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  #1  
Alt 26.12.2007, 09:56
ursula.seibts ursula.seibts ist offline
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Standard AW: Vermutlicher Hirntumor... was nun?!

Hallo Booth!

Ich finde Deinen Fragekatalog sehr sehr gut. Ich wüßte nicht, was man noch hinzufügen könnte. ist nur die Frage, ob sich die Ärzte auch die Zeit nehmen das alles zu beantworten. Leider habe ich die Erfahrung gemacht, daß sie sich die Zeit nicht nehmen aber das kann ja bei Euch anders sein. Ich bin aus Wien, habe also mit Eurer Klinik keine Erfahrung.

Mein Papa hat auch einen Tumor im Hirn.Man kann aber nicht operieren, weil er so ungünstig sitzt. Ich bin total fertig-er kriegt jetzt Strahlentherapie und Chemo-ist aber total positiv eingestellt ißt viel-das sind sicher die vielen antidepressiva die er kriegt aber er war immer eine Kämpfernatur. Ich hoffe. das ihm das hilft.

Ich bin leider das genaue Gegenteil.Habe immer schon Depressionen gehabt aber seit der Diagnose und dem ganzen Trara habe ich aufgehört zu leben. Ich pumpe mich mit Tabletten voll und leider auch mit alk damit ich die situation halbwegs aushalte. Ich funktioniere nur mehr wenn ich ins Spital gehe aber ich für mich habe aufgehört zu leben - ich vegetiere dahin-esse kaum.....

Ich wünsche Dir und Deiner Ma ganz viel Kraft-die braucht Ihr jetzt.

Gratulation nochmal zu dem Fragebogen-ich werde auch davon Gebrauch machen ev. aber nur wenn Du es erlaubst.

Ganz liebe Grüsse,

Uschi
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  #2  
Alt 26.12.2007, 10:59
Kristina M. Kristina M. ist offline
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Standard AW: Vermutlicher Hirntumor... was nun?!

Lieber Booth, erst einmal "Alle Achtung", Deine Herangehensweise spricht für die nötige Klarsicht, die so ein Schwerkranker in seinem Umfeld dringend benötigt. Das ist immer gut, auch Uschi kann ich verstehen...es hat mich als Ehefrau sehr viel Kraft gekostet die sachliche Übersicht zu bewahren. Aber mein Mann hat es mir leicht gemacht, als Informatiker hat er genau das getan, was Du mit Deinem Fragenkatalog vorhast. Er hatte aber nur drei Tage Zeit zum Nachdenken und Hinterfragen, so lange konnte man mittels Cortison den Ist-Zustand halten. Überzeugt hat ihn der Operateur dann schließlich, dass er sich Zeit nahm und meinem Mann auf mehreren Monitoren die OP genau erklärte, mit 3-D-Aufnahmen usw. Das überzeugt einen rational denkenden Menschen immer. Da die Sachlage bei Deiner Mutter aber anders ist, müsstest Du wahrscheinlich diesen Part übernehmen. Ich habe im Hintergrund gewirbelt und eine Zweitmeinung eingeholt, ein Prof. aus Bonn, den wir vom Segeln kennen. Ihm habe ich die CD mit den Aufnahmen gemailt. Das ist übrigens eine wichtige Erfahrung, die wir gemacht haben, lasst alle Aufnahmen auf CD brennen...wir haben diese dann im weiteren Krankheitsverlauf oft gebraucht. Und noch ein Tipp: Versucht doch in der Klinik einen Psychologen oder Seelsorger zu bekommen, ich glaube, das Gespräch mit einer außenstehenden Person würde Deiner Mama guttun. Schaut aber vorher genau hin, ob diese Person auch für sie geeignet ist, Ihr kennt Eure Mama am besten. Was Deinen Fragenkatalog anbelangt, so vermute ich, dass man sich bei einigen Fragen mit Sicherheit nicht festlegen wird, zum Beispiel, was den weiteren Verlauf anbelangt oder die Prognosen. Da legt man sich als Arzt niemals fest. Und über die Risiken muss man als Patient aufgeklärt werden, und zwar in drastischster Form. Das wird für Deine Mutter am schwierigsten sein, denn wenn sie das hört, bekommt sie noch mehr Angst. Deshalb müsst ihr unbedingt vor diesem Aufklärungsgespräch mit ihr reden und ihr sagen, dass man sogar bei einer harmlosen Meniscus-OP dem Patienten sagen muss,dass er u.U. unter der Narkose sterben kann.Zusammenfassend möchte ich raten: Booth, bleibe Du der sachliche Part!!! Und versucht einen Ansprechpartner in der Klinik zu bekommen, mit dem ihr im Hintergrund alles besprechen könnt und entscheidet mit ihm, was man an Eure Mama heranlassen darf. Sie ist ja nicht entmündigt. Bei meinem Mann war es dann so, dass er riesiges Vertrauen zum Operateur hatte und noch sehr lange mit ihm in persönlichem Kontakt blieb. Und er ist nicht an seinen Hirnmetastasen gestorben, sondern bei sehr klarem Verstand an den Lebermetastasen.
Ich wünsche Euch weiterhin viel Kraft, Mut und Vertrauen. Kristina

