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  #1  
Alt 06.08.2007, 10:35
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Linnea Linnea ist offline
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Standard Elternkrankheit - Kinderalltag

Hallo Ihr Lieben,

ich heiße Linnea, bin 30 Jahre alt und weiß seit ungefähr einem Monat, daß ich an Eierstockkrebs erkrankt bin. Ich hatte die übliche große OP und einen ersten Chemo-Zyklus, bei dem sich allerdings ein kleines Herzproblem heraustellte, so daß ich mit der Fortsetzung der Chemo nun warten muß, bis die Kardiologen grünes Licht geben.

Glücklicherweise konnte ich vor der Erkrankung zwei Kinder zur Welt bringen. Ich weiß, daß viele Frauen mit Unterleibskrebs sehr darunter leiden, keine Kinder bekommen zu können und bin sehr dankbar, mit unserem 7jährigen Sohn und unserer 9 Monate alten Tochter zusammenleben zu dürfen.

Zur Zeit sind die beiden allerdings bei meinen Eltern in Hessen (wir wohnen in Thüringen), da mein Mann beruflich gerade sehr eingespannt ist und ich wegen meiner vielen Termine nicht mit ihnen alleinbleiben kann. Außerdem kann ich wegen des Bauchschnitts die Kleine nicht hochheben, so daß ich sie nicht einmal alleine ins Bett legen könnte…

Ich vermisse meine beiden sehr und kann es kaum erwarten, sie ab der nächsten Woche wieder um mich zu haben (da hat mein Mann wieder mehr Zeit). Allerdings habe ich gleichzeitig Angst davor: Zur Zeit spüre ich so massiv, wie sehr ich meine Kraft für mich brauche und weiß noch gar nicht, wie ich den Kindern in diesem Zustand überhaupt gerecht werden soll.

Der Große hat schon im vergangenen Jahr, in dem ich mit meiner ziemlich beschwerlichen Schwangerschaft gekämpft habe, so viel zurückstecken müssen. Er hat das alles so klaglos hingenommen, daß ich mir eher Gedanken mache, ob er nicht manchmal mehr „schluckt“ als ihm guttut.

Die Kleine hat im Zusammenhang mit meiner Erkrankung auch schon einige Einschnitte erlebt, z.B. wurde sie pünktlich zum OP-Termin abgestillt… In mancherlei Hinsicht wird sie nicht so viel vermissen wie der Große, weil sie es nicht anders kennt. Aber mir tut es natürlich leid, wenn ich sehe, was ich mit dem Großen damals so selbstverständlich machen konnte und was ihr nun entgeht.

Warum ich das alles schreibe? Mich würde sehr interessieren, wie Ihr Eure krankheitsbedingten Einschränkungen und Eure Elternrolle unter einen Hut gebracht habt bzw. bringt. Wie gebt Ihr Euren Kindern die Stabilität, die sie brauchen? Wie schafft Ihr „Normalität“ im Alltag? Wie kommt Ihr selbst gefühlsmäßig mit der Situation zurecht? Ich habe momentan oft so etwas wie „Schuldgefühle“ gegenüber meinen Kindern, weil ich ihnen nicht so viel geben kann wie ich gerne würde… Kennt Ihr das? Und wie geht Ihr damit um? Was machen die vielen Aufs und Abs mit Eurem Familienleben?...

Würdet Ihr mir (und anderen Interessierten) ein bißchen davon berichten?

Es grüßt Euch alle ganz herzlich Linnea
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  #2  
Alt 08.08.2007, 16:22
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hope38 hope38 ist offline
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Standard AW: Elternkrankheit - Kinderalltag

Liebe Linnea!
Dir hat noch niemand geantwortet, da tue ich es!

Es tut mir sehr leid, daß Du so jung an Krebs erkrankt bist. Das ist ein wahrhaft riesiger Schock. Plötzlich scheint alles über einem zusammenzubrechen, das ganze Lebenskonstrukt. Eine sehr schlimme, traurige und lähmende Erfahrung.
Hinzu kommt dann auch noch, daß Du eine Mama bist. Das ist noch einmal schwer. Die Sorge um die Kinder, die Frage, was fühlen sie, was wird bleiben an Narben, an Traurigkeit, an Angst? Was wird passieren,wenn wir es nicht schaffen? Ich weiß, wie weh es tut, ich weiß es.

Zu mir: Ich bin im Mai 06 im Alter von 38 Jahren an Darmkrebs erkrankt. Ich bin verheiratet und wir haben 6 Kinder zwischen nun 16 und 2 Jahren. Ich mußte die Kleine auch abstillen und wenn ich an die Zeit denke, in der ich hinter der Schlafzimmertür stand und mein Mann mit der Kleinen im Schlafzimmer war, um sie zu trösten und mit ihr einzuschlafen, da ist mir mein Herz ein weiteres Mal gebrochen... Es kamen noch viele Male dazu, sehr viele...
Meine Kinder gehen sehr unterschiedlich mit der Erkrankung um. Ich habe ihnen sofort erzählt, daß ich schwer erkrankt bin- und Du kannst Dir denken, nichts hätte ich mir mehr gewünscht als sie zu schützen vor diesem Wahnsinn.

Ich kann Dir keinen Rat geben, nur das Gefühl, daß ich weiß, wie Du Dich fühlst. Du wirst mit Deiner Liebe, die aus Deinen Zeilen spricht, den richtigen Weg für Euch finden. Uns hat Offenheit in allen Lebenslagen geholfen. Wir lachen zusammen, weinen aber auch. Sie wissen immer,wann Untersuchungen anstehen und daß ich dann nervöser bin, können sie einordnen.

