wollte ihn doch behalten, aber ich wusste auch, dass er so nicht leben wollte, nicht als Pflegefall, der nicht mehr aufstehen kann. Er wollte eigentlich immer schon in seinen Stiefeln aufrecht stehend sterben, aber das war nicht mehr ganz möglich...Die Vorboten des Todes, so wie andere sie beschrieben haben (blau geäderte Gliedmaßen) habe ich an ihm nicht wahrgenommen. Er hatte eine schöne Farbe, fühlte sich eigentlich sehr wohl, aber er kühlte langsam aus, die Gliedmaßen waren eiskalt und nur der Torso noch schön warm, schwitzte stark und er konnte nicht mehr richtig die Augen öffnen, bis zu seinem eigentlichen Sterben, da öffnete er sie wieder und schaute mit großen, staunenden Kinderaugen...aber darüber kann ich nicht schreiben, das ist zu nah, zu privat, zu schön und zu schrecklich, um es zu teilen. Er atmete die letzten Stunden seltener, dafür tiefer...eine richtige Schnappatmung war das nicht, aber ähnlich, er hatte das Gefühl nicht mehr, Luft zu bekommen, obwohl er merkte, daß er atmete...er fühlte es nicht mehr und atmete daher sehr bewußt ein und aus, als müsse er sich mit jedem Atemzug daran erinnern, was er da tat...Zunächst regte ihn das sehr auf, aber er vertraute mir, als ich ihm sagte, er bekomme genug Luft und solle sich nicht aufregen. Zusätzlich erhielt er vom Vertrauensarzt des Hospizdienstes ein leichtes Beruhigungsmittel unter die Zunge und dann wurde es besser.
Ich hab einen ganzen Tag mit ihm zusammen Abschied nehmen können, wir haben Musik gehört, ich hab ihm vorgelesen, den Schweiß getrocknet, die kalten Arme und Beine sanft mit wohlriechendem Öl abgerieben und massiert, kleine Schlucke seines Lieblingssaftes mit einem Löffelchen gegeben und ganz viel bei ihm gelegen und mit ihm gekuschelt. Dann ging das Sterben los, worüber ich nicht sprechen möchte, da mich das noch zu sehr mitnimmt, was da abgelaufen ist, doch jetzt weiß ich, dass es danach auf jeden Fall weiter geht. Kein Zweifel.
Er hat noch gesagt, dass er was schönes sieht und dann hat er langsam, Stück für Stück nicht mehr geatmet...es war wie eine Geburt rückwärts und ich betrachte diese Sterbebegleitung für uns beide als großes Geschenk. Dass er mit 47 Jahren nicht bereit war, zu gehen, und es erst mal nicht so friedlich war (einschlafen oder so) ist völlig klar, aber ich konnte ihn über die Schwelle hinüberstreicheln, ihn beruhigen und ihm meine Liebe geben bis ganz zuletzt. Dafür bin ich sehr dankbar. Kein Krankenhaus, keine Angst, keine Schmerzen. Ich konnte bei ihm liegen, erzählen, Gedankenreisen machen...wir waren zusammen, so wie immer und der Sturm draussen tobte, der Regen prasselte auf die Erde und der Himmel war dunkel und die schwarzen Wolken zerrissen, aber hin und wieder schien die Sonne und das Gras draussen duftete. Ich werde diesen Tag nie in meinem Leben vergessen.

Dies ist also grob mein Erfahrungsbericht.
Bis bald mal wieder,
Christiane
__________________
Die Liebe meines Lebens

Es steht geschrieben,
dass die Hoffnung zuletzt stirbt.
Aber weißt du, wer ihr dabei zusieht?
Es ist die Liebe!
Die Liebe hält die Hoffnung in ihren Armen
Und wenn sie stirbt dann ist da nur noch Liebe

Petra Speth, (*1962 )
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  #5  
Alt 24.02.2007, 14:57
stef777 stef777 ist offline
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Standard AW: dinge, die mir angesichts des sterbeprozesses nicht aus dem kopf gehen

@alle

danke, dass ihr hier eure geschichten mit uns teilt....jede geschichte ist tief bewegend...


stef.
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  #6  
Alt 24.02.2007, 21:46
grka grka ist offline
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Standard AW: dinge, die mir angesichts des sterbeprozesses nicht aus dem kopf gehen

Hi

ich habe auch lange überlegt ob ich meine Geschichten aufschreibe, da meine beiden Erfahrungen nichts mit Krebs zu tun haben - aber nahe dran. Erst meine Oma vor einem halben Jahr mit Magendurchbruch (durch Tumor verursacht) und dann meine mom diese Woche. Sie hatte eine Leberzirrhose aber ich glaube nicht, daß die Totesursache war.