Geändert von Kristina M. (26.12.2007 um 16:48 Uhr)
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  #3  
Alt 26.12.2007, 11:26
Booth Booth ist offline
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Standard AW: Vermutlicher Hirntumor... was nun?!

Hallo Ursula, hallo Kristina,

vielen Dank für die Rückmeldung. Tja... ob sich die Ärzte "die Zeit" nehmen hängt meines Erachtens auch davon ab, wie sehr man als Patient bzw Angehöriger "fordert". Meine Mutter würde eigentlich gerne fordern, nur bringt eben leider nicht die Kraft auf. Also müssen das mein Vater und ich tun - ich denke, wir werden das schon hinkriegen. Umgekehrt kann ich ja auch einen Arzt verstehen, da er sicher verdammt viel zu tun hat, und ausserdem gibts ja Leute, die vielleicht gar nicht so genau wissen wollen, was passiert, sondern froh sind, wenn sie einfach den Empfehlungen der Ärzte folgen können. Auf gut deutsch - ein Arzt kann ja auch nicht die Gedanken der Patienten reingucken.

Prinzipiell habe ich den Eindruck, daß wir diese Fragen schon letzte Woche unbedingt hätten stellen müssen, also quasi Zeit verloren haben. Daß zur Zeit aber nunmal auch Weihnachten ist, hat die ganze Sache nicht gerade einfacher gemacht. Gespräche mit einem Seelsorger oder Psychologen hatte ich meiner Mutter auch gestern bereits empfohlen - muss doch irgendwo einer von der Sorte in einem großen Klinikum aufzutreiben sein. Und in dieser Hinsicht könnte uns die Weihnachtszeit wieder helfen, da das Krankenhaus sicher eher schwach belegt ist.

Ursula - Dir möchte ich noch unbedingt persönlich empfehlen, Dir Hilfe zu suchen. Es klingt so, als wärest Du mit Deinem Kummer über die schwere Krankheit Deines Vaters mehr oder weniger alleine. Als ängstlicher und sensibler Mensch ist das eine Situation, die man alleine gar nicht bewältigen KANN. Wenn Du zur Zeit keinen Partner hast, und Freunde zu "weit" entfernt sind (egal ob physisch oder mental), dann suche Dir unbedingt professionelle Hilfe und am besten zusätzlich eine Selbsthilfegruppe. Solch eine Gruppe müsste in einer Millionenstadt wie Wien eigentlich aufzutreiben sein. Ich glaube, daß es essentiell für Dein weiteres Leben ist, wie Du mit dieser Krise umgehen wirst. Und auch wenn diese Krise wahnsinnig schwierig ist... Dein Leben sollte auch während dieser Krise weitergehen. Unbedingt.
Ich habe eben einfach mal in Google "Krebs Selbsthilfegruppe Wien" eingetippt, und habe folgende Seite erhalten: http://hilfe.wien.gv.at/content/de/1...o?senseid=1353
Dummerweise sind dies Gruppen von Betroffenen - aber wenn Du Dich auf den Webseiten dort etwas umschaust, oder auch einfach mal anrufst, wird man Dir ganz bestimmt Gruppen von Angehörigen nennen können.

