Stammtisch

[AndreaM]

Selten schaue ich hier vorbei - doch wenn ich mich einklinke, dann fühle ich mich nach wie vor verbunden.

Ich bin dankbar für ein Schicksal, das mich viele glückliche Tage verleben lässt, und mir in den letzten Jahren nur von außen zeigt, dass es auch ganz anders sein kann. Und ich bin froh, dass ich hier am Stammtisch Menschen getroffen habe, die meinen Blick auf die Welt geschärft haben.

Im März hat meine Nachbarin ihre kleine Schwester beerdigt. Es war kein Krebs - es gibt ja noch so viele andere unheilbare Leiden - und doch gleicht die Geschichte so vielen hier. Vor allem, das "nicht-wahr-haben-wollen" , sie sagte selbst, wenn man in 4 Monaten 3x auf der Intensivstation war, könnte man realisieren, dass es zu Ende geht. Man muss es aber nicht.... Mei, das Mädchen war grad 20 geworden.

Mir ist bewusst, dass sie noch ganz am Anfang ihrer Trauer steht, der erste Sommer ohne Grillen mit der Schwester - vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine fröhliche, bunte Beileidskarte...

Ihr Lieben hier, ich wünsche euch einen schönen Sommer - wo auch immer ihr seid. Wie AndreaS schon sagte: Folgt Eurem Herzen, dann kann nichts schiefgehen.

Alles Liebe!
AndreaM

[AndreaM]

Es scheint, niemand hat den Tisch nach draußen getragen, und niemand mag bei Sonnenschein drin sitzen.

Egal - ich hinterlasse Euch trotzem einen schönen Sommergruß - möge die Sonne auch Eure Seelen wärmen!

Alles Liebe
AndreaM

[nicole35]

hallo,schade,das hier irgendwie alles ein bisschen eingeschlafen ist,würde mich gerne einbringen,ich bin 35 jahre alt,komme aus nrw und bin sein genau 4 wochen witwe,fühle mich im moment hier,wo es so viele leidensgenossen gibt,am wohlsten,ich hoffe,das sich einige aufraffen können,hier wieder zu schreiben.
liebe grüsse....nicole

[Blue]

Hallo zusammen,

sehr, sehr, sehr weit war der Weg. Seit etwas mehr als 7 Jahren ist Jürgen nicht mehr bei mir. Bin in meinem anderen Leben angekommen. Die Art und Weise erscheint mir nicht wichtig, um das Ankommen geht es. Traurigkeit zulassen, aber auch Freude zulassen. Wieder neugierig werden, dabei jedoch nicht zu vergessen. Mmmh. Und die Geduld nicht verlieren - mit sich und der Umwelt.

Natürlich ist die Sichtweise, die Art und Weise, der länger Verwitweten anders als wenn es eben erst passiert ist. Vermutlich ist es deshalb hier so ruhig geworden. Die Talfahrten werden alleine verschnürt, die schönen Momente möchte man nicht preisgeben - weil, darf ich das? Mmmh, so ändert sich das Leben, jeden Tag aufs Neue.

Dennoch tut es unendlich gut, liebe Gewohnheiten wieder aufzunehmen, gell?

Grüßle
Blue

[grace84]

Bei mir gibt es auch gute Tage und schlechte Tage...

Wo mein Schatz den Kampf verloren hatte, viel zuerst eine Last von mir, dann kam diese schreckliche Trauer und mittlerweile kann ich sagen es geht mir ab und zu besser.

Ich versuche die guten Tage zu genießen und sage mir er ist immer bei mir... Die schlechten Tage, versuche ich damit so gut wie möglich umzugehen und lerne damit zu leben...

