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  #1  
Alt 01.11.2005, 10:54
Anja_1502 Anja_1502 ist offline
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Standard Verzweiflung - hört das nie auf?

Hallo Ihr lieben Mitleser,

ich heiße Anja, bin 38 Jahre alt und wohne in Mönchengladbach. Meine Mama ist am 20.1.05 nach qualvollem Leid an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Je länger ihr Tod zurückliegt, desto trauriger werde ich. Mich würde nun sehr interessieren, geht es euch genauso? Fangt ihr auch bei der kleinsten Gelegenheit an zu weinen, bei der kleinsten Sache, die euch erinnert? Habt ihr auch ständig einen Kloß im Hals und versucht euch zusammenzureissen? Sind eure Mitmenschen auch so wahnsinnig "verständnisvoll", mit anderen Worten, "das liegt doch nun schon 10 Mon. zurück, jetzt muß es aber mal gut sein!" Wünscht ihr diesen Mitmenschen manchmal auch, daß sie nur mal einen Tag diesen Schmerz aushalten müssen, damit sie wissen, wie das ist? Ist der Gang zum Friedhof für euch auch so schmerzvoll? Ich würde am liebsten gar nicht hingehen, heute ist Allerheiligen, da ich katholisch bin, "gehört sich das so". Wenn ich jetzt schon daran denke.......... Könntet ihr auch, wenn ihr an Weihnachten denkt, einfach so losheulen?
Habe schon mal daran gedacht, zu einem Psychiater zu gehen, aber kann der mir helfen? Außer Tabletten verschreiben, was kann der schon machen?

Würde mich freuen, wenn ihr mir schreibt, wie das bei euch mit der Trauerverabeitung ist und ob ich noch normal bin.

LG Anja
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  #2  
Alt 01.11.2005, 11:25
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Verzweiflung - hört das nie auf?

Liebe Anja,

ich habe zwar nicht meine Mama verloren sondern meinen geliebten Mann, aber die Situationen, die du beschreibst kenne ich auch und vor allem weiß ich, dass meine Kinder sie kennen.

Ich habe viel über Trauer gelesen und weiß daher, dass es verschiedene Phasen gibt, die man "durchleben" muss bevor eine Art "Heilung" eintritt. Meist ist es so, dass man keine der Phasen auslassen kann, jedoch die Reihenfolge unterschiedlich ist. Bei uns ist es mittlerweile ein Jahr her, aber wirklich besser ist es nicht geworden. Der Schmerz ist immer präsent, der Kloß im Hals meistens auch. Wir versuchen einen Weg durch die Trauer zu finden, der unser altes Leben nicht vergisst, d.h. wir waren immer eine sehr fröhliche Familie, haben gerne gelacht, gefeiert, sind gerne gereist. Wir versuchen durch den Tod unseres Papas und Mannes dieses Leben nicht aufzugeben, sondern es so gut es geht so weiterzuleben, wie wir es vorher geliebt haben, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir das Gefühl hätten, sonst alles in Frage zu stellen, was vorher war. Es gelingt nicht immer, denn es fehlt einfach der wichtigste Teil, um tatsächlich Glück zu empfinden. Wie hat deine Mama Weihnachten gefeiert, was war ihr wichtig? Vielleicht gelingt es dir, diese Dinge zu übernehmen, in ihrem Namen so weiterzuführen, wie sie es gut fand. Vielleicht nimmst du dir damit ein wenig den Schrecken vor diesen schrecklichen Feiertagen, vielleicht spürst du sie, wenn du in der Küche das Essen vorbereitest, das Haus schmückst oder was auch immer ihr wichtig war, wie sie dir dabei über die Schulter blickt und Wärme im Haus verbreitet.

