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  #1  
Alt 26.12.2007, 23:24
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Redaktöse Redaktöse ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Liebe destiny,

ich melde mich erst jetzt wieder, nachdem wir meinen Vater heute Abend in die Klinik gebracht haben. Morgen folgt die OP. Ich denke viel an deine Zeilen und sehe immer vor meinen inneren Augen, wie du mit deiner Mutter schon am Tag danach in die Cafeteria gehen konntest. An diesem Bild kann ich mich ein bisschen festhalten, wenn ich nicht weiß, in welche Richtung ich denken soll.

Liebe Gracia,

ich habe mich in den letzten beiden Tagen immer wieder gefragt, wie du und die vielen anderen Angehörigen hier Weihnachten verbracht haben. Bei uns war es "wild". Ich habe viel geweint und mich durch vieles, was mein Vater getan hat, sehr verletzt gefühlt. Egal, was meine Mutter und ich Banales gesagt haben (über die Krankheit durften wir nicht sprechen), er hat sofort losgebrüllt und sich provoziert gefühlt. Ich habe dann irgendwann so gut wie gar nichts mehr aus Eigeninitiative gesagt, nur um mich selbst irgendwie zu schützen. Er ist aber fast die ganze Zeit wirklich in seiner eigenen Welt, von wo aus er nicht mehr mit anderen sprechen möchte bzw. auch gar nicht das Bedürfnis danach hat. Aber dann, wenn man es fast nicht mehr für möglich hält, reißt manchmal der Himmel auf. Im Krankenhaus hat er fast eine ganze Stunde mit uns zusammengesessen und war eigentlich ganz wie früher. Nur angefasst werden mochte er nicht.

Hallo Quirin, hallo Sammy,

mein Vater ist privat versichert. Er liegt jetzt in der Neurochirurgie der Uni-Klinik Bonn und wird morgen bei Prof. Schramm operiert. Ich habe den Eindruck, dort ist man mitteilsamer und einfühlsamer als in der Klinik davor. Mal sehen ...

Morgen Nachmittag ist auch das vorüber.

Viele Grüße an euch alle,
Regine
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  #2  
Alt 27.12.2007, 17:38
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destiny68 destiny68 ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Liebe Regine,

wie geht es Deinem Papa? Ich habe oft an Euch gedacht heute und hoffe, dass alles bestens gelaufen ist. Vermutlich wird er erst noch auf der Intensiv-Station bleiben müssen. Meine Ma wurde morgens direkt als erste operiert und durfte gute 24 Stunden nach der OP am nächsten Mittag wieder auf die normale Station.

Ich drücke Euch die Daumen,

Gruß
destiny68
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  #3  
Alt 27.12.2007, 20:26
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Liebe destiny,

danke fürs An-uns-Denken! Es scheint geholfen zu haben! Heute Mittag konnten wir mit einem Arzt telefonieren, der meiner Ma und mir gesagt hat, dass alles gut verlaufen sei und mein Papa vielleicht sogar schon heute Abend wieder auf die normale neurologische Station verlegt werden könne. Richtig erleichtert bin ich aber erst, wenn ich ihn morgen dann selbst gesehen habe.
Und der Krebs ist schließlich dadurch ja leider nicht weg, auch wenn dann nach Analyse der Metastase vielleicht endlich mal fünf Wochen nach der Diagnose mit einer Therapie begonnen werden kann.

Komisch, obwohl nun alles gut gegangen ist, fühle ich mich trotzdem nicht glücklich. Eher nur ausgelaugt.

Alles Liebe für dich,
Regine
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  #4  
Alt 19.01.2008, 13:43
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Ein neuer Tag, eine neue Diagnose:
primär cerebral metastasiertes Adenocarcinom der Lunge, nichtkleinzelliges Bronchialcarcinom,
Stadium IV.

Mein Vater hat vor drei Tagen seine erste palliative Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel bekommen. Nun liegt er hier zu Hause, hat Knochenschmerzen und ist so schwach, dass er kaum noch die Kaffeetasse halten kann. Der Arzt sprach in Bezug auf Nebenwirkungen nur von leichten Empfindungsstörungen.