[bernhardiner]

Hallo Ihr Lieben,
es ist schön, hier wieder ein paar Neuigkeiten zu lesen. Vorbeigeschaut habe ich ja schon öfter, aber es gab nichts neues. Ich denke jedoch, dieser Sommer hat uns alle ganz schön in Trab gehalten. Positiv und negativ.
Ich hab immer gedacht, mit der Zeit gewinnt man mehr und mehr Abstand zur Trauer, aber dem ist nicht so. Nach wie vor gibt es immer wieder viele Gelegenheiten, wo dieses graue Tier massiv auf der Schulter sitzt.
Nächste Woche heiratet unser Sohn. Wird ja auch Zeit. Schließlich ist er dies Jahr auch schon 40 geworden. Es vergeht aber bei der ganzen Vorbereitung kaum ein Moment, wo ich nicht sentimental und traurig werde, weil Karin dies nicht mehr erleben darf. Sie wäre so stolz und glücklich gewesen. Aber ich glaube, sie beobachtet uns und macht sich ihren Reim auf alles. Ich versuche alles so zu machen, wie ich denke dass sie es gemacht hätte.
Ich wünsch uns allen ein schönes Wochenende und einen tollen Sommerausklang. Die Herbstpflaumen sind reif, das beste Zeichen, der Sommer geht langsam aber sicher vorbei.

[HelmutL]

Hallo Siegfried,

ich kann dir nur voll und ganz zustimmen. Die Trauer betrachte ich heute allerdings als unsensibelen, unzuverlässigen, ungehobelten Freund, welcher mir auch heute noch ab und an ein Bein stellt. Als Freund deshalb: ich möchte ihn nicht missen, verhindert er doch das Vergessen und es sind sehr oft auch schöne Dinge, an die er mich erinnert.

Wenn ich mir im Gegensatz dazu vorstelle, dass meine Schwiegermutter die Trauer um ihre Tochter gar nicht mehr kennt ... ich finde das grausam. Ihre Tochter hat es für sie nie gegeben. Sie hat Alzheimer.

Meine jüngste Tochter hat kürzlich ebenfalls geheiratet und ihre Mama war immer wieder ein Thema. Es fiel uns allen nicht leicht, auf den Tag der Hochzeit zu zu gehen. Trotzdem wurde es genau der Tag, den meine Tochter nie vergessen wird. Die Trauung selbst, ich weiss nicht, wie ich sie überstanden hätte, wäre da nicht eine Hand gewesen, die mich fest gehalten hat.

Es ist gut so, wie es ist. Damit kann ich heute zufrieden durchs Leben gehen.


Liebe Grüße,

Helmut

[Traumtänzerin91]

Hallo ihr Lieben,

ich möchte mich gerne zu euch gesellen, wenn ich darf . Da ich doch immer wieder feststelle, dass ich hier einfach tausendmal besser verstanden werde als "draußen". Ich wollte kein neues Thema aufmachen, und deswegen hoffe ich, dass ich als "Neue" nicht unerwünscht hier reinplatze, mit meinen Gedanken und Problemen.

Mein lieber Papi (*1947) ist am 17.8 gestorben, meine Mama und ich waren bei ihm, und er hat es gespürt. Nach einigen Wochen Pflege zu Hause war er schon sehr schwach und es wurde von Tag zu Tag weniger, hatte immer mehr Schmerzen und konnte und wollte keine Tabletten mehr nehmen, für ihn war es also eine Erlösung von den Schmerzen. Auch wenn ich diesen Ausdruck hasse, da er jemand war, der das Leben geliebt hat und drei Jahre gegen seinen Lungenkrebs kämpfte. Er wollte leben, er wollte lachen, er wollte bei uns sei, er wollte glücklich sein. Trotz allem, ist er bei uns, in unseren Herzen.

Ich war, das muss ich zugeben, die letzte Woche sehr stark nach außenhin und ich habe das Gefühl, ich muss das sein, da sonst meine Mama zusammenbricht. Ich habe Papa versprochen, dass ich für sie da bin und auf sie aufpasse. Im Moment habe ich mich erstmal dem Kochen verschrieben, da sie mehr als 10 Kilo abgenommen hat und ich das Gefühl habe, so auch physisch ein bisschen was tun zu können. Das Problem dabei ist, die Leute denken sich, die ist stark, die schafft das schon - und trotzdem fährt die Angst, die Trauer und das große Schwarz ihre Krallen aus, wenn niemand da ist.