Und nochmals vielen Dank für Eure Antworten... auch sowas hilft schon sehr weiter - jede kleien Aufmunterung hilft

Daher auch an Euch die unbedingte Bitte als Angehörige nicht aufzugeben. Es ist sicher schlimm "daneben" zu stehen, und herzlich wenig machen zu können. Mein Vater und ich stehen da erst am Anfang, unsere Kraftreserven anzuzapfen, und bereits jetzt merke ich manchmal wie schwierig das ist. Lasst Euch auf keinen Fall hängen... und wenns nicht anders geht, sucht selber Hilfe. Wir sind ja keine Maschinen, und auch als Angehöriger ist man mal mit der Kraft am Ende. Sucht Eure Möglichkeiten, diese Kraft immer wieder aufzupeppeln. Ihr helft damit nicht nur Euren kranken Angehörigen, sondern auch Euch selber

Und zum Abschluss: Auch während der schweren Phasen dieser Krankheit geht das Leben weiter. Ziemlich chaotisch und durcheinander... aber man muss sich immer wieder die schönen Minuten suchen - und die gibt es selbst jetzt

gruß
Booth
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  #4  
Alt 26.12.2007, 15:51
cioara cioara ist offline
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Standard AW: Vermutlicher Hirntumor... was nun?!

Hallo Booth,
sorgfältig gesammelte Infos findest Du im Hirntumorforum:
http://www.mc600.de/forum/
Es gibt auch eine Hirntumormailingliste: http://www.hirntumor.de, wo ein sehr reger Austausch herrscht.
Zu Dortmund kann ich keider nichts sagen. Dafür aber ein paar Antworten auf Deine Fragen:
Wenn sich die Beschwerden Deiner Mutter so schnell angekündigt haben und im CT auch etwas gesehen wurde, dann ist es von einem Hirntumor auszugehen. Dass ein Krebs im Körper sich durch eine Metastase im Hirn ankündigt, das wäre weniger probat. Die Frage mit dem Abchecken des Körpers kannst Du wohl beiseite lassen.
Suche ein klares Gespräch mit den Neurochirurgen nach Auswerten des MRTs. Beim MRT kann man anhand der Kontrastmittelaufnahme die Malignität des Tumors einschätzen.
Solange die Lage nicht unmittelbar lebensbedrohlich ist (und das scheint nicht der Fall zu sein), willige nicht in die OP am Freitag ein. Die durchzuführen wäre absolut ungewöhnlich. Der Patient und die Angehörigen müssen erst ordentlich aufgeklärt werden und sie müssen sich die Zeit nehmen, eine Zweitmeinung einzuholen, sich genauest zu informieren, einschließlich über die Klinik bzw. den Arzt, der operiert. Ihn selbst zu fragen "Hey Mann, bist Du gut?" wäre ein ziemlicher Witz...
Viel Erfolg morgen
Victoria
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  #5  
Alt 27.12.2007, 09:07
ursula.seibts ursula.seibts ist offline
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Lächeln AW: Vermutlicher Hirntumor... was nun?!

Hallo Booth!

Vielen Dank für Deine Antwort und Deine Ratschläge.Du hast Recht - ich brauche unbedingt Hilfe. Ich habe einen Therapeuten, weil ich ja schon lange Depressionen und Essstöhrung (Magersucht)habe.Aber irgendwie geht da nichts mehr weiter-obwohl in dieser Situation hilft er mir schon sehr. Danke für die links-werde mich da durch klicken.

Viel Kraft schicke ich Dir - soviel ich halt noch auftreiben kann und viel Liebe!:

Alles Gute und lass wieder von Dir hören, alles Gute für Deine Mum!

Uschi
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  #6  
Alt 29.12.2007, 12:54
Booth Booth ist offline
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Standard AW: Vermutlicher Hirntumor... was nun?!

Hallo allerseits,

kurzes Update: Am Donnerstag wurde nun endlich die MRT-Aufnahme gemacht, und anschließend gab es ein sehr ausführliches Gespräch mit dem Fachoberarzt. Da konnte ich dann zum ersten mal erleben, wie wenig meine Mutter eigentlich in der Lage ist, sachliche Informationen aufzunehmen. Das einzige, worum sich ihre Gedanken drehten (und leider noch immer grössenteils drehen) ist, ob sie sterben muss. Sonst passt da im Moment nix bei ihr rein.

