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  #1  
Alt 07.10.2013, 16:25
simi1 simi1 ist offline
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Registriert seit: 04.11.2011
Beiträge: 551
Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Hallo,

vielen Dank für eure Beiträge, die mich zum weiteren Nachdenken angeregt und auch ein wenig Entlastung für mein Gewissen gebracht haben.

Zitat:
Zitat von evelyn-wieda Beitrag anzeigen
Im Nachhinein sieht es vielleicht falsch aus, doch es hätte auch anders ausgehen können, dann würde die Entscheidung richtig aussehen
Du hast natürlich recht, Evelyn: Wir haben bei Erstdiagnose und den beiden vorangegangen Rezidiven im Nachhinein nie überlegt, ob unsere Entscheidung richtig war. Sie war ja in Remission, es ging ihr besser und wir hatten die Hoffnung, dass die Leukämie nicht wieder kommt. Im übertragenen Sinne galt das alte Sprichwort: Wer heilt hat recht!

Dennoch lassen sich Zweifel und Schuldgefühle nicht unterdrücken. Es drängt sich stets die Frage auf, ob uns die Hoffnung blind für die Realität gemacht hat. Oder um bei den Sprichworten zu bleiben: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Haben wir es vielleicht doch zu "weit getrieben"? War unser Handeln durch und durch verantwortlich? Gab es nicht im Therapieverlauf Stationen, an denen wir hätten innehalten und eventuell unsere Entscheidungen revidieren müssen?
Und die Kernfragen: Hat unser Verhalten möglicherweise unserer Tochter das Gefühl vermittelt, für uns kämpfen zu müssen? Haben wir sie unbewusst unter Druck gesetzt - ihr eine selbstbestimmte Entscheidung unmöglich gemacht?

Mit dem Wissen um den Ausgang, haben wir jedenfalls ganz klar zu lange gekämpft. Sie hatte keine Lebensqualität mehr. Wir konnten langgehegte Wünsche nicht mehr erfüllen.
Das sei alles nicht wichtig, meinte sie in ihren letzten Tagen, Hauptsache wir seien bei ihr und ließen sie nicht alleine. Alleine dieser Wunsch hat Erfüllung gefunden.

Lieben Dank und alles Gute euch allen
Simi

Geändert von simi1 (07.10.2013 um 16:35 Uhr) Grund: Tippfehler
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  #2  
Alt 07.10.2013, 19:31
evelyn-wieda evelyn-wieda ist offline
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Beiträge: 83
Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Einen netten Gruß in die Runde,

Lieber Kerejon,
ich glaube, ein Muster wirst du auch nicht finden können. Weißt du, wir alle, ob Betroffene, Angehörige, Behandelnde sind alle anders mit eigenen Vergangenheiten, unterschiedlichsten Gedanken, Gefühlen, Diagnosen und all das prägt das JETZT des jeweiligen.

Genau aus diesem Grund sind für mich Krebsformeln, Prognosen oder Statistiken so was von wurscht, es ist für mich ein Zahlensalat, der mir nicht schmeckt. Ich bin kein Zahlenmix, ich bin ein Mensch und Menschen fallen aus all den festgeprägten Mustern heraus oder passen nicht hinein, weil sie so unterschiedlich sind wie Regentropfen und ja, auch hin und wieder Wunder erleben. Und davon gibt es glaube ich mehr, als wir denken.

Vielleicht magst du ja auch ein wenig Glaube, Hoffnung, Vertrauen in die eine Waagschale deiner Lebenswaage legen und aus der anderen Seite etwas Zahlensalat, Angst, Kopfkino nehmen.
Dein gemaltes Bild mit der Waage ist schön und treffend und ich male einfach einmal weiter. Denn ich weiß, wie schwer es war, sich überhaupt zu bewegen, weil ich eine Heidenangst hatte, in welche Richtung die Waagschale ausschlagen könnte.
Ich habe auch ausgeharrt, ich war versteinert.
Dann erkannte ich, dass das nur ein Stillstand war, ein immer tieferes Versinken und das wollte ich nicht mehr, ich wollte vorwärts gehen – egal wohin, nur vorwärts gehen und aus dem schwarzen Tal wegkommen. Und siehe da, schon mit einer kleinen Veränderung meiner Position sah ich Sonnenlicht – sprich, ich veränderte meine Einstellung und meinen Fokus.

So wünsche ich dir von Herzen, dass du ein ganz klein wenig die Waagschale beeinflusst und freue mich sehr, wieder von dir zu lesen.

Lieber Helmut
Na, was soll ich schon schreiben, wie: du hast dich wieder perfekt ausgedrückt. Bist ein Meister des Wortes und es ist gut, dass du hier bist.