Ich muss in einigen Wochen zwei Hausarbeiten für die Uni abgegeben haben, ich habe noch kein Wort geschrieben, ich kann einfach nicht. Und ich will auch nicht, weil es mir irgendwie nebensächlich erscheint. Und alle meine Freunde drängen mich ständig, doch anzufangen, weil ich sonst nicht fertig werde. Oder zumindest einen Antrag auf Verlängerung der Bearbeitungszeit zu stellen. Aber ich bin wie gelähmt, ich weigere mich, auch wenn ich weiß, dass es sein muss. Und ich komme mir komisch vor

Etwas, das mir auch auf dem Herzen liegt: Glaubt ihr? Seid ihr gläubig? Mich wirft der Tod meines Papas irgendwie aus der Bahn, schon seit Beginn der Krankheit will ich nicht mehr an einen Gott glauben, der so etwas zulässt. Ich war anfangs einfach nur wütend, im Laufe der Zeit fand ich den Konstrukt Glaube einfach nur lächerlich und jetzt hänge ich irgendwie in der Luft.

Sag, was ist das für ein Gott, der dich so früh entreißt, der mich zurück lässt, fassungslos, gebrochen und verwaist? Ein Gott, der auslöscht und zerstört, was er doch selbst gemacht, der mich, den einsam Trauernden, zurück stößt in der Nacht. (Subway To Sally - Wo Rosen blüh'n)

Ich will auf einmal doch glauben, dass es nach dem Tod etwas gibt, wo ich vor ein paar Monaten noch der festen Überzeugung war, dass da nichts ist, weil da nichts sein kann. Meine Mama hält sich allerdings sehr an ihrem Glauben fest und ich will ihr das auch nicht nehmen... nur für mich muss ich jetzt in diesem ganzen Gewirr eine neue Lösung finden. Und wie so oft zur Zeit, ich weiß einfach nicht, was ich denken soll.

Viele Grüße sende ich euch allen,
und wenn ich hier falsch bin, werft mich einfach raus

[HelmutL]

Hallo Traumtänzerin,

mein tiefstes Mitgefühl zum Tot deines Vaters.

Wir alle kennen deine Gefühle aus eigenem Erleben. Auch wenn es bei vielen schon ein paar Tage länger her ist. So auch deine Antriebslosigkeit. Sie ist nur sehr schwer zu bekämpfen. Was dich in dieser Hinsicht betrifft, kann ich dir, genau wie deine Freunde, nur raten, eine Verlängerung zu beantragen. Wenn es denn jetzt mit deiner Arbeit nicht geht. Du verbaust dir ansonsten so einiges. Später wirst du das sicher bereuen und dein Vater hätte das sicher auch nicht gewollt. Vielleicht hast du nur Angst, einen solchen Brief zu schreiben, weil du dir damit für dich selbst seinen Tot bestätigst?

Dass dein Glaube ins Wanken geraten ist, ist nur normal. Das, was du bisher als deinen Glauben bezeichnet hast, war ein Glaube an "schönes Wetter". Geht und ging den meisten Menschen so. Mit auch. Wie die meisten Menschen habe auch ich mir früher nur die für mich guten Dinge heraus gepickt. Doch das, was wir gerade so bitter erfahren, das tut uns das Leben an. Der Alte Herr mit Bart da oben, der mischt sich da bekannterweise nur sehr selten ein. Denk nach. Vielleicht wirst du für dich eine Lösung finden. So oder so.


Liebe Grüße,

Helmut

[bernhardiner]

Hallo Ihr Lieben,
am vergangenen Wochenende hat nun unser Sohn seine Hochzeit gefeiert. Es war eine sehr schöne Feier. Was mich ganz start beeindruckt hat war, er hat ohne daß wir es abgesprochen hätten, am Familientisch einen Platz für Karin frei gelassen. Ging mir ganz schön nah. Sie fehlt uns doch sehr.

[Traumtänzerin91]

Lieber Helmut,

danke für deine Worte - ich konnte mich vor einigen Tagen nun doch aufraffen, habe Verlängerung beantragt und in einem Falle schon bekommen. Jetzt muss ich mich nur noch auf die Hinterfüße stellen...

Was du zum Glauben geschrieben hast, ist eine wirklich schöne Vorstellung. Momentan bin ich aber noch ein bisschen sauer auf den alten Herrn mit Bart, und ich glaube das brauche ich einfach irgendwie. Und das Leben, das war bisher eigentlich immer mein Freund, dass der mir nun so hinterrücks ins Genick schlägt...

Lieber bernhardiner,

die Geste hat mir gerade Tränen in die Augen getrieben, so schön ist sie.