Zuerst meine Oma. Mit 97 bekommt sie einen Magendurchbruch. Nach der OP liegt sie im Koma und es hieß sie würde nie wieder selbstständig atmen und wachwerden. Nach 1 Woche atmete sie wieder und es hieß sie würde nie wieder wach werden. Nach 1,5 Wochen Intensivstation und jeder Menge Probs mit dem Kreislauf hieß es wörtlich "Auf Grund des hohen Alters sehen wir von weiteren medizinischen intensivmaßnahmen ab".

Im Klartext wurde sie zum sterben auf die Normalstation abgeschoben. Ich muss noch dazu sagen, meine Oma war zäh, sie hat die 2 Jahre vorher 2 Armbrüche, einen Beckenbruch, einen Oberschenkelhalsbruch (inkl neuer Hüfte) und Schienbeinbruch überstanden und immerwieder laufen gelernt!!! Ich bin also davon ausgegangen, daß sie auch das wieder schafft zumal die Prognosen der Ärzte ja immerwieder wiederlegt wurden. 4 Tage lag sie auf der Station und hat geröchelt. Die Ärzte meinten, daß merkt sie nicht und wach wird sie nicht mehr. Am 3. Tag wurde meine Oma wieder wach und wir konnten reden und lachen. Sie meinte auch, daß sie Probs beim Atmen hat und sie das röcheln SEHR WOHL stört und quälend ist. Auch am 4 Tag war sie wieder die alte und wir hatten Spaß, doch an dem Tag hatte sie schon blaue Füße und kalte Hände. Auch ihr eines Auge war nur halb offen und schaute woanders hin. Ab und zu blickte sie im Raum rum und lächelte so als ob sie jemanden erkennen würde. Ich war aber alleine mit ihr. Am Abend des 4. Tages kam dann der Anruf um halb 10 als ich zu Hause war. Ich bin traurig, daß sie alleine starb, da ich mir gewünscht hatte dabei sein zu können.

Bei meiner Mom war es ganz anders. Sie kam mit Blutdruckprobs ins Kh. Lag auf der Intensiv wegen Zuckerproblemen. Den einen Tag erkannte sie mich gar nicht und dachte ich wäre eine Schwester. Den nächsten Tag war ich zwar wieder ihre Tochter, doch sie sah Katzen im Zimmer und Kamele im Garten. Dieser Zustand blieb bis zum Schluss. Diesen Montag meinten die Ärzte sie hat eine Lungenentzündung und eine Fortgeschrittene Leberzirrhose mit Aszitis. Ich sollte mich um ein Pflegeheim kümmern weil auch die Hallozinationen nicht weggingen. Mom sah am letzten Tag neben den Tieren auch Menschen, die zT schon lange verstorben waren und ihre Stimme klang komisch - total müde so als ob sie nicht mehr die Kraft hätte die Lippen zu bewegen.
Am Dienstag früh kam dann der Anruf daß sie verstorben ist. Die Schwester meinte sie verstarb mitten im Satz. Sie hat sich wohl noch ganz normal mit ihr unterhalten und hat dann die Augen nach hinten verdreht und war tot. Ich denke sie ist nicht an der Zirrhose gestorben oder der Lungenentzündung, da sie auf dem Wege der Besserung war. Schätze es war eher das Herz oder eine Embolie oder ähnliches.

Erstaunlich fand ich, daß beide an dem Tag vorher Dinge gesehen haben, die nicht da waren und auch meine Mom hatte 2 Tage vor ihrem tod so ein komisches Auge...

Grüße
Grit

Geändert von grka (24.02.2007 um 21:49 Uhr)
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  #7  
Alt 24.02.2007, 22:45
grka grka ist offline
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Standard AW: dinge, die mir angesichts des sterbeprozesses nicht aus dem kopf gehen

mag sich vielleicht jetzt etwas zuuuu spirituell anhören, aber ich glaube, wir sind nicht alleine wenn wir sterben. Ich denke irgendwer kommt da und holt uns ab und hilft uns bei dem letzten Schritt. Mich tröstet der Gedanke, daß meine Oma nicht alleine gestorben ist
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