Das Bild war eigentlich ziemlich eindeutig, da ein deutlicher Tumor (ein paar zentimeter) am Rand des rechten Kleinhirns (also "hinten-unten-rechts" im Kopf) vorhanden ist. Die Schwellung, die sich über die Hälfte des restlichen Hirns ausbreitete war auch klar zu sehen. Zur Malignität wollte der Arzt nichts sagen, was ich auf Grund des Hinweises von Cioara etwas irritierend fand. Aber es ist eigentlich ziemlich eindeutig, daß der Mist da nicht nur raus muss, sondern vor allem auch raus kann. Der Arzt sagte, daß diese OP im Hirn-Bereich eine der "angenehmsten" wäre, da im Kleinhirn wohl insbesondere Gleichgewicht und Motorik beheimatet sind, aber eben keine "höheren" Funktionen, die das Persönlichkeitsbild betreffen - und selbst wenn es da nach der OP Störungen geben sollte, ist die linke Kleinhirnhälfte ja noch vollständig da, und würde nach einer Reha (falls die überhaupt nötig sein sollte) dann höchstwahrscheinlich wieder diese Funktionen einwandfrei übernehmen.

Und da der Tumor ganz am Rand des Kopfes ist, kann man quasi direkt von hinten den Tumor rausschnibbeln, und muss wohl nichtmal den Schädel aufbohren, geschweige denn durch gesundes Hirngewebe hindurch operieren. Das klingt somit danach, als könnte ein Großteil des Tumors oder gar das ganze Mistding rausgenommen werden, ohne allzuviel Probleme zu verursachen.

Auch wurde noch ein Torax-CT vorgenommen, wo man einen kleinen Knoten in der Brust gefunden hat, der nach gestriger Mammografie und Ultraschall aber als nicht besorgniserregend eingestuft wird (ich versuche hier trotzdem auch auf eine Biopsie bzw weitere Beobachtung zu drängen). Zudem gibt es ein kleines Gewebe in der Lunge, welches ca. 1,2cm groß ist, und wo am nächsten Mittwoch noch eine Bronchial-dingsbums *g* gemacht wird (genauen Namen weiss ich nicht mehr - halt eine Untersuchung der Bronchen in der Hoffnung, an dieses Gewebe dranzukommen, um ne Probe zu entnehmen, was aber eher unwahrscheinlich ist).

Meine Mutter ist zwar nach wie vor relativ panisch bis hysterisch und denkt eigentlich pausenlos nur an den Tod, aber aus meiner Sicht wirkt die Diagnose den Umständen entsprechend sehr hoffnungsvoll. Der Tumor im Hirn ist zwar nicht klein, aber offenbar sehr gut operabel und die Risiken für Funktionsausfälle des Hirns klein und wenig besorgniserregend. Die restlichen Befunde scheinen ebenfalls klein bis nicht vorhanden. Ich selber bin im Moment eigentlich guter Dinge und versuche mit meinem Vater nun meine Mutter zu überzeugen, die OP am Kopf möglichst rasch durchführen zu lassen (Ende nächster Woche ist zZ im Gespräch). Da sie eigentlch ausschließlich damit beschäftigt ist, sich einzureden, daß dies ihr Ende wird, ist das alles andere als leicht - aber ich denke, daß jedes unnötig lange Warten nicht hilfreich wäre.

Schaun wir mal wie es weiter geht.

Ach... es wurde ja oben gefragt, ob "meine Liste" andere übernehmen bzw als Grundlage für ihre Fragen nehmen könnten. Was für eine unnötige Frage - natürlich ... wobei ich gesehen habe, daß im Forum, welches ciaora verlinkt hat, eine ähnliche Liste gleich im obersten Thema zu finden ist. Übrigens Danke für diesen Link, ciaora

Und allen anderen (insbesondere Dir, Ursula) mmöglichst viel Stärke und Kraft um weiterzumachen. Immer dran denken, daß das Leben trotz aller Widrigkeiten viele schöne Momente beinhaltet

gruß
Booth

Geändert von Booth (29.12.2007 um 13:01 Uhr)
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  #7  
Alt 07.01.2008, 00:55
Booth Booth ist offline
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Standard AW: Vermutlicher Hirntumor... was nun?!

Erneutes Update bzw eher ein OP-Bericht aus der Sicht eines Angehörigen - und zusammengefasst kann ich nur sagen: Ich hasse Komplikationen.