Was du über das Hineinversetzen in die Psyche anderer schreibst ist höchst interessant und ja, es gehört eine gehörige Portion Mut und Fingerspitzengefühl dazu. Selber bin ich auch gerne so eine Zuhörtante und gebe meinen eigenen Senf kund. In einem anderen Thread habe ich einmal darum gebeten, dass mir die Beteiligten erklären, warum sie so denken. Ich konnte es nicht verstehen und wollte es unbedingt. Eine Frau antwortete mir sinngemäß: Du musst das auch nicht verstehen, weil du es auch gar nicht verstehen kannst, sondern es ist schon gut, wenn du es akzeptierst.
Und richtig. Sie hatte recht. Ich kann gar nicht wie andere fühlen und denken, aber ich kann sie achten, respektieren und akzeptieren. Dabei ist für mich wichtig, dass ich ungeheuer viel lernen kann und dass mich solche Diskussionen zum Nachdenken anregen und mir wieder neue Wege eröffnen.

Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

Ferner schreibst du:
Zitat:
Eine Entscheidung ist immer richtig, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen gefällt wurde. Selbst dann, wenn sie falsch war.
Dem möchte ich mich einfach nur gerne anschließen.

Liebe Simi,

deine Zeilen berühren mich und ich kann es mir gar nicht vorstellen, wie schwer es ist, ein Kind zu verlieren. Aus all deinen Worten geht Traurigkeit und Ohnmacht hervor, die euch begleitet. Ich bin voller Mitgefühl für eure Situation, für dich.

Was ich lese, ist Liebe zu euer Tochter, große tiefe Liebe und das man um das Leben eines Kindes ringt, das man nicht verlieren will. All deine vielen Fragen, die du als Mutti stellst, verstehe ich.

Doch weißt du, wir sind Menschen mit Gefühlen und du kannst nicht einfach als Mutter mit einem Schalter deine Gefühle, deine Liebe zu deinem Kind ausschalten und plötzlich völlig rational denken und handeln. Das geht nicht. Hier sind andere Partner gefragt, wie Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten – sie sollten den anderen, klaren Blick haben und beratend zur Seite stehen. Es ist und war eine Ausnahmesituation, die so viele Entscheidungen gefordert hat und wo ihr einfach nach euren Empfindungen mit eurem Kind entscheiden musstet.

Keiner weiß, wie viel mehr und wie lange sie wirklich Lebensqualität gehabt hätte, wenn ihr euch anders entschieden hätte.

So erlaube ich mir einfach, dich zu umarmen. Danke, dass du so offen bist und ich ein Stück von deinem Weg spüre.

Ich wünsche dir liebevolle Erinnerungen mit deinem Kind und Kraft dafür, dass du irgendwann dein Kopfkino ausschalten kannst.

Alles Liebe
Evelyn

Und allen anderen wünsche ich eine Lebenswaage, die sich meistens in der Waage hält, und immer das eine oder andere Gewicht für einen positiven Ausgleich.

Evelyn
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  #3  
Alt 08.10.2013, 07:57
eldo eldo ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Ihr Lieben Alle,

es ist wohltuend, Eure Beiträge zu lesen und zu verarbeiten.

Dem, was die Evelyn geschrieben hat, ist nichts hinzuzufügen.

Ich wünsche Euch eine gute Zeit mit viel Kraft und auch Mut.

Manfred
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  #4  
Alt 08.10.2013, 10:48
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Liebe Simi,

dem, was Evelyn dir geschrieben hat, ist nichts hinzu zu fügen. Ich möchte dir nur noch folgendes sagen: den Satz über Entscheidungen und das, was Evelyn über Gefühle schreibt, das habe ich sehr früh gewusst, doch bis ich das auch begriffen, verinnerlicht, akzeptiert habe, hat lange gedauert. Das Wissen alleine ist noch lange nicht die Erkenntnis. Ich weiß, das nagt und zerrt im Gewissen und lässt keine Ruhe. An anderer Stelle habe ich dir schon mal geschrieben: du brauchst Zeit. Nimm sie dir.