Die Mitmenschen kannst du bis auf ganz wenige Ausnahmen vergessen. Der Tod ist nichts, womit man etwas zu tun haben will, es trifft nur die anderen, wenn man sich nur genug davon distanziert...In einem anderen Thread wurde dieser Tage sinngemäß geschrieben: Mir ist etwas schreckliches passiert, aber ich bin nicht ansteckend.... Man sollte sich tatsächlich T-Shirts drucken lassen mit dieser Aufschrift, ob es den ein oder anderen zum Nachdenken motivieren könnte? Es werden dir nur ein paar wenige Menschen bleiben, die Verständnis für deinen noch lange andauernden Schmerz haben, die anderen wirst du von alleine aussortieren, weil sie dir mit ihrer Oberflächlichkeit nicht mehr wichtig genug sind. Dein Leben hat sich verändert, du hast dich verändert, wer da nicht mithalten kann, steht dir im Weg und tut dir nicht gut. Aber du wirst auch sehen, wie kostbar dir die wenigen Menschen sein werden, die bedingungslos bereit sind, dich auf deinem Weg zu begleiten, die mit dir weinen und sich mit dir erinnern und die nicht von dir erwarten, dass du dich einmal kurz schüttelst und zur Tagesordnung übergehst.

Was den Gang zum Friedhof betrifft, denke ich, du solltest es für dich so halten, wie es deiner Seele gut tut. Wenn du das Gefühl hast, dass du lieber nicht mehr auf den Friedhof gehen möchtest, wenn du für dich ein anderes "Ritual" entdeckst, bei dem du ganz intensiv an deine Mama denkst, so mach es. Wir gehen bspw. nie auf den Friedhof, ich kann es nicht ertragen dort zu stehen, wo ich für mich nicht empfinde, dass mein Mann ist. Er ist überall, nur nicht dort. Und was die Nachbarn betrifft, lass sie denken, was sie wollen. Sind sie für dich da? Helfen sie dir in deinem Kummer? Trösten sie dich? Ja, sie rennen vielleicht auf den Friedhof, aber im realen Leben versagen sie. Halte es so, wie es dir gut tut und glaube mir, für deine Mama zählt nur, dass du einigermaßen gut weiterleben kannst, dass du glücklich bist und nicht, ob du - wie es sich gehört - an ihrem Grab stehst.

Verrückt bist du ganz sicher nicht. Bestimmt hast du hin und wieder das Gefühl, über diesen schrecklichen Schmerz verrückt zu werden. Aber leider ist das alles normal, es geht uns allen so. Vielleicht hilft dir das Schreiben hier im Forum, ich sage immer, es ist mein Therapeut. Hier sind Menschen, die alle wissen, um was es geht. Wir alle durchleben diesen Schmerz, wir alle müssen Wege finden, in unserem "neuen Leben" klar zu kommen. Ich hoffe, dass es auch dir hilft, einfach deinen Kummer zu formulieren, einfach deine Wut rauszuschreien, deine Angst und deine Verzweiflung. Vielleicht wird das auch für dich der Weg sein, der dir hilft. Über medizinischen Beistand nachzudenken, ist immer noch Zeit, aber ich glaube noch ist es zu früh, denn der Weg durch deine Trauer hat - auch wenn das deine Mitmenschen anders sehen - eben erst begonnen.

LG
Andrea
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #3  
Alt 01.11.2005, 11:39
Schwarzwaldsabine Schwarzwaldsabine ist offline
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Ort: Kößlarn / LK Passau
Beiträge: 86
Standard AW: Verzweiflung - hört das nie auf?