Letzten Donnerstag wurde meine Mutter operiert. Die Tage zuvor wurde uns nochmal genau das MRT erklärt, wo nicht nur ein Tumor entdeckt wurde (wie ich beim ersten mal fälschlicherweise verstanden hatte), sondern drei! Alle im Kleinhirn, zwei davon recht groß und direkt nebeneinander und aussen liegend. Ein kleinerer innen liegend, der noch nicht entfernt werden sollte und auch nicht wurde.

Meine Mutter hat leider ihre pessimistische Art nicht verloren und hat die Tage zuvor ständig Bemerkungen gemacht, als wäre die OP ihr Tod, obwohl die Ärzte uns große Hoffnungen machten, daß sie die OP gut überstehen würde. Auch wenn sie es nicht so gesagt hat, habe ich selber den Eindruck, als hat sie die OP eher wie eine Hinrichtung wahrgenommen, als wie ein nötiger und wichtiger Versuch ihr zu helfen.

Die OP verlief laut Arzt quasi ohne Komplikationen und dauerte am Donnerstag ca. 4 Stunden. Die beiden Tumore konnten einwandfrei rausgenommen werden, wie geplant, und es gab während der OP keiner Komplikationen. Anschließend wurde meine Mutter auf die Intensiv-Station gebracht, wo ich sie nur ca. 1-2 Stunden nach der OP am frühen Abend sehen konnte, was natürlich ein leichter Schock war. Mehrere Schläuche, sie wirkte doch arg mitgenommen und hinterm Bett Technikbauten wie im Raumschiff Enterprise. Ich hatte nun die Hoffnung, daß sie bald wach würde, und sogar nach kurzer Zeit zu reden beginnen würde - leider musste ich genau an dem Abend bis zum nächsten Nachmittag in eine andere Stadt und meinen Vater alleine lassen.

Es ist an dem Abend aber nichts mehr passiert, ausser der gescheiterte Versuch, sie schon alleine atmen zu lassen. Am nächsten Mittag besuchte mein Vater sie dann erneut, und war total schockiert über die geringen Fortschritte. Meine Mutter war zwar wach, und öffnete extrem matt einige male die Augen und konnte auch einmal lächeln, aber ansonsten passierte wenig. Von "miteinander sprechen" keine Spur. Die Besuchszeiten auf der Intensiv sind auch recht kurz - Mittags von 11:30-13:00 und Abends von 17-19 Uhr. Mein Vater verließ enttäuscht um 13 Uhr am Freitag die Intensiv und hoffte auf den Abend, wo wir dann wieder gemeinsam auftauchten und uns ein Arzt am Bett meiner Mutter empfing, die wieder vollständig weggetreten war. Es war direkt vorher ein CT gemacht worden, und das Hirn ist nach der OP weiter angeschwollen, sodaß eine Drainage gelegt werden sollte, sagte der Arzt.

Wir waren natürlich ziemlich entsetzt, weil wir dachten, daß die Komplikationen eher unwahrscheinlich wären - zumindest habe ich das der OP-Vorbesprechng so entnommen, und war eigentlich extrem optimistisch, daß alles glatt läuft. Pustekuchen. Aber OK... Drainage... ein weiteres kleines Loch im Kopf... sie wird es wohl überleben. Also stimmten wir schließlich zu, und der Arzt machte sich ans Werk, was nicht sooo lange dauerte. Anschließend durften wir nicht nochmal zu meiner Mutter, aber er versicherte uns, daß alles nun besser aussieht, da sie direkt nach der Drainage mit Augenöffnen reagiert hätte. Na gut... also wirds dann halt am Samstag was mit dem ersten Gespräch - und wir gingen nach dem Hoffnung machenden Gespräch mit dem Arzt wieder heim. Ich ging dennoch mit einem schlechten Gefühl ins Bett - ich hasse Komplikationen. Aber das sollte erst der erste Teil sein.

Um ca. viertel nach 4 in der Nacht klingelte mich dann das Telefon wach, und einer der neurochirurgischen Oberärzte war am Telefon: Notfall! Das Hirn meiner Mutter ist weiter geschwollen und er müsste nun erneut was tun. Mir raste das Herz und es wollte beinahe zerspringen, als er mir erzählte, was er zu tun gedenke: Insbesondere das Kleinhirn wäre extrem geschwollen und obwohl die herausoperierten Tumore bereits viel Platz gemacht hätten, reicht das nicht - das Kleinhirn drückt aufs Stammhirn was akute Lebensgefahr bedeutet. Einziger Therapievorschlag vom Arzt: Er müsste von der Hälfte des Kleinhirns, wo die Metastasen entfernt wurden, ca. 50% absaugen. Mein Gott - gesundes Hirngewebe zerstören. Das ist doch Wahnsinn.