Viele Grüße!

[bernhardiner]

Hallo Traumtänzerin,
auch mein tiefstes Mitgefühl zum Tot deines Vaters.
Ich kann mich da dem Helmut nur anschließen. Bei aller Trauer, aber das Letzte was Dein Vater gewollt hätte ist, daß Du Dir Deine ganze Zukunft verbaust.
Ich habe in den ersten Wochen nach Karins Tod Briefe an sie geschrieben. Lange Briefe, in denen ich ihr über all meine Ängste, Sorgen und Nöte, aber auch über schöne Erlebnisse geschrieben habe. Das gab mir jedesmal die Gelegenheit, über alles gut nachzudenken. Diese Briefe habe ich dann auf ihrem Grab unter eine Steinplatte gelegt. Hat mir sehr geholfen.
Mein Sohn und seine Frau sind gestern sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Sie waren, er im Anzug und sie im Brautkleid an Karins Grab und haben Blumen niedergelegt. Ich kenne meinen Sohn und weiss, wie sehr er an Karin hängt, jedoch über diese Geste war ich dann doch überrascht und erfreut. Ich bin überglücklich bei dem Gedanken, das meine Liebe zu Karin noch immer von vielen geteilt wird. Sie ist eben doch nicht fort, sondern nur auf der anderen Seite des Weges.
Ich wünsch Dir für all Deine Unternehmungen, was Deine Zukunft betrifft, alles alles Gute.

[Traumtänzerin91]

Lieber bernhardiner,

das ist eine wunderschöne Idee, Briefe zu schreiben. Ich denke aber, ich werde sie behalten... oder per Flaschenpost verschicken. Irgendwie habe ich nicht so wirklich den Bezug zu Papas Grab. Ich gehe zwar dorthin und rede manchmal mit ihm, weil ich weiß, dass er dort wirklich ist, aber am liebsten würde ich das tatsächlich nicht wahrhaben. (Vielleicht ist ein Teil von mir tatsächlich noch so naiv, dass er denkt, wenn ich es immer schön verdränge, dann kommt er eines Tages mit dem Rad angefahren und klingelt an unserer Tür.) Ich mag die Vorstellung, dass er immer bei mir ist, dass er im Wind und im Singen der Vögel, im Rauschen des Waldes und des Meeres ist. Und da kann ich mich auch viel besser mit ihm unterhalten. Auch wenn ich dabei immer weinen muss, und das würde ihm gar nicht gefallen
Viele Sonnenstrahlen heute wünsche ich euch allen

[bernhardiner]

Hallo Traumtänzerin,
diese von Dir beschriebenen Gefühle haben ganz sicher nichts Naivität zu tun. Weißt Du, ich bin die erste Zeit nach Hause gekommen und habe Karins Parfüm gerochen. Ganz intensiv, so als ob sie gerade erst vorbei gegangen wäre. Oder ich habe sie nach mir rufen hören. So sehr, daß ich echt im Haus nachgeschaut habe, ob da nicht doch jemand anwesend ist.
Ich habe eine kleine Ecke für Karin im Haus eingerichtet, mit Fotos und kleinen Andenken. Wenn ich nach Hause komme, wird als erstes dort eine Kerze angezündet. Jedesmal wenn ich vorbei gehe, schaue ich Karin an, wünsch ihr einen guten Tag oder guten Morgen und sage ihr, wie sehr ich sie liebe. Das ist der Platz, wo ich ihr am nächsten bin.
Ich wünsch dir alles Gute.

[grace84]

Ich stelle mir auch immer vor, dass Mike bei mir ist. Dann geht es mir einfach besser....

Oh ja das Thema Hochzeiten, Leute die mich noch nicht so lange kennen fragen auch immer, wann ich denn mal heiraten will und Kinder kriegen möchte...

Ich finde das ganz schrecklich, mit Mike war das alles klar, das wollte ich irgendwann. Nur jetzt kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen, auch wenn mit meinem neuen Freund alles gut ist. Mein Herz will nur Mike...

Ich hätte viel zu große Angst davor, irgendwann vor dem Traualtar zu stehen oder ein Baby zu bekommen und mir eigentlich zu wünschen, dass ich das mit Mike erlebe....