Aber es vergeht kein Tag, an dem ich wünschte, der Wecker würde klingeln und ich würde aufwachen aus diesem Alptraum...

Dir alles alles Liebe und Kopf hoch,

hope
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  #3  
Alt 08.08.2007, 21:51
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Linnea Linnea ist offline
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Standard AW: Elternkrankheit - Kinderalltag

Liebe Hope,

vielen Dank für Deine lieben Worte! Sie haben mir sehr gutgetan!

Wahrscheinlich ist es wirklich so, daß nichts hilft als das Vertrauen, es irgendwie hinzubekommen. Ich bin eigentlich nicht pessimistich und denke bisher nicht über mögliche Heilungsmißerfolge und dergleichen nach. Aber wenn es um unsere Kinder geht, scheint mir jeder einzelne Tag, den der Krebs für sich beansprucht, auf fast unheimliche Weise bedeutsam zu sein...

Auch wir versuchen, kein Geheimnis aus der Erkrankung zu machen, schon deshalb, damit der Große nicht das Gefühl bekommt, daß die eigentlichen Fakten erst in seiner Abwesenheit diskutiert werden. Und die Kleine wird jetzt eben so damit aufwachsen... Mal sehen, wie es gehen wird.

Nochmals: herzlichen Dank fürs Schreiben! Du hast mit Deiner Antwort so genau das getroffen, was hinter meinem Posting stand - die Situationen, Gefühle und Fragen...

Für Dich und Deine Familie alles erdenklich Gute wünscht Linnea
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  #4  
Alt 16.08.2007, 15:04
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Linnea Linnea ist offline
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Standard AW: Elternkrankheit - Kinderalltag

Lieber Stephan,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Du und Deine Familie haben ja wirklich schon viel durchlebt und durchlitten. Man merkt Deinen Worten an, aus welch tiefen Erfahrungen sie geschöpft sind!

Ich habe immer mal wieder in die von Dir angegebenen Threads hineingeschaut und auch die diesbezügliche Debatte verfolgt. Allerdings fällt es mir zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer, mich da zu positionieren. Meine Krebsgeschichte ist noch relativ "jung", ich muß vieles erst für mich herausfinden.

Ich glaube von mir behaupten zu können, daß ich im Großen und Ganzen ein sehr positiv denkender Mensch bin. Ich habe schon mehrfach die Erfahrung gemacht, daß Geschehnisse, die alles Geplante und Ersehnte umgeworfen haben, zu einem ganz anderen, guten, glücklichen Weg geführt haben.

Nur braucht all das seine Zeit. Und es ist eben nicht nur meine Lebenszeit, sondern auch die meiner Kinder, für die eine Woche, ein Tag ja schon so ungeheuer lang sein kann.

Ich habe als Vierte von fünf Geschwistern eine sehr glückliche Kindheit erleben dürfen, geliebt, getragen, eingebettet in ein friedliches, harmonisches Miteinander in einem liebevoll-chaotischen Haushalt. Ich weiß, daß hinter diesem unschätzbaren "Großerlebnis" die unermüdliche Energie meiner Eltern steckte, die für jeden von uns fünfen immer genug Zeit und Geduld aufbrachten. Und ich habe mir immer gewünscht, meinen Kindern eine solche Kindheit ermöglichen und von meiner "Glücksgrundlage" das Wichtigste weitergeben zu können.

Ich hoffe nun einfach, daß ich das trotz allem schaffen kann. Der Krebs frißt viel Energie, aber ich habe noch viel vor und ich will es wirklich!

Seit kurzem sind unsere Kinder wieder hier bei uns und ich merke, daß es mir - trotz aller Anstrengung - sehr guttut, sie um mich zu haben. Viele kleinere Probleme lösen sich sicherlich in der konkreten Situation auf die ein oder andere Weise von selbst. Aber nach wie vor herrscht eine gewisse "Ausnahme-Stimmung", ein richtiger verläßlicher Alltag ist das jedenfalls noch nicht - aber das wird hoffentlich noch.

Alles Gute für Dich und Deine Familie!
Mit vielem Dank für Deine lieben Worte grüßt Dich herzlich, Linnea
__________________
Einen Menschen zu lieben heißt:
Ihn zu sehen wie Gott ihn gemeint hat.
Liebe ist das Geheimnis der Brotvermehrung.
- Christine Busta -
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  #5  
Alt 16.08.2007, 20:41
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Linnea Linnea ist offline
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Standard AW: Elternkrankheit - Kinderalltag

Lieber Stephan,

habe herzlichen Dank für Deine vielen guten Wünsche! Deine Worte haben mich auch diesmal wieder sehr berührt und mir ein wunderbares Erlebnis beschert:

Wenn es nämlich sogar in einem solchen virtuellen Raum möglich ist, daß echte Gefühle und Gedanken mit echten Gefühlen und Gedanken beantwortet werden und sich beide Menschen dadurch getröstet fühlen, dann muß es erst recht möglich sein, in der persönlichen Begegnung auf diese Echtheit zu vertrauen und den Kindern schon allein mit dieser Echtheit das Entscheidende zu vermitteln. (Ich weiß nicht, ob ich mich klar ausdrücke, das Gefühl kam eben beim Lesen wie ein Schwall über mich, ich muß es erst in Worte fassen...)

Sei noch einmal herzlich für Deine so unmittelbar hilfreichen Worte bedankt.
Alles Gute für Dich und Deine Lieben wünscht Linnea
__________________
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- Christine Busta -
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