Obwohl ich inzwischen soviel gelesen hatte, daß ich wusste, daß das Kleinhirn insbesondere für Fein-Sensorik und -Motorik verantwortlich sein soll, und selbst komplette Kleinhirn-Entfernungen von Patienten gut bis sehr gut überstanden wurden, konnte ich nicht direkt mein Einverständnis geben, sondern wollte wissen, ob grössere neurologische Schäden nicht doch entstehen könnten. Der allergrösste Horror meiner Mutter: Als langjähriger Pflegefall mit geistiger Behinderung enden.

Der Arzt konnte natürlich nichts versprechen, und er drängte auf die Zeit, wohingegen ich weiter diskutieren wollte - es entstand schließlich ein Streitgespräch, in welchem er sagte, daß er als momentan verantwortlicher Arzt diese OP durchzuführen gedenke, auch ohne meine Zustimmung, und daß es um Minuten ginge, sodaß ich am Ende des Gesprächs ich nur sagen konnte, daß er tun solle, was er für richtig halte.

Ich machte ein ausführliches Protokoll vom Gespräch und schrieb auch meine Gedanken auf, und hatte am nächsten Morgen die Aufgabe, dies meinem Vater zu erzählen, nachdem ich kein Auge mehr zugemacht hatte, als das Gespräch mit dem Arzt zu Ende war.

Am Samstag Mittag auf der Intensiv lag meine Mutter wieder komatös in ihrem Bett - nun noch mit einer Drainage und zusätzlichen Schläuchen... kein ermutigender Anblick. Sie war zu dem Zeitpunkt erst wenige Stunden wieder aus der OP und war noch nichtmal wieder bei 36 Grad Körpertemperatur. Na super. Wir gingen ziemlich betreten nach Hause und ich hatte den Eindruck, daß es der grösste Fehler meines Lebens war, meine Mutter zu dieser OP zu raten.

Als wir dann am Abend wieder auf der Intensiv standen, sagte man uns vorher, daß meine Mutter Fortschritte zeigte, da sie nun ansprechbar wäre. "Ansprechbar"... was für ein erleichterndes Wort... man denkt, man spricht jemanden an, der lächelt, antwortet... sowas halt. Tja... Ärzte haben halt eine eigene Sicht der Sprachkonventionen. Als ich vor meiner Mutter stand, sah ich Null Unterschied zum Mittag. Ich rief ihren Namen, aber sie machte keinen Mucks. Dann kam der Arzt und rüttelte wild an ihrer Schulter und rief laut ihren Namen. Sie öffnete für eine Sekunde ihre Augen, die sich sofort wieder schlossen und hob für dieselbe Zeitspanne kurz einen Unterarm. "Sehen sie... sie ist ansprechbar". Ich hätte dem Arzt in diesem Augenblick am liebsten meinen Deutschlehrer auf den Kopf geworfen.

Nach einer längeren Diskussion machte mir der Arzt klar, daß er dies aus neurologischer Sicht als klaren Fortschritt ansieht, und wie es weitergeht: Nämlich mit warten. Er klang in allem was er sagte sehr hoffnungsvoll. Der dritte (oder vierte?!) Arzt der locker-lustig Hoffnungen macht, während ich nur meine Mutter komatös mit Schläuchen zugestopft rumliegen sehe. In diesem Augenblick ist mir klar geworden, daß ich in Zukunft nie mehr das hoffnungsvolle Geschwafel von Ärzten ernst nehmen werde. Ärzte sind letztlich handelnde Statistiker. Sie wissen, wie "in aller Regel" die Patienten sich so machen... aber ob man selber dazugehört ist bei jeder Situation für eine individuelle Person immer eine 50:50-Angelegenheit. Mich als Einzelnen werden in Zukunft all diese Statistiken nicht mehr interessieren. Ich werde jeden Eingriff und jedes Behandlung als Kampf ansehen, den ich zu führen habe, und ob ich da heile rauskomme, wird niemand sagen können. Was habe ich davon, wenn von 1.000 Hirn-OPs am Kleinhirn so eine Komplikation nur 5 mal auftritt, aber ich einer der 5 Leute bin?! Nix.