Hallo Anja,
bei mir war es im September 1 Jahr, dass meine Mama gestorben ist und genauso lang habe ich gebraucht es zumindest zu akzeptieren.
Ich war dann auf den Tag genau, nachdem ich sie zuletzt lebend gesehen habe, zu Besuch bei meinem Vater. Wir haben vieles aufgearbeitet und über unsere Gefühle im vergangenen Jahr geredet.
Ich habe immer gedacht, dass man den Tod eines Menschen besser verkraftet, wenn das Verhältnis, wie bei meiner Mutter und mir, nicht so gut war. Aber weit gefehlt. Ich habe fürchterlich gelitten. Jetzt ist es besser!
Es braucht alles seine Zeit und es nimmt dir keiner übel, wenn du dir die Zeit nimmst, die du brauchst. Das mit der Therapie ist keine schlechte Idee, die verschreiben nicht nur Pillen, sondern die hören zu.
Viele liebe Grüße
Sabine
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  #4  
Alt 01.11.2005, 12:32
Drops Drops ist offline
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Beiträge: 32
Standard AW: Verzweiflung - hört das nie auf?

Hallo Anja,

bei mir sind es jetzt knapp vier Wochen, seit mein Vati die Augen für immer geshlossen hat.
Im Moment habe ich mal eine gute Phase. Morgen bin ich allerdings gespannt,da gehe ich nach einer kleinen Auszeit wieder arbeiten.

Das mit dem Zusammenreisen kenn ich, allerdings kam dann mal ein Punkt wo ich nicht mehr konnte. Das Ergebnis war Krankschreibung und Beruhigungspillen.

Ich werde ja morgen sehen, wie meine Kollegen reagieren.

LG
Simone
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  #5  
Alt 01.11.2005, 19:26
Miezmauz Miezmauz ist offline
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Ort: Berlin
Beiträge: 165
Standard AW: Verzweiflung - hört das nie auf?

Hallo Anja,

du bist nicht alleine.
Das was Du schreibst ist vielen hier im Forum und mir auch sehr bekannt.
Es ist normal wie Du denkst,fühlst und auch weinst.
Denke nicht darüber nach was irgendwelche Leute von sich geben.Sie sind einfach dumm und wissen es nicht besser.Wahrscheinlich haben sie auch niemals solchen Schmerz empfunden.
Mein Vater ist nun schon über ein Jahr tot,und ich knabbere immer noch daran.Es kommen immer wieder Tage wo alles in mir zusammenbricht aber diese Tage gehen auch wieder vorbei.

Gehe an diesen Tagen zum Friedhof an denen es Du für Richtig hälst.Mach es von Deinen Gefühlen abhängig und nicht vom Zwang.
Denke an die schönen Zeiten die Du hattest mit Deiner Mama.
Sie ist doch bestimmt immer in Deiner Nähe um Dich zu beschützen.


Ich wünsche Dir alles Gute
Miezmauz
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  #6  
Alt 01.11.2005, 21:42
Anja_1502 Anja_1502 ist offline
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Beiträge: 11
Standard AW: Verzweiflung - hört das nie auf?

Hallo Ihr Lieben! Ich danke euch für euren Zuspruch. Es ist immer wieder eine Wohltat mit "Gleichgesinnten" zu "sprechen". Allerdings finde ich es traurig, daß mich "wildfremde" Leute besser verstehen, als Leute, die ich jahrelang kenne. Manchmal überkommt mich dann eben so eine Wut, daß ich denke, wenn die oder der auch mal diesen Schmerz aushalten muß, ob die oder der dann immer noch so redet?? Wahrscheinlich nicht. Ich weiß, man soll auch nicht so denken, wer weiß, vielleicht wäre ich ja noch vor ein paar Jahren auch nicht anders gewesen als "diese lieben Mitmenschen", vielleicht hätte ich auch so reagiert, vielleicht weil ich nicht gewußt hätte, was soll ich sagen zu jemanden, der so trauert? Es ist eben alles nicht leicht.
Ach, wenn ich doch nur wüßte, daß ich irgendwann wieder einigermaßen "normal" am Leben teilnehmen kann.......

Ich wünschen allen, die auch trauern, trotzdem eine gute Nacht, und wer mir schreiben möchte und sein Herz ausschütten möchte, ich freue mich über jede Nachricht von euch......

Bis bald, Anja
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