Ich bekomme langsam Angst. Es wird nun jeden Tag schlechter.
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  #5  
Alt 19.01.2008, 23:47
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Ute 2007 Ute 2007 ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Hallo Regine,

die vorhergehende Diagnose war ja schon fast so. Das Adenokarzinom ist eines der nichtkleinzelligen Karzinome der Lunge. Eigentlich langsam wachsend. Das die Ärzte die Nebenwirkungen der Chemotherapie herunterspielen kenne ich auch. Aber man kann das schaffen, wie viele hier schon einige Chemotherapien hinter sich gebracht haben.
Das dein Vater sich nach der Chemo schwach und kraftlos fühlt ist normal. Wichtig ist nur, das er sobald es ihm besser geht, wieder anfängt raus zu gehen. Sein Immunsystem braucht die Bewegung und ach frische Luft und mal ein paar Sonnenstrahlen. Auch wenn es Anfangs nur ein paar Minuten sind, es tut ihm bestimmt gut.
Wegen den Knochenschmerzen sollte ihm sein Hausarzt ein Schmerzmittel verschreiben. Man braucht heutzutage keine Schmerzen mehr aushalten.

Liebe Grüße

Ute

Geändert von Ute 2007 (19.01.2008 um 23:51 Uhr)
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  #6  
Alt 20.01.2008, 00:26
WilliamMatthew
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Regine, ich drück Dich. Zu dem, was du jetzt wechselnd beschreibst, mag ich lieber still sein. Es ist, wie es ist.
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  #7  
Alt 20.01.2008, 21:43
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Ich hätte ehrlich nicht geglaubt, dass mich lächerliche 56 Stunden Pflege so fertig machen. Tausend Sachen wollte ich in diesen vier Tagen bei meinen Eltern erledigen, damit sie etwas besser über die zwei Wochen bis zu meinem nächsten Besuch kommen. Nichts hat geklappt.

Wir haben einen Abwasserrohrbruch im Keller. Alle paar Stunden muss das knöcheltief stehende Toillettenabwasser abgeschöpft werden. Einen Kanalnotdienst durften wir auf Geheiß meines Vaters nicht rufen, meine Mutter sagt, ihr sei nun alles egal, sie lasse es fließen, und ich bin so müde und k.o., dass ich wirklich nicht einmal die Kraft habe, mich durchzusetzen, selbst anzurufen und das Ganze selbst zu zahlen. Ich könnte mich selbst dafür ohrfeigen.

Papa ruft vom Bett aus - das erste Mal seit der Diagnose hat er sich vor drei Tagen freiwillig ins Bett gelegt und liegt bis heute dort - alle zehn Minuten nach uns. Immer müssen wir etwas suchen, kochen, machen, zur Apotheke fahren ... An Schlaf in der Nacht war natürlich kaum zu denken.

Dabei gibt es sie schon auch, diese schönen Momente: Wenn Papa vor Schwäche sogar Körperkontakt zulassen kann und will, oder als er mir gestern gesagt hat, ich sei sein Fels in der Brandung, und ich mich für einige Zeit wirklich so gefühlt habe. Heute aber warte ich nur darauf, dass ich mich wenigstens kurz hinlegen kann, um einfach vor Erschöpfung zu weinen. Morgen ist dann vielleicht ein besserer Tag.