Am heutigen morgen waren wir dann natürlich wieder bei meiner Mutter und sie war nun tatsächlich wach, und reagierte auf Ansprache ohne ihr ein mittelschweres Schleudertrauma zu verursachen. Sie öffnete die Augen, reagierte auf Fragen mit leichtem Kopfnicken oder -schütteln, wollte mehrmals leicht ihren Körper aufrichten, und erkannte mich und meinen Vater eindeutig. Endlich mal etwas mehr. Sie weinte auch zwei- oder dreimal. Vor Erleichterung wie ich hoffte. Nachdem sie aber kurz ihre glausigen Augen für ein paar Sekunden aufgerissen hatte, und ihren Arm in einer unermesslichen Kraftanstrengung anheben konnte, war sie für mehrere Minuten wieder weg. Mein Vater und ich redeten ihr viel zu, und redeten auch über belangloses Zeug miteinander, einfach damit sie unsere Stimmen hören konnte. Nach anderthalb Stunden mussten wir um 13 Uhr wieder gehen, und waren nun wieder ein wenig optimistischer.

Am Abend waren wir natürlich wieder dort, und der Zustand hat sich eigentlich kaum verändert. Sie konnte zwar nun öfters die Augen öffnen, hat aber nach wie vor kaum was erkannt. Dafür weinte sie nun recht oft in der zweiten Besucherstunde - diesmal hatte ich den Eindruck, daß sie wieder vor panischer Angst und Verzweifelung weinte. Auf gutem Zureden, daß alles gut wird, schüttelte sie mehrmals den Kopf. Es zerriß mir das Herz, und wenn ich im Moment wieder über die negative Einstellung meiner Mutter nachdenke, weiss ich nicht, ob ich heulen oder schreien soll.

Im Moment habe ich keine Ahnung, wie viele ich von diesen "Sessions" noch durchhalte. Wenn sie sich nicht morgen endlich soweit erholt, daß sie selber atmen kann, und vielleicht auch ein paar Worte reden kann, und selber deutliche Fortschritte sieht, dann wirds echt hart. Sie kann nicht reden, nichts tun, nur da liegen und darauf warten, daß die scheiss Hirnschwellung endlich zurückgeht, und beten, daß die entfernten Hirnbereiche keine grösseren Probleme verursachen. Und man kann ihr nichtmal erklären, daß nur diese doofe Schwellung zurückgehen muss. Ich bilde mir ein, genau zu wissen, was sie am Abend nach einem halben Tag in diesem Zustand dachte: So werde ich den Rest meines Lebens verbringen. Total gelähmt, ohne reden zu können - ein totaler Pflegefall.

Wenn es nicht bald endlich besser wird nach diesen zwei letzten Horrortagen, dann brauche ich bald selber eine Intensiv-Station.

Sorry, wenn das alles eher negativ klingt. Die Ärzte haben noch immer die Erwartung, daß die Schwellung nun endlich zurückgeht, und sie in einiger Zeit (Tage, Wochen?! Niemand kann es sagen...) wieder die Alte sein wird. Wenn ich sie weinend, schluchzend mit total glasigen Augen, kaum die Kraft, einen Arm anzuheben mit lauter Schläuchen zur Beatmung, Ernährung, Medikamentierung dort liegen sehe, fällt es mir schwer daran zu glauben, auch wenn mir mein sachlicher Teil in meinem Kopf sagt, daß es so kommen wird.

Sagte ich schon, daß ich Komplikationen hasse?!

gruß
Booth
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  #8  
Alt 31.03.2008, 12:53
Stella333 Stella333 ist offline
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Beiträge: 182
Standard AW: Vermutlicher Hirntumor... was nun?!

Booth - ich finde, du bist eine unglaublich starke Persönlichkeit. Weiß nicht warum, habe aber beim Lesen deiner Beiträge so das Gefühl. Vor allem wünsche ich dir weiterhin, dass du trotz dieser sch.... Krankheit deiner Mutter, immer noch Zeit für die schönen Dinge des Lebens findest . Mein Beileid ebenfalls.

Tausend Grüße
Stella

Geändert von Stella333 (31.03.2008 um 12:56 Uhr)
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