Ich glaube, der Schlüssel liegt darin, dass es für so einige Fragen keine Antwort gibt und die menschliche Lösung darin liegt, mit ihr irgendwann Frieden schließen zu können. Dazu vielleicht dieser Satz deiner Tochter:
Zitat:
Zitat von simi1 Beitrag anzeigen
Das sei alles nicht wichtig, meinte sie in ihren letzten Tagen, Hauptsache wir seien bei ihr und ließen sie nicht alleine.
Damit hat sie vollkommen recht. Mit 'nicht alleine' meinte sie nicht nur, dass ihr ihre Hand gehalten habt. Ihr habt zusammen gekämpft, gerungen, wie immer man es ausdrücken will und noch was ganz Wichtiges: ihr habt euch auch zusammen gefreut, wenn es ihr gut ging und habt sicher auch zusammen gelacht und hattet glückliche Stunden, Tage, Zeiten. So intensiv, wie ihr sie anders nicht gehabt hättet. Ihr habt auch schöne Dinge erlebt, für die andere ein ganzes Leben brauchen oder vielleicht niemals erleben. Ihr zusammen, die ganze Familie. Ihr habt das für sie und mit ihr gemeinsam getan. Alles! Nicht, weil 'man das so macht als Mutter oder Vater', sondern weil ihr euch geliebt habt. Dafür dankt sie euch in diesem Satz.

Der Professor meiner Frau rief mich auf dem Nachhauseweg aus dem Auto an und sagte mir entsprechendes. Ich wusste sofort, dass er recht hat. Doch es hat lange gedauert wirklich auch zu begreifen und zu verinnerlichen, dass das mein Schlüssel ist.

Zitat:
Zitat von evelyn-wieda Beitrag anzeigen
Ich kann gar nicht wie andere fühlen und denken, aber ich kann sie achten, respektieren und akzeptieren. Dabei ist für mich wichtig, dass ich ungeheuer viel lernen kann und dass mich solche Diskussionen zum Nachdenken anregen und mir wieder neue Wege eröffnen.
Wie andere fühlen und denken, das geht nicht. Stimmt. Doch bei aller Achtung und allem Respekt darf man Fragen stellen, wenn man verstehen will. Das mit dem Akzeptieren ist schon komplizierter. Den zweiten Satz kann ich voll unterstreichen. Ist ja auch der Sinn des miteinander Redens. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ich danach meine eigene Meinung revidieren muss.


Liebe Grüße und einen guten Tag,

Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
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  #5  
Alt 10.10.2013, 11:13
simi1 simi1 ist offline
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Beiträge: 551
Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Liebe Evelyn,
lieber Helmut,

seit Tagen versuche ich nun eine Antwort auf eure wertvollen Beiträge zu formulieren. Leider vergeblich ...

Es wirbelt soviel in Kopf und Seele: Trauer, Schuld, Angst, Verzweiflung, Ohnmacht, Resignation, Hoffnungslosigkeit, Sehnsucht ... unbeschreiblicher Schmerz.

Andererseits ist da auch die Einsicht, dass nicht alles mit dem Verstand beherrschbar ist. Immer wieder blitzt ein Hoffnungsschimmer auf, irgendwann meinen Frieden mit allen Entscheidungen schließen und das Schicksal akzeptieren zu können.

Ja, beim Lesen und Überdenken eurer Worte spüre ich Hoffnung, dass eines Tages die schönen Gefühle die Oberhand gewinnen können: Erinnerung, Dankbarkeit, Freude, Zuversicht, Stolz, Frieden ... unendliche Liebe. Das gibt neuen Mut, die Tage anzugehen, sich durchzukämpfen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Will jetzt gar nicht weiter Drumherum reden, wo passende Worte fehlen, sondern euch einfach von Herzen Dankeschön sagen - für eure Gedanken, für euer Einfühlungsvermögen, für eure Zuwendung, für euren Trost!

Liebe Grüße
Simi

Geändert von simi1 (10.10.2013 um 11:14 Uhr) Grund: Tippfehler
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  #6  
Alt 10.10.2013, 18:41
evelyn-wieda evelyn-wieda ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Liebe Simi,

manchmal braucht es keine Worte, weil man es fühlt. Ich mag dich ganz lieb still umarmen und ein wenig festhalten, mehr nicht, denn alles ist gesagt.

Es gibt da dieses Sprichwort: Die Zeit heilt alle Wunden.

Ich persönlich mag es nicht so. Viel treffender wäre für mich vielleicht, dass die Zeit einen anderen Blickwinkel ermöglichen wird und man dadurch etwas klarer sehen und loslassen kann. Wie ich Kerejon schrieb, steht man manchmal in einem schwarzen Tal und versinkt immer mehr. Doch irgendwann verändert man seinen Standpunkt nur durch eine kleine Bewegung und kann plötzlich die Sonne sehen. Für deine kleine Bewegung nimm dir Zeit, Helmut schrieb es dir ja schon, egal wie lange es dauert, denn die Sonne wartet immer auf dich.

@ Manfred
Schön von dir zu lesen.

So wünsche ich allen, dass ein Lichtblick scheint und man danach greifen kann.

Evelyn
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