Ute, William,
ich bin euch so dankbar für eure Antworten. Ihr wisst gar nicht, wie sehr. Allein schon, dass dies hier irgendjemand liest; dass mein Stück aufgeschriebens Leben hier irgendjemand lesenswert erscheint.
Danke.
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  #8  
Alt 21.01.2008, 23:09
WilliamMatthew
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Weißt Du, Regine. Ich geb zu... wenn ich so bei Dir lese, versuche ich Trauerarbeit bei mir selbst zu leisten. Wenn ich so den Wertegang deines Papas lese, da wird mir an meinem so einiges klar. Ich hatte ja nur 4 Wochen Zeit, bestimmte Phasen mitzumachen. Die, die du beispielsweise jetzt beschreibst, die kenne ich auch ... bzw. die habe ich mir soeben beim Lesen Deiner Zeilen in Erinnerung gerufen. Mein Vati hat in der vorletzten Woche im November 2007 begonnen, die Schwestern und speziell einen Zivi im Krankenhaus herumzukommandieren. Ständig mussten sie ihm den Schrank zeigen, ob seine Wäsche auch ordentlich eingeräumt war. Dann wollte er den Ärzten erzählen, er wisse besser als sie, wie man die Zufuhr von Nährstoffen regelt. Kurz und gut... für etwa eine Woche war er sicher kein einfacher Patient. Da es aber eine Spezialstation in einer Spezialklinik im Allgäu war, denke ich, dass das Personal mit diesen Attitüden umgehen konnte. Mich selbst hat es nur etwas gestört... wobei, lieber wäre er als verhasster Idiot gesund entlassen wurden *lach* (Ich kann mal wieder etwas lachen...)

Dass Deine Familie... also auch du... dass ihr nun an der Stelle des Krankenhauspersonals seid, das ist mit Sicherheit nicht so einfach wegzustecken. Man lernt, für soviel unterschiedliches Verhalten Verständnis zu entwickeln, wo man in anderen Situationen schön längst das Handtuch geschmissen hätte. Diese Belastung ist das, was unser Arzt immer sagte. Nicht nur Papa leidet, auch die Verwandten, die unmittelbar beteiligt sind.

Mensch, ruh Dich aus, sobald du eine freie Minute findest... am besten gehst du an die frische Luft... allein. Tank dich auf, liebe Regine.
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  #9  
Alt 23.01.2008, 01:38
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Lieber William,

ich danke dir sehr für deine Zeilen, die ich jetzt in der Nacht gelesen habe, weil mich die Sorgen nicht schlafen lassen.

Eigentlich hätte ich heute nach Konstanz zurückfliegen wollen. Stattdessen liege ich nun auch mit Fieber und einem gehörigen Magen-Darm-Infekt im Bett. Meine Mutter hat es nun auch erwischt.

Meinem Vater geht es eine knappe Woche nach seiner Chemotherapie noch immer so schlecht, dass er sich kaum bewegen "mag". Sich bewegen "können" tut er schon eher wieder etwas besser, aber vieles will er auch einfach nicht mehr tun. Heute war er in der Klinik: Die Blutwerte sind gut, aber beim Warten auf der onkologischen Ambulanz hat er tatsächlich noch lautstark über einen anderen Patienten gelästert. Meine Mutter, die dabei war, sagt, sie habe sich richtig für ihn geschämt.

Seine erste Bestrahlung hat er verschoben.

De facto sieht es aber nun so aus: Mein Vater ist seit einer Woche mehr oder weniger ein Pflegefall. (Nur die Körperhygiene schafft er noch mit Hilfe weitgehend alleine.) Meine Mama und ich haben gelernt, dass, wenn sie ausfällt, alles stehen und liegen bleiben muss. Da wir keine Verwandten etc. haben, stellt sich also langsam schon die Frage: Wo finden wir für solche Fälle Hilfe? Sobald ich wieder gesund bin, muss ich mich einfach darum zu kümmern beginnen.

Wenn ich das alles so mitansehe - ich weiß nicht mehr, ob ich mir wirklich wünschen soll, dass Papa noch viele Monate hat.

William, so gerne möchte ich mal wieder die Kraft finden, auch bei dir einiges nachzulesen. Deine Zeilen waren das Erste, was ich hier gelesen habe, und schon "damals" (ewig lang her kommt mir das vor) hatte ich das Gefühl, dass etwas ähnlich ist ... Aber zum Nachlesen ist noch nicht der richtige Momente. Dazu muss ich erst mich wieder einmal spüren.

Ich denke an dich,